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In den Augen der Freimaurerei ist das Böse für die Menschheit nötig und nützlich

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Für die Initiationsgemeinschaft sind Gut und Böse zwei Kräfte, die zwar gegensätzlich, zugleich aber durch ihre Natur und ihren kosmischen Ursprung miteinander verbunden sind. Das macht sie zur Grundlage der letzten Wirklichkeit. Folgerichtig wird das Böse, wie ich zu meinem Entsetzen erfahren musste, in der Freimaurerei sogar ganz unzweideutig verherrlicht: »Das Böse ist der Schatten des Guten, es ist untrennbar mit ihm verbunden. […] Somit braucht die Menschheit das Böse (sic) […] wie das Meerwasser das Salz. Auch dort kann die Harmonie nur aus dem Gleichgewicht der Gegensätze entstehen.«46 In den Augen der Freimaurerei bildet das Böse also ein notwendiges Gegengewicht zum Guten.

Christus dagegen nennt uns das »Salz der Erde«, wenn wir nicht den Weg der Dualität von Gut und Böse, sondern den Weg der Seligpreisungen einschlagen, die Ausdruck des alleinigen Guten und der einzige Weg des göttlichen Wortes sind: »Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen?»(Mt 5,13).

Derjenige Zweig der Freimaurerei, der sich selbst als deistisch bezeichnet und sich auf den »Großen Baumeister aller Welten« bezieht, hat sich die häretische Vorstellung zu eigen gemacht, wonach Gott Gut und Böse in sich vereint. Das erinnert an das Gedankengut der Manichäer und der Gnostiker, die der heilige Irenäus im 2. Jahrhundert bekämpft hat. Und diejenigen Freimaurer, die sich als Materialisten oder Agnostiker bezeichnen, stützen sich auf den Dualismus der menschlichen Triebe, der kosmischen Kräfte oder Polaritäten, insofern sie die höheren Mächte sind, denen die Menschen ohne ihr Wissen unterworfen sind.

Die Wahrheit ist, dass die Freimaurerei keinerlei theologische Antwort auf die Frage nach dem Bösen liefert, sondern es mit dem Guten verschmilzt!

Für die Kirche hat Christus das Böse durch seinen Tod am Kreuz besiegt. »Das Übernatürliche, dieser schöne Ausblick, in den Christus uns hineinnimmt, ist die erste christliche Antwort auf das Problem des Bösen in all seinen Dimensionen. Aus Gnade hat jeder Mensch, was immer ihm auch widerfahren ist, eine zweite Chance und ein zweites Leben.«47

Die Gnade Gottes hilft uns also, das Böse, wenn schon nicht zu besiegen, so doch zumindest zu ertragen, ohne es jedoch jemals als eine von Gott gewollte Notwendigkeit zu betrachten.

Auch mir hat Gott eine zweite Chance gewährt: Obwohl ich mich auf den verschlungenen Pfaden der Freimaurerei verirrt hatte, hat er, als die Not am größten war, meine Schritte gelenkt und mich zuerst zu Maria in Lourdes und dann einige Wochen später in ein Marienkloster geführt! An diesem in Ruhe, Gebet und wahrhafte Schönheit getauchten Ort fand ich die Antwort auf die Frage, die jeden Menschen bedrängt, die Frage nach dem Bösen …

Gott ist nicht der Ursprung des Bösen: »Gott […] verabscheut das Böse, das er nicht geschaffen hat. Der Verwirrer […] ist jener Engel, der heute bis ins Mark verdorben ist, Satan genannt, schön wie ein Abgott und stolz, wie ein Engel nur sein kann, wenn ihm nichts Einhalt gebietet. […] Er lehnte sich auf […] ging sogar so weit, sich Gott, unserem Vater, gewaltsam zu widersetzen, und das ist der Punkt, an dem man die historische Entstehung des Bösen festmachen muss. Der Engel wurde zum Monster und hat seither nur noch den Wunsch, das Liebeswerk des ewigen Vaters zu zerstören.«48 Ganz wie ein Vater, der seine Kinder liebt, hat Gott uns das Geschenk der Freiheit gemacht, die er zuvor auch seinen Engeln gewährt hatte.

