Читать книгу Über Nacht, Mr. Zoom? - Sarah Veronica Lovling - Страница 6
3. Kapitel
ОглавлениеIn der Caféteria im naturwissenschaftlichen Teil der Uni war die Hölle los. Gefühlt alle Studenten aus den Fachbereichen Medizin, Physik, Biologie und Chemie schienen sich versammelt zu haben, um das nicht sehr umfangreiche Angebot an Snacks zu plündern, und der Lärmpegel war gigantisch. Caroline, mittendrin und überglücklich, dass sie einen freien Stuhl gefunden hatte, störte dies gar nicht. Weder der Lärm, noch das eintönige Essen. Der Pathologiekurs war vorüber, und Caroline war für ihre präzise Arbeit mit dem Skalpell vom Dozenten gelobt worden. „Die Präparation der Koronargefäße ist Miss Steward am besten von allen gelungen“, hatte er den Studenten mitgeteilt, „sie können sich ihre sehr gute Arbeit an ihrem Tisch gerne ansehen. So macht man das!“ Caroline war rot angelaufen, hatte sich aber sehr über das Kompliment gefreut. Es war ihr wichtig, gute Leistungen zu erbringen. Jetzt stand das nächste Seminar an, und davor wollte sie noch ihr Referat für übernächste Woche vorbereiten, wofür ihr noch ein Lehrbuch fehlte, das sie aber heute in der medizinischen Bibliothek der Universität Lanbridge abholen wollte… Ihr weiteres Tagespensum war nicht gerade ohne. Das Studium ist alles für mich, dachte Caroline, als sie nun, am Mittag, endlich in ihr Brötchen biss, das ihr in ihrem Hunger nicht wie das pappige Etwas vorkam, das es war, sondern einfach göttlich zu schmecken schien. Naja, fast alles. Da gab es natürlich noch ihre Mutter Martha, mit der sie viel Zeit verbrachte – was ihr beschämenderweise schwerer und schwerer fiel. Oft machten nach einem langen Tag an der Uni ihre Nerven einfach nicht mehr so mit, und sie hatte dann nur wenig Geduld und sagte Dinge, die sie später bereute. Sie kann doch nichts dafür, sagte sie sich, eines ums andere Mal, doch es funktionierte nicht immer. Oft kam es zu unschönen Auseinandersetzungen mit ihr, Streitigkeiten, in denen keiner der Gewinner sein konnte, und jedes Mal war es Caro zum Heulen zumute. Wie es weitergehen würde, stand in den Sternen. Caroline schob diese Gedanken von sich, verschloss die Augen davor – weil es ihr einfach zu weh tat, darüber nachzudenken. Und dann gab es da zum Glück auch noch Sandra und Annabell, ihre beiden besten Freundinnen. Wenn ich euch nicht hätte… Oft hatte Caro diesen Satz schon gedacht, aber immer wieder auch laut ausgesprochen. Sandra, Annabell und sie kannten sich schon aus der Schule und hatten bereits dort eine eingeschworene Dreiertruppe gebildet. Und das war immer noch so. Natürlich sahen sie sich nicht so oft wie früher, da jede nun auch ihr eigenes Leben hatte. Annabell war Model und reiste viel in der Weltgeschichte umher. Caro wusste, dass das nicht ihr Traumjob war, aber als sie kurz vor ihrem Schulabschluss von einem Modelscout auf der Straße angesprochen worden war, hatte sie nicht ablehnen können. Die Chance, schnell viel Geld zu verdienen, war zu verführerisch gewesen, besonders, da Annabell noch keine Idee gehabt hatte, wie es nach der Schule weitergehen sollte. Mittlerweile, nach einigen Jahren im Modelbusiness, nahm Annabell an, auch gar nichts anderes zu können als das Modeln – ein Fehler, wie Caroline insgeheim dachte. Und Sandra? Die war frisch verheiratet mit Jake, einem echt netten Kerl, der ihren Sohn Sam aus einer anderen Beziehung kürzlich sogar adoptiert hatte, und sie war wieder schwanger! Caro freute sich sehr für sie. Sandra hatte dieses Glück mehr als verdient. Nach ihrer ersten Beziehung, die echt mies auseinandergegangen war, hatte sie den Männern