Читать книгу ... und dann geschah es - Sanne Prag - Страница 10

NACHMITTAG, ZWEI TAGE SPÄTER

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Ezra fand es gut, seinen Studienkollegen und Helfern etwas anbieten zu können. Urlaub in einer der schönsten Gegenden Österreichs, nach einem wirklich gut bezahlten Job. Wolfgang lenkte den Kleinbus, es herrschte angenehme Stimmung. Sogar Edmund hatte sich kurz von den Sorgen der Welt lösen können. Er war zwar tieftraurig, wie immer, aber nicht hoffnungslos. Hubert und Jörg waren voll Erwartung, obwohl Hubert in letzter Zeit ein wenig unruhig gewirkt hatte. Hille schlief wahrscheinlich den Alkoholkonsum vom Vorabend aus. Sie fuhren in einer mutigen Kurve in den Jaidhof ein. Die Katze nahm den kurzen Weg übers Dach, Tante Tina blieb stehen.

Die Herren entstiegen dem Wagen, heiß und ein wenig zerknittert. In gemeinsamer Bewegung setzten sie die Trinkflaschen an.

„Meine Herrn! Was suchen sie hier?“ Tante Tina klang scharf und laut.

Ezra war von Esther mit heiserer, hektischer Stimme vor drei Tagen informiert worden. Die Panik hatte sie noch fest umschlungen und klang durchs Telefon. Sie stellte Ezra alle Seitenaspekte und alle Nebenwahrscheinlichkeiten vor, im heftigen Bemühen, einen Verbündeten zu rekrutieren. „Bitte, bitte kommt alle und bleibt hier, Wolfgang auch, und wir feiern viele Feste. Laute Feste. Und ihr benehmt euch daneben. Seid unmöglich, rücksichtslos, laut, lasst alle Hemmungen fallen! Unterlasst nichts, was euch einfällt und Freude macht.“

Er trat daher höflich, devot auf Tante Tina zu, zog im Geiste seinen Hut. „Liebe gnädige Frau, wir haben es geschafft, wir sind fertig. Wir haben tatsächlich die ungeheure Wohnung ausgeräumt, alles, bis aufs letzte Stückchen Papier. Und jetzt machen wir Urlaub hier, wie ja besprochen war. Wir freuen uns sehr. Hier ist es wirklich schön.“

Wolfgang war voll eingeweiht. Er räumte gerade sehr sichtbar zwei riesige Lautsprecher aus dem Bus. Sie hatten sie bei einem Studienfreund entliehen, der Tontechnik beim Festival in Wiesen machte. Das Ding war für Freiluftkonzerte mit etlichen tausend Besuchern geeignet und man sah es ihm an. Dann nahm Wolfgang Haltung an und fragte Ezra: „Glaubst du, sollen wir sie für heute Abend gleich draußen lassen oder soll ich sie inzwischen hineinstellen?“

Ezra dachte sichtbar nach. „Ich denke, es ist jetzt 14 Uhr. Wir fangen um 18 Uhr an und du musst das Ganze noch einrichten. Entschuldigen Sie, liebe gnädige Frau, das wird ein bisschen Lärm machen, aber wir brauchen zum Feiern Musik.“ Er wendete sich zu seinem Freund: „Lass die Anlage dort drüben, dort stört sie nicht.“ `Dort drüben´ war genau unter Tante Tinas Zimmer. „Dort kann die Anlage bleiben, das Wetter schaut gut aus.“

Da kam Esther mit strahlendem Lächeln auf ihn zu. Er mochte Esther, eine Liebe seit Kindertagen. Sie umarmten sich zärtlich. „Habt ihr es tatsächlich geschafft, die Wohnung auszuräumen. Ihr seid großartig. Eine echte Leistung. Tante Tina, ich glaube, du kennst Ezra. Ihr habt euch vielleicht in der Wohnung gesehen, als du dort warst.“, meinte sie hintergründig. „Die alle haben die Arbeit des Herkules vollbracht. Das muss gefeiert werden.“

Scharf und zornig kam die Antwort. „Ich weiß, dass meine Schwester einen Dreckstall beinander hatte, aber ich weiß nicht, was daran gefeiert werden muss, einen anderen Menschen von der Welt zu löschen.“ Sie drehte sich um und ging ins Haus.

