Читать книгу ich - Sarah Michaela Orlovský - Страница 16

Mitbringsel

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Auf dem Regalbrett über meinem Bett steht mein Weltenbummlerschatz. Da ist zum Beispiel Boris, der kleine hölzerne Bär mit dem grün-weiß gestreiften Pulli und der Anstecknadel am Rücken (Moskau). Daneben hockt der Stoffelefant im wilden Batik-Look (Kuala Lumpur). Da ist der hölzerne Füller, für den man ein richtiges Tintenfass braucht (Barcelona), die Mini-Kaffeetasse mit dem Lorbeerkranz drauf (Rom) und natürlich der funkelnde Eiffelturm, der im Dunkeln leuchtet (guess where from).

Wo immer Papa hinfliegt, das erste, was er macht, ist, mir ein Mitbringsel zu besorgen. Okay – das zweite, falls er dringend aufs Klo muss. Aber mein Mitbringsel ist auf jeden Fall wichtiger als Papas heiliger Cappuccino, selbst wenn er nur eine Stunde Zeit hat.

Alle vier Wochen ein Mitbringsel. Wenn Papa mitten in der Nacht heimkommt, schleicht er sich immer noch in mein Zimmer, egal zu welcher Uhrzeit. Ich bin noch kein einziges Mal davon aufgewacht. Ich weiß nur, dass er da war, weil ein kleines Päckchen auf meinem Nachtkästchen steht. Und da bleibt es dann, bis er wieder fährt. Ich packe es erst aus, wenn die Haustür hinter ihm ins Schloss gefallen ist. Denn dann brauche ich ein Stück von ihm, das bei mir bleibt. Damit ich die nächsten zwei Wochen aushalte. Auch wenn ich im Moment so wütend auf ihn bin, dass ich schreien könnte, 24/7.

In Wirklichkeit sind Papas Geschenke gar keine Mitbringsel.

Es sind Dableibsel.

Dieses Mal ist es ein Paket in DIN A4. Mein Herz hat richtig geflattert beim Aufmachen. Es ist ein Schatz aus wunderschönem, griffigem Papier. Zu dünn für ein Buch, zu Natur für eine Illustrierte. Zu unförmig für irgendetwas, das ich kenne.

Es ist ein Ferienbuch.

Seite für Seite gefüllt mit schönen Dingen zum Durchlesen, Auffalten, Anschauen, Raustrennen, Nachmachen. Do It Yourself vom Allerfeinsten. Schöne Dinge von kreativen Leuten und Artikel über kreative Leute, die schöne Dinge machen. Die davon LEBEN, sich ihre Gedanken und Gefühle von der Seele zu zeichnen. Sie verbringen ihre Tage damit. Sie haben eigene ATELIERS dafür. Sie verdienen ihr GELD damit. Wie sich das wohl ausgeht? Haben die so viele Gefühle, dass sie am laufenden Band Bücher und Stoffe und Postkarten damit gestalten können? Oder gibt es Menschen, bei denen der Stift auch ohne Emotion tanzt?

Ich versinke in die magische Welt zwischen den naturfarben bedruckten Seiten. See you later, alligator. (In a while crocodile. – Das werde ich dem Baby als Allererstes beibringen. Es wird das coolste Kind im Kindergarten sein, mit Rie-sen-ab-stand. Ein bisschen retro, aber cool.)


Sieht so aus, als wäre ich wieder aufgetaucht. Aus der Versenkung. Aus dem Versunkensein. Was rede ich – aus dem Paradies! Gerade beginnt das Nachmittagsprogramm im Radio. Rock Classics. Mit Peter Kurz. DIE Idee des Radio-Kreativ-Teams. (Peter – Petrus – der Fels? ROCK Classics? Na ja. Es gibt Leute, die behaupten, ich neige zur Überinterpretation. Trotzdem: Ein Mitarbeitsplus in Religion würde mir zustehen, falls jemanden meine ganz persönliche Meinung interessiert.)

Bis Peter Kurz’ rockige Stimme den Nachmittag eingeläutet hat, habe ich nicht einmal bemerkt, dass das Radio überhaupt eingeschaltet ist. (Gut so. Highway to Hell ist wohl kaum der richtige Soundtrack fürs Paradies …)

Mama hat mich nicht zum Mittagessen gerufen. Entweder sie schläft oder sie zelebriert ihren Abschiedsschmerz. Als wäre sie die Einzige, der Papa fehlt. Als hätte sie das „Ich-vermisse-ihn-Monopol“.

Oder sie hat einfach auf mich vergessen.

Ganz egal. Alles egal, Leute.

Ich bin plötzlich glasklar im Kopf. Ich weiß, wie ich diesen Sommer überlebe. Steht alles auf Seite 23:

Staycation heißt das Zauberwort.

STAYCATION.

Danke, Papa. Ich hab dich lieb.

ich

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