Читать книгу Romanpaket Spezial 8/2021: Die mitreißendsten Liebesromane im August 2021 - Sandy Palmer - Страница 10
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ОглавлениеAm fünften Abend, kurz bevor das Schiff New York erreichte, fand das Kapitänsdinner statt. Julia sah dem Ereignis mit einem leichten Unwohlsein entgegen. Zwar besaß sie inzwischen wundervolle Garderobe, doch mit den Juwelen, die die anderen Damen Abend für Abend zur Schau stellten, konnte sie nicht konkurrieren. Die dünne Kette aus schlichten Süßwasserperlen, die sie bei der Arbeit getragen hatte, passte absolut nicht zu dem Ballkleid, das eigentlich Veronique Höhler gehörte.
Julia seufzte auf, als sie den Traum aus stahlblauem Chiffon, dessen Oberteil mit unzähligen kleinen Pailletten besetzt war, betrachtete. Es fiel ihr immer schwerer, ihrer Rolle gerecht zu werden. Lügen zu müssen, um eine andere Frau zu schützen...
Es war ein etwas stürmischer Tag auf See, und Holger und ein paar Bekannte beschlossen, ein Backgammon-Turnier auszutragen.
Wunnibald Wahlen fühlte sich nicht gut, und Julia schaute mehrmals besorgt nach ihm.
„Lass gut sein, Kindchen“, meinte der alte Herr am späten Nachmittag, „es geht schon wieder. Die See hat sich beruhigt, und mein Herzschlag auch. Ich werde gleich aufstehen.“
„Wollen Sie nicht doch lieber kurz den Arzt kommen lassen? Ich wäre dann beruhigter.“ Julia lächelte ihn so lieb an, dass er schließlich zustimmend nickte.
„Also gut, einverstanden, Kindchen. Aber nur, wenn du mir hinterher einen Wunsch erfüllst.“
„Jeden!“, versicherte Julia. Es fiel ihr so leicht, nett zu dem alten Herrn zu sein, der sie seit dem ersten Tag „Kindchen“ nannte. Sie mochte es, denn der Name Veronique war wie ein Stachel...
Der Arzt kam rasch und bestätigte dem alten Herrn beste Gesundheit. „Für Ihr Alter sind Sie in Topform, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.“
„Sie dürfen. Aber nur mir gegenüber. Mein Neffe soll ruhig glauben, dass ich nicht mehr lange zu leben habe. Umso mehr beeilt er sich mit der Hochzeit. Am liebsten wäre mir ja noch eine Trauung hier an Bord. Dann kann gar nichts mehr schief gehen.“
Der Arzt lächelte. „Sie können nichts erzwingen, Herr Wahlen.“
„Ich weiß. Aber ein bisschen Schicksal spielen ist erlaubt.“
Als der Arzt gegangen war, machte sich der alte Herr sorgfältig zurecht. Dann überprüfte er, ob er alle Kreditkarten dabei hatte und ließ die vermeintliche Veronique zu sich rufen.
„Du hast mir einen Wunsch gewährt“, begann er sofort. „Komm mit, ich möchte ihn sofort erfüllt bekommen.“
Julia nahm den angebotenen Arm, und gut gelaunt schlenderte das ungleiche Paar durch die weitläufigen Gänge. Die junge Frau wunderte sich, dass Wunnibald Wahlen sie zu dem Trakt führte, in dem sich die Bordboutique, eine Parfümerie - und ein exklusiver Juwelierladen befanden.
Und genau in dieses Geschäft ging der alte Herr!
Man begrüßte ihn mit ausgesuchter Höflichkeit, und Julia konnte unschwer erkennen, dass er hier schon einmal gewesen sein musste, dann die Verkäuferin legte ihm unaufgefordert einige Schmuckstücke vor.
„Such dir etwas aus“, forderte Wunnibald Wahlen und wies auf die Juwelen, die auf blauem Samt lagen und im Licht der Lampen besonders funkelten. „Und ich bitte mir absolute Unbescheidenheit aus!“
„Aber ich kann doch nicht...“ Verlegen biss sich Julia auf die Lippen.
„Sei still und denk dran - du musst mir einen Wunsch erfüllen.“ Und als sie immer noch ganz fassungslos auf die wertvollen Schmuckstücke schaute, nahm er sie kurzerhand in die Arme und flüsterte: „Du bist zwar ohne Gold und Diamanten immer noch schöner als jede andere Frau auf diesem Kahn, aber ich finde, ein bisschen sollte es schon um deinen Hals glitzern.“
Nach diesen Worten griff er zu einer schmalen goldenen Kette, die alle fünf Zentimeter von einem kleinen Brillanten verziert wurde. In der Mitte glitzerte ein großes, perfekt gefasstes Brillantherz.
„Ich finde, das passt ideal zu dir.“ Und an die Verkäuferin gewandt: „Einzupacken brauchen Sie es nicht, doch eine kleine Schachtel dürfen Sie uns mitgeben.“
Julia erlebte alles wie im Traum. Als der alte Herr ihr mit leicht zitternden Fingern die Kette umlegte, schloss sie sekundenlang die Augen. Dabei stellte sie sich vor, wie schön es wäre, wenn Holger ihr dieses Schmuckstück geschenkt hätte.
Holger... sie musste ihr Herz in beide Hände nehmen, wenn sie in seiner Nähe war. Immer wieder musste sie sich ins Gedächtnis zurückrufen, dass er eine andere liebte, dass er sie, die kleine, unbedeutende Schneiderin, nur auf diese Reise mitgenommen hatte, weil seine Freundin ihn im letzten Moment versetzt hatte und sein Onkel dies nicht merken durfte.
„So, Kindchen, jetzt noch das dazu passende Armband, dann bist du für den heutigen Ball gerüstet.“ Und ohne auf ihren Widerspruch einzugehen, nahm er ein schmales, genau zur Kette passendes Armband von der Theke, nickte der Verkäuferin zu und legte dann kommentarlos eine Kreditkarte auf den Tresen.
Julia ahnte nicht, was er zahlen musste, doch dass es ein kleines Vermögen sein musste, war ihr schon bewusst.
„Ich... ich weiß einfach nicht, was ich sagen, wie ich mich bedanken soll“, flüsterte sie, als sie das Geschäft verließen. „Sie dürfen nicht so viel Geld für mich ausgeben. Sie ahnen ja nicht...“ Tränen schimmerten in ihren Augen. „Ich bin es gar nicht wert, dass Sie so nett zu mir sind, Herr Wahlen.“
Ein verstecktes Lächeln glitt über das Gesicht des alten Mannes. „Du bist es ganz bestimmt wert, Kindchen. Aber wenn du mir irgendwann was über dich erzählen willst, höre ich dir gern zu. Nur nicht jetzt. Es ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt für Geständnisse. Du musst dich umziehen und noch ein bisschen schöner machen, und ich...“ Er zwinkerte ihr zu, „ich schmeiße mich jetzt in meinen Smoking. Heute Abend werden wir das schönste Paar auf dem Schiff sein. Und ich bitte mir aus, dass der erste Tanz mir gehört!“