Читать книгу Süße Prophezeiung/Zeiten der Leidenschaft - Shana Abe - Страница 12

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Sie hatte sich geweigert, sich vor den Frauen auszuziehen, die ihr aufwarten sollten. Es waren sechs. Sie hatten für sie eine Wanne mit dampfendem Wasser aufgestellt und Lavendel sowie Minzzweige hineingegeben. Die Kammerjungfern hatten um sie herumgegluckt und ihr mit freundlichen, gurrenden Worten Lorbeerbrühe gereicht.

Avalon wollte das alles nicht. Sie wollte allein sein in diesem kleinen Raum und nicht der Freundlichkeit der Frauen erliegen; denn sie waren immer noch ihre Feinde, egal wie viel Lavendel sie ihr auch anboten.

Aber trotz der Dinge, die sie letzte Nacht und diesen Morgen durchgemacht hatte, dass ihr Körper vor Erschöpfung zitterte und ihr Geist völlig leer war, mochte sie doch nicht grausam zu ihnen sein.

Sie dankte ihnen für die Brühe und das Bad. Avalon sprach mit der normalsten Stimme, die sie aufbieten konnte, als sie ihnen erklärte, sie wolle sich allein waschen. Als sie einander verwunderte Blicke zuwarfen und versuchten, ihre Worte nicht zu beachten, wiederholte sie ihren Wunsch in schärferem Ton. Sie wich vor ihnen zurück, bis ihnen nichts anderes übrig blieb, als zu gehen.

Als sie das Zimmer verließen, nahm eine der Frauen den Tartan, den Avalon auf den Boden geworfen hatte.

»Ich werde ihn für Euch auswaschen und zum Trocknen aufhängen, Mistress«, erklärte die Person, während sie ihn über ihren Arm legte.

Na gut. Er war sowieso zu nass zum Verbrennen gewesen.

Das schwarze Kleid lag eng an. Es dauerte eine Weile, und mehrmals musste sie sich kurz hinsetzen, damit sie wieder einen klaren Kopf bekam, ehe sie es sich ganz ausgezogen hatte. Von der Anstrengung hatte ihre Schulter angefangen zu pochen. Doch erst jetzt bemerkte sie den weit schlimmeren Zustand ihrer Rippen. Deshalb war sie froh, dass die Frauen gegangen waren.

Ein Blick auf die in allen Farben schimmernde Prellung, und sie wären schreiend zum Laird laufen. Dessen war Avalon sich sicher. Sie wollte nicht, dass der Laird davon erfuhr. Der Himmel allein ahnte, was er dann aufstellen würde, und sie besaß immer noch einen Rest von Stolz.

Langsam ließ sie sich in die kurze Wanne sinken, während die Hitze des Wassers allmählich in ihre Haut drang. Als sie saß, waren ihre Knie in gleicher Höhe wie ihr Kinn und das Wasser stand ihr bis zum Hals. Duftende Dämpfe stiegen auf und kitzelten ihre Nase. Sie bewirkten, dass sich die Leere in ihrem Geist noch weiter ausbreitete. Langsam schlossen sich Avalons Augen. Ihr Kopf lehnte am Rand der Zinkwanne. Alle Empfindungen lösten sich auf.

Als sie erwachte, war das Wasser merklich kühler. Deshalb nahm sie das parfümierte Seifenstück vom Wannenrand und begann, sich abzuschrubben. Sie fing mit ihrem Haar an und arbeitete sich nach unten, bis der ganze Dreck abgewaschen war. Sie stand auf, nahm die Kanne mit sauberem Wasser zur Hand und goss es sich über den Kopf.

Auf dem Bett lag ein wollenes weißes Nachthemd. Es war dick und warm, ein kleiner bestickter Kragen säumte den Hals. Sie hatte es sich gerade übergezogen, als die Frauen mit strahlenden Gesichtern und einem Becher zurückkehrten, der ein heißes köstliches Getränk für sie enthielt.

Avalon nahm den Becher entgegen, und erst als sie das gebutterte Ale ausgetrunken hatte, erzählten sie ihr, dass er vom Mauren käme, der ihr einen angenehmen Schlaf wünschte.

