Читать книгу ... und dann geschah es - Sanne Prag - Страница 15
NACHMITTAG
ОглавлениеEzra wollte jetzt keine alten Damen vertreiben helfen, sondern fuhr zum Spital.
Hille war schon wieder guter Dinge „Ich habe überlebt, weil ich unterkühlt war, sagen die Ärzte. Wie ich es um die Jahreszeit bei den Temperaturen geschafft habe, unterkühlt zu sein, verstehen sie nicht.“ Hille hatte auch seinen Kater losgebracht und wirkte nicht einmal blass, nicht verschreckt, eigentlich lag er irrtümlich in einem Spitalsbett. Er konnte sich an rein gar nichts erinnern, nicht einmal an die Wasserzisterne, geschweige denn, ob ihn jemand gestoßen hatte, und wer. Warum er in den Keller gegangen war? Ja, er konnte das nicht so genau sagen, aber er hatte so ein dunkles Gefühl, dass irgendwas ausgegangen war. Und er brauchte Nachschub und irgendwer sagte, der sei im Keller. Beim besten Willen konnte er es nicht genauer sagen. Im Keller sind wohl meist die Flaschen. Oder nicht? Schien nicht unlogisch. Oder?
Ezra begann, mit ihm über dies und das zu reden, und lenkte das Gespräch so auf die letzten Monate. Was hatte Hille denn so gemacht die letzten drei Monate oder vielleicht vier?
Hille lief rot an. Oh das war nicht gut! Da gab es Riffe und Untiefen. Wie schwer das Problem war, konnte man bei ihm nie sagen. Er konnte Einbrüche begangen haben, mit Drogen gehandelt, vielleicht aber nur die Kassiererin von der Cafeteria in der Uni begehrt. Alles gleichermaßen sorgte mitunter für rote Flecken an seinem Hals, wie eben jetzt.
Ezra machte, als ob er nichts bemerkt hätte. „Warst recht knapp bei Kasse?“, versuchte er weiterhin in die Untiefen vorzudringen. Die roten Flecken zogen ab. Hille fühlte sich verstanden.
„Im Mai hatten sie mich zu einer Pokerrunde eingeladen und irgendwie war‘s ein schlechter Abend und dann war ich pleite mit Schulden. An denen nage ich heute noch“, meinte er unglücklich.
Ah ja, irgendwer hatte Hille gezielt ausgenommen. Keine Kunst, aber eine üble Sache. Wie auf junge Häschen schießen. „Wer war denn da?“, fragte Ezra mit Fürsorge in der Stimme.
„Naja, Remus Vorberg hat uns eingeladen. War eine ziemlich große Runde. Er fragte, ob ich in die Verbindung komme. Wollte ich doch immer schon einmal“, erzählte Hille unschuldig.
Es ging das Gerücht von einer schlagenden Verbindung mit lobbyistischen Aktivitäten dunkler Machart um, eine üble Sache. Vorberg hatte einen reichen Vater und war deshalb Anführer, Ikone dieser zweifelhaften Bruderschaft. Ezra machte einen Vermerk in seiner inneren Bibliothek, einen Vermerk über verbotenes Glückspiel. Vorberg war ein sehr mieser Typ, da gab es keinen Zweifel.
Da sagte Hille: „Jörg war auch da.“
Also Jörg war auch dabei, das konnte vieles heißen. Er hätte Jörg nicht für einen üblen Helfer böser Mächte gehalten. Der immer lächelnde, ein bisschen ungelenke Jörg als Helfer des Bösen? Das schien Ezra weit hergeholt. Er fragte weiter: „Warst du dann noch einmal dort? Ich meine bei der Verbindung?“
„Naja, ich wollte eine Stundung, weil ich ja den Job mit dir hatte. Das hätte einen Großteil der Schulden abgedeckt, anders konnte ich es ja nicht zahlen.“
„Und haben sie mit sich reden lassen?“
„Hubert hat da grade etwas abgeholt und alle waren ziemlich gereizt und Vorberg sagte zu mir: ‚Schuldner müssen draußen warten‘, und so wartete ich lange. Und dann musste ich heim, Vater helfen, und so bin ich seither nicht mehr dort gewesen. Sobald ich raus bin, zahle ich es, denn Vorberg hat gesagt, ich sollte auf meine Ohren aufpassen.“
Ezra spürte Wut hochkochen. Wie konnte dieser miese Verbindungsbruder Hille so etwas sagen? Das war eine ungeheure Frechheit, nachdem er ihn ausgenommen hatte. Und was hatte Hubert mit den Typen zu schaffen? Es war schwer zu ertragen, dass alle seine Kumpels mit Vorberg Kontakte hatten. Und die Frage war: Was für Kontakt? Hubert war ihm immer als ganz trockener, sachlicher Denker erschienen. Völlig fantasielos, fast wie ein Roboter, emotionslos. Was ist, wenn so jemand ein Spieler ist, im Poker verliert? Oder was für Geschäfte gab es da noch bei Vorberg? Wie war das mit der Verbindung?
„Hat Hubert die Unterlagen geholt?“ Keine klare Frage. Nein. War nicht gut. Hille sollte unschuldig bleiben. Aber vielleicht wusste er etwas, - etwas das nicht gleich sichtbar war, nicht leicht erkennbar, zumindest nicht für Hille.
„Keine Ahnung. Welche Unterlagen? Sah aus wie ein kleiner Werkzeugkoffer, Akkuschrauber oder so etwas, und dann hatte er seinen Laptop hergezeigt. Irgendwas war damit. Aber deshalb waren sie ja so gereizt.“
„Wegen dem Laptop?“
„Ja, Vorberg war böse. Grade als ich hereinkam, sagte er - das ist einfach nicht richtig - oder so etwas.“
„Wem gehörte denn der Laptop?“
„Weiß ich eigentlich nicht. Ich dachte, Hubert. Der hat ihn mitgenommen.“
Ezra verabschiedete sich.
Hatte Hille etwas gesehen, was er nicht sehen sollte? Er wünschte sich, Vorberg mit Händen voll fremdem Geld zu erwischen. Und dann wollte er ihn stolpern lassen, eine Bauchlandung, heftig und schmerzhaft und alle Geheimnisse lägen auf der Straße, für alle sichtbar. Das war es, was er mit Vorberg machen wollte. Harmlose Bürger ausnehmen beim Poker! Und dann präpotent und bedrohlich den armen Kerl einschüchtern wollen!
Aber vor allem stellte Ezra sich die Frage, ob Remus Vorberg eine große Nummer war. Ezra hielt ihn eher für einen Blender. Mehr Show als Mann. Hatte Vorberg Hilles Unfall auf dem Gewissen? Aber er war nicht anwesend, Hubert schon.
Was für eine Rolle hatte Hubert bei der Sache? Die Gedankenschlingen fuhren mit im Auto, ringelten sich ums Lenkrad, um den Schaltknüppel, um Hubert, um Hille – aber der schlief fest im Spital. Und Ezra kam zu keiner Lösung - es gab zu viele Möglichkeiten.