Und dieser gefallene Engel, Luzifer – denn man muss ihn beim Namen nennen –, hat bei seinem Fall den Mann und die Frau mitgerissen: »Gott ist nicht der Urheber des Leidens. Er ist der Urheber unserer Freiheit. Der Mensch ist, wenn er falschen Gebrauch von seiner Freiheit macht, selbst für das Böse verantwortlich […]. Der christliche Gott ist ein Gott der Liebe.«49 Nun, da mir diese absolute Wahrheit vor Augen stand, begriff ich, dass ich in all den Jahren meiner intellektuellen Spekulationen und durch alles, was ich über das Musivische Pflaster geschrieben, gehört und meditiert hatte, nicht nur im Hinblick auf die Frage nach Gut und Böse in eine spirituelle Sackgasse geraten war, sondern dass dies mich zu einer monströsen, verkehrten, teuflischen Vorstellung vom Wesen Gottes geführt hatte.

Indem ich mich von den freimaurerischen Lehren entfernte und zum Glauben zurückfand, begriff ich endlich, dass Gott und Satan keineswegs Verbündete sind: Ersterer duldet das Tun des Letzteren nur, weil er den Menschen, sein Geschöpf, unendlich liebt und geduldig und gütig darauf wartet, dass dieser sich aus freiem Willen für den Glauben und das Gute entscheidet.

Und es wurde mir bewusst, dass Gott und Satan nicht gleich stark und nicht gleich mächtig sind, auch wenn Letzterer einen gnadenlosen Kampf gegen das Geschöpf und die Schöpfung des Ersteren führt.

Endlich begriff ich in meinem tiefsten Herzen, dass Gott die Liebe ist und in alle Ewigkeit nie etwas anderes sein wird.

Ich fand die einzige Antwort, die vor dem Geheimnis des Bösen Bestand hat: Sie ist nicht im Okkulten zu finden. Das Okkulte ist nur ein weiterer Ausdruck des Bösen, nur eine weitere Verführung. Gott liebt mich unendlich. Gerade weil ich gefallen bin, gerade weil ich mich als schwach und armselig bekannt habe. Und durch das Blut, das Christus vergossen hat, um uns zu retten, hat diese Liebe auch mich von der Sünde befreit: »Das Leiden Christi offenbart uns einen Gott, der uns über alle Maßen liebt. Gottes ewiger Ratschluss wollte unsere grundlegende Frage nach dem Bösen mit einem weiteren, noch unerhörteren Geheimnis beantworten: dem Mysterium des gekreuzigten Jesus, ›für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit‹ (1 Kor 1,23).«50

Mehr als zwanzig Jahre lang hatte ich mit dem Versuch vergeudet, das Problem von Gut und Böse durch die Analyse der freimaurerischen Symbolik des Musivischen Pflasters und unter dem irrigen Blickwinkel der Gleichpotenzialität zu verstehen. Wie ein Boxer im Ring, der nach zwei Treffern seines Gegners von einer Ecke in die andere taumelt, war ich zwischen den beiden Polen der Dualität umhergeirrt.

In Wirklichkeit zielt die Autonomie, die die freimaurerische Lehre anstrebt, darauf ab, jede geoffenbarte Wahrheit infrage zu stellen, denn in den Augen der Freimaurerei lässt sich die Wahrheit nur durch den Ausdruck einer initiatischen Vielfalt konstruieren.

Der gedankliche Rahmen, auf den sich die Freimaurer beziehen, macht deutlich, worauf sich der Ehrgeiz der Logen richtet: Sie wollen »freie« Menschen »erschaffen«.

Mein Weg als Freimaurer

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