Verdammt! Die Konturen des Raumes begannen vor ihren Augen zu verschwimmen. Die Kammerjungfern führten sie zu ihrer Lagerstatt und betteten sie so vorsichtig, wie sie konnten. Sie berührten sie nur zweimal an der Seite. Aber der Schmerz schien nun ganz fern. Balthazars Trank hatte ihn gemildert.

Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich der Wirkung zu ergeben. Als die Sonne hinter den Wolken hervorbrach und den Raum mit ihrem hellen Licht erfüllte, gab Avalon ihrem Bedürfnis zu schlafen nach und stieß nur einen leisen Seufzer am Ende ihrer langen Reise aus.

Als Avalon die Augen wieder öffnete, erstrahlte ihr Zimmer genau im gleichen Licht, und einen Augenblick lang war sie verwirrt. Sie wusste, wo sie sich befand, sie erinnerte sich an alle Einzelheiten der vergangenen Tage. Aber hatte sie überhaupt geschlafen? Hatte der Zauberer ihr nicht irgendeinen Trank verabreicht?

Sie setzte sich auf und streckte ihre unverletzte Seite, wobei sie Acht gab, ihre schmerzende Schulter nicht zu bewegen.

»Wie fühlt Ihr Euch?«

Die tiefe Stimme kam aus der Ecke des Raumes, von einer Stelle, bis zu der die Sonne noch nicht vorgedrungen war. Marcus trat nach vorn ins Licht.

Jetzt trug er einen gepflegten sauberen Tartan und darunter eine schwarze Tunika. Sein dunkles Haar war ordentlich zurückgebunden. Das gewaltige Schwert, das an seiner Seite hing, fing einen Sonnenstrahl auf, der wie ein leuchtender Blitz die ganze Länge der Scheide nach unten raste und sie einen Moment lang blendete.

Sie rieb sich die Augen angesichts des metallischen Glanzes und wandte den Kopf ab.

Marcus schaute auf sie hinab und blickte auf etwas in seiner Hand, was sie nicht sehen konnte. Mit gerunzelter Stirn schaute er es nachdenklich an und dann wieder zu ihr. Da wusste sie, worum es sich handelte.

Die Tatsache, dass es ein Miniaturbildnis der wohlgestalteten Gemahlin des vor hundert Jahren lebenden Lairds gab und dass sie Avalon in einem geradezu unheimlichen Maße ähnelte, hatte nicht gerade dazu beigetragen, den Glauben an die Legende zu schwächen. Es hieß, die Gattin sei eine Tochter aus vornehmem Hause gewesen, und wie sich Avalon erinnerte, sah sie auf dem Gemälde auch danach aus: ihr Gewand war reich bestickt, und sie trug eine Kette aus gehämmertem Gold.

»Beeindruckend«, meinte Marcus und richtete seine eisigblauen Augen wieder auf sie.

»Zufall«, winkte sie ab.

Wortlos reichte Marcus ihr das gerahmte Oval, damit sie sich selbst überzeugen konnte. Widerstrebend nahm sie es entgegen. Sie wollte ihm nicht die Befriedigung geben, seine Meinung zu teilen. Aber sie wusste, dass die Frau auf dem Bild ihr tatsächlich ähnelte. Sogar damals, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, sah man bereits eine bemerkenswerte Ähnlichkeit. Avalon hatte es nicht vergessen.

Wenn man ihr damals nicht die Miniatur gezeigt hätte, würde sie jetzt annehmen, dass das Bild ein Trick sei, um sie von der Kincardine-Legende zu überzeugen. Die Gemahlin des Lairds besaß Avalons Antlitz. Das waren ihre Augen von dieser ungewöhnlichen Farbe, ihre silberblonden Haare – auf dem Bild hingen sie offen herab und wurden nur von einem zierlichen Goldreif über der Stirn gehalten – und ihre schwarzen Wimpern. Selbst ihre eigenen bogenförmig geschwungenen Lippen konnte man erkennen.

Und doch war es das Antlitz ihrer Urahnin; sie wusste nicht, wie viele Generationen sie von ihr trennten.