Alle standen wortlos im Kreis. Ezra streichelte Esther fürsorglich über die Hand. Sie wirkte erschrocken, hilflos und vom schlechten Gewissen gewürgt. „Gibt’s was zum Essen?“, fragte er zärtlich. Sie schreckte aus ihren dunklen Wolken. „Ja gleich. Alles bereit.“ Keine Frage, man konnte sich darauf freuen.

Da kamen seltsame Töne aus den Riesenlautsprechern, quietschende surrende Versprechen für den Abend. Im Augenblick war es für alle Ohren eher unerfreulich. Der Ton nahm an Fülle zu, flaute dann wieder ab, fuhr Achterbahn. Rhythmisches Klopfen und dann Gabel auf Teller hundertfach verstärkt. Wolfgang drehte die Höllengeräusche herunter und kam mit einem Mikro an. „Kommt, singt mir ein Liedchen für den Pegel.“ Edmund, der Dichter, sah das Mikrofon tieftraurig an. So tieftraurig wie am Ende der Welt. „Nein“, meinte er mit Grabesstimme, „Absolut nein, ich singe kein Liedchen.“

„Dann sag halt etwas, irgendwas, sag wie du heißt und ihr auch. Ich brauch das.“

Sie sagten alle brav ihren Namen ins Mikrofon, Ezra, Esther, Edmund, Hille, Hubert und Jörg. Ida kam angelaufen und rief „Ich will auch was sagen, ja, meinen Namen.“

Sie sagten alles noch einmal, bis Wolfgang zufrieden war, und er ging und schaltete an den Geräten herum. Da klang es laut und deutlich, wenn auch ein bisschen unrein, über den großen Hof: „Ich bin Robert.“

„Was hast denn du da drauf gehabt? Von wann ist denn das?“, fragte Ezra und merkte, dass Wolfgang erstarrt dort saß. „Ich hatte nichts drauf, ich hab das grad erst neu eingelegt. Aus der Packung – neuer Chip“

Wolfgang war verwirrt. Er schaltete um. Es dauerte ein bisschen, dann sagte Edmund: „Ich heiße Edmund….“ Es klang vertraut, deutlich und klar über den Hof. Die Tonqualität war sehr gut, ausgezeichnet. Nach Ida war die Sache zu Ende und Wolfgang schaltete. Da erklang wieder das etwas undeutliche „Ich bin Robert.“

„Das ist vielleicht der aus dem Fenster“, meinte Ida.

„Wer aus dem Fenster?“ Sie standen alle beisammen.

„Da oben im Fenster ist immer wieder einmal ein Mann mit Hut. Ich habe ihn schon am ersten Tag gesehen, als wir hier waren, das Haus anschauen. Da stand er oben und schaute auf uns herunter. Ein ziemlich prächtiger Hut.“

Ezra spürte ein leises Prickeln. Wie ist das Leben mit einem Gespenst? Hatte das nur Belastungen oder konnte das auch Vorteile bieten? Schließlich hatte er hier einen Job zu machen. Tante Tina sollte sozusagen sanft entfernt werden. Esther hatte ihm die Sache erklärt. Einfach rausschmeißen kam nicht in Frage. Ideal wäre es, würde sie selbst beschließen zu gehen. Da konnte eine Geistererscheinung doch Möglichkeiten eröffnen. Das Problem war, man konnte mit einem Geist nicht vernünftig reden. In Sachen Tante Tina konnte er, richtig eingesetzt, eine große Hilfe sein. Aber wie ihm das klar machen?

Alle wanderten auf die Wiese, um das Fenster mit dem Geist zu betrachten. Das Fenster hatte ein seltsames Farbenspiel. Offensichtlich sehr alte Scheiben, die Schlieren in Rosa, Lilablau, Weiß und ein wenig Gelb zeigten, aber Ezra konnte beim besten Willen keinen Mann mit Hut erkennen. Da sagte Ida neben ihm: „Er ist gerade nicht da. Er ist immer mal nicht da und kommt dann wieder.“ Ida hatte wohl seit längerem ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Hausgeist. Vielleicht konnte sie vernünftig mit ihm reden?


... und dann geschah es

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