abgeschworen gehabt – bis Jake in ihr Leben getreten war. Doch der so sympathische Polizist hatte es zunächst auch nicht leicht gehabt. Doch endlich, nach langem Hin und Her, waren sie ein Paar geworden – noch dazu ein echtes Traumpaar, wie Caro fand. Sie selbst hatte keinen Freund. Um genau zu sein, sie hatte noch nie einen gehabt. Gut, in der Schule, im Teenageralter, war sie mit dem ein oder anderen „gegangen“, wie man so schön sagte, aber mehr als Küssen war nie passiert. Dann, als sie fünfzehn war, hatte sie sich zum ersten Mal so richtig verliebt – in einen Jungen, der sie noch nicht einmal auch nur ansah. Er war neu in ihre Klasse gekommen und als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, hatte der Blitz eingeschlagen. „Zoom“, nannte sie selbst es. Sie hatte ihn angestarrt, und die kleinen, zarten Härchen in ihrem Nacken hatten gekribbelt, so, wie bei einem echten Stromschlag. Das ist er, hatte sie gedacht, als sie wieder ein wenig denken konnte. Der Junge, der von der Lehrerin vorgestellt worden war, hatte sich längst auf einen freien Platz gesetzt und der Unterricht war weitergegangen. Caroline, die Musterschülerin, war noch nie so schlecht in der Schule gewesen wie in den folgenden Wochen. Oft in Gedanken versunken, bemerkte sie zum Teil nicht einmal, wenn sie aufgerufen wurde. Die Lehrer machten sich Sorgen, sprachen mit Carolines Eltern, doch keiner konnte sich einen Reim auf ihre Veränderung machen. Natürlich nicht. Denn niemand wusste davon – damals nicht einmal Bella und Sandra. Und so schmachtete Caro ihn aus der Ferne an, sprach kein einziges Wort mit ihm, sondern machte ihn zu ihrem Traumprinzen ihrer immer häufigeren Tagträume – und auch nachts irrte er immer wieder durch ihre Träume. Doch der Junge schien sich in ihrer Klasse nie so richtig einzugewöhnen. Sicher, er hing mit den anderen Jungs herum, aber er wirkte stets in sich gekehrt und irgendwie traurig. Da sie nie mit ihm geredet hatte, wusste sie nicht, warum das so war. Und sie erhielt auch keine Gelegenheit dazu. Eines Tages, nachdem er etwa ein halbes Jahr in ihrer Klasse gewesen war, war er weg. Von einem auf den anderen Tag. Die Lehrerin hatte den anderen Schülern mitgeteilt, er habe eine Art von Sportstipendium erhalten und sei nun auf einer entsprechenden Schule. Gut – sportlich war er wohl. Im Vergleich zu den anderen Jungs in der Klasse war er deutlich muskulöser, und im Sportunterricht war er ein Ass. Und so verschwand er aus ihrem Leben, aber niemals ganz aus ihren Gedanken. Denn es hatte bisher nie wieder Zoom gemacht. Und so war sie nach wie vor Single, und noch dazu Jungfrau… und dabei hätte sie eigentlich gerne einen Freund. Bei Sandras Hochzeit hatte sie sogar den Brautstrauß gefangen… doch dass sie heiraten würde, war so utopisch, dass sie selbst bei dem Gedanken ungläubig grinsen musste. Traummänner gab es ja schließlich nicht wie Sand am Meer, oder? Und tatsächlich schien sie wohl auch noch besonders anspruchsvoll zu sein. Keiner ihrer männlichen Kommilitonen gefiel ihr, zumindest nicht auf diese Art, bemerkte sie nun erneut, als sie sich umsah, das halbgegessene Brötchen in der Hand. Viele waren nett, ja, und einige waren klug, aber keiner rief bei ihr ein Kribbeln im Bauch hervor. Nicht mal ein Mini-Kribbeln, geschweige denn so ein Zoom… Und so versuchte sie sich damit abzufinden, wohl Single zu bleiben. Jetzt kam erstmal das Studium. Und Martha. Entschlossen vertilgte sie den Rest des Brötchens, spülte mit lauwarmem Kaffee nach und machte sich auf den Weg, um noch schnell den geplanten Abstecher in die Universitätsbibliothek zu machen.