Eine Seuche ein paar Jahre nach dem Tod ihrer Vorfahrin, so hatte man zumindest Avalon erzählt, hatte dem Fluch Unvergänglichkeit beschieden. Dieser Seuche fielen nur die Kinder zum Opfer, die verzweifelten Eltern blieben allein zurück. Viele verließen die Gegend und brachten die wenigen überlebenden Kinder in sicherere Gefilde, um auf diese Weise die Zukunft des Clans zu gewährleisten. Die meisten kamen schließlich wieder, nachdem man davon ausging, dass die Bedrohung vorüber war. Doch einige kehrten nie zurück und ließen sich an anderen Orten nieder. Die Linie dieser Leute führte schließlich zu Avalons Mutter und zu Avalon selbst.

Marcus las ihre Gedanken oder schien sie zumindest zu erraten. »Letztendlich seid Ihr eine Tochter des Clans. Ich glaube, dass – ich muss kurz nachdenken – unsere Urururgroßmütter Schwestern waren. Das würde bedeuten, dass wir ...«

»Cousin und Cousine sind«, führte sie seinen Satz ohne Umschweife zu Ende. »Für meinen Geschmack habe ich zu viele Cousins.«

Sie stand auf und gab ihm das Porträt zurück. Er bedachte sie mit einem kalten Lächeln.

»Ich glaube, das ist Schicksal«, meinte er. »Aber Ihr habt mir noch nicht geantwortet. Wie fühlt Ihr Euch?«

Auf nackten Sohlen entfernte sie sich über den Steinfußboden von ihm. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass sie nur ein Nachthemd anhatte; doch es kümmerte sie nicht besonders. In die Wand war ein schmales Fenster eingelassen, an das sie trat und in einen wolkenlosen Tag hinausblickte.

»Am liebsten möchte ich tausend Jahre schlafen«, teilte sie dem Himmel mit.

»Meiner Ansicht nach müssen zwei Tage reichen«, sagte Marcus hinter ihr.

»Zwei Tage?«

»Ja. Ihr habt Euch nicht gerührt. Wir haben Euch schlafen lassen. Zweifellos brauchtet Ihr die Ruhe.«

Ein Habicht kreiste am Himmel und verschwand dann aus dem Gesichtsfeld des Fensters.

»Ich habe Euch das Leben gerettet«, sagte Avalon, während sie weiterhin aus dem Fenster schaute. »Die Ehre gebietet, dass Ihr mir eine Gunst gewährt.«

»Was für eine Gunst?«, fragte er.

»Lasst mich frei, Mylord!«

Seine Stimme klang sachlich. »Die Gunst, die Ihr fordert, übersteigt meine Möglichkeiten, Mylady.«

»Ich habe Euch das Leben gerettet!« Ihre Hände klammerten sich an den Fensterrahmen. Der Himmel glich einem saphirblauen Gewölbe. Er schien sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken, aber doch gerade außerhalb ihrer Reichweite zu liegen.

»Trotzdem werde ich Euch nicht freilassen. So läuft das halt im Krieg.«

Avalon lockerte ihren Griff. »Ich verstehe«, murmelte sie schließlich. »Na gut, ich besitze drei Landgüter und den größten Teil der Einnahmen von Trayleigh. Ich besitze Ländereien, die fast bis an Eure grenzen.«

Sie merkte, dass er sich in Bewegung setzte und sich ihr näherte. Doch er machte keinen Versuch, sie zu berühren.

»Es ist genug da, um Eure Gelüste zu befriedigen, denke ich. Ländereien und Vermögen. Ich überlasse Euch alles. Persönlich werde ich den König bitten, Euch alles zu geben, und werde jedes Dokument unterzeichnen, das Ihr mir vorlegt. Tut so, als sei es ein Lösegeld – wenn Ihr wollt.« Sie drehte sich zu ihm um, und die Sonne strahlte sie von hinten an. »Aber lasst mich gehen!«

Er stand dichter, als sie gedacht hatte. Nicht einmal eine Armeslänge war er von ihr entfernt. Sie konnte seine Gedanken nicht lesen. Da bestand eine Barriere, und in seinem Blick lag nur kühle Bedächtigkeit.

»Nicht genug«, befand er.

»Getreide, Vieh, Pachteinnahmen. Schöne Landsitze. Alles gehört Euch, Euren Leuten!«

»Nicht genug.«

»Das ist alles, was ich habe«, hauchte sie.

»Nein.«

Jetzt streckte er die Hand aus, um sie zu berühren. Marcus griff nur nach einer Strähne ihres Haars und hielt sie ins Sonnenlicht, während sich die Flechten um seine Finger ringelten. Er musterte den Glanz, der durch den Widerschein entstand, als verdiene er seine ungeteilte Aufmerksamkeit.

»Das ist nicht alles, was Ihr habt«, sagte er mit schleppender Stimme, während er aufschaute und ihren Blick einfing.

Von einem Moment auf den anderen meinte sie wieder zu ertrinken und seine Lippen lagen zärtlich und heiß auf ihren, während seine Hände ihren Rücken mit federleichten Berührungen rieben. Er zog sie an sich, und sie hieß ihn, alles von ihm, willkommen.

Das Nachthemd verbarg fast nichts vor ihm. Sie spürte die Falten seines Tartans, die Tunika und darunter die harten Ebenen seines Körpers. Seine Hitze steckte sie an, bis ihr ganzes Sein vom Nektar seiner Küsse erfüllt war, während ihrer beider Atem sich vermischte. Sie war wieder zum Leben erwacht, eine neue Avalon, und er war dafür verantwortlich, dieser Mann, ihr Feind ...

Marcus berührte sie äußerst behutsam. Keinen Moment vergaß er ihre verletzte Schulter. Langsam glitt seine Hand über ihren Rücken nach unten, zart umfasste er ihr Gesäß und hob sie leicht an, damit sich ihr intimster Bereich gegen ihn presste und sie spürte, wie bereit er für sie war.

»Das ist es, was ich will«, raunte er gegen ihre Lippen. »Dies!« Er strich ihr Haar beiseite und näherte seine Lippen der empfindlichen Stelle unter ihrem Ohr. »Spürt Ihr es nicht?«

Sie konnte weder Ja noch Nein oder sonst irgendetwas sagen. Er hatte ihren Körper in geschmolzenes Glas verwandelt. Sie zerfloss in seinen Armen, strömte über seine Brust und seine Schenkel und die köstliche Härte zwischen ihnen. Nein, sie wollte auch mehr von ihm. Sie musste dieses Sehnen, das so neu war und sie gänzlich beherrschte, befriedigen.

All ihr Widerstand brach zusammen. Das Einzige, was zählte, war, dass er sie weiterhin berührte.

»Ihr wollt es doch, nicht wahr?« Er legte eine Hand auf ihre Brust. Kein anderer Mann vor ihm hatte so etwas je getan, und sie liebte das Gefühl, drängte sich gegen ihn.

»Nicht wahr!« Es war keine Frage, die Antwort stand bereits fest. Seine Finger fanden ihre Brustwarze und strichen mit kreisförmigen Bewegungen über das Gewand.

Sie konnte das Stöhnen, das in ihrer Kehle aufstieg, nicht unterdrücken. Von dem Punkt aus, an dem er sie berührte, schoss Verlangen wie ein weiterer Blitz durch ihren ganzen Körper.

Er küsste sie wieder, dieses Mal fester und eine andere Absicht lag jetzt dahinter. Seine Hände glitten nach unten und plötzlich schwang er sie hoch in seine Arme.

Der leise Schrei, der sich ihr entrang, rührte nicht von ihrem Verlangen her und ließ sich nicht aufhalten. Unter all ihren Abschürfungen waren ihre Rippen auch noch gebrochen.

Marcus vernahm den Unterschied, und unsicher hielt er inne.

»Was ist los?« Mit gerunzelter Stirn blickte er auf sie hinab.

»Lasst mich hinunter«, gelang es ihr, zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorzustoßen.

Wieder sehr vorsichtig ließ er sie langsam auf den Boden gleiten. »Das war nicht Eure Schulter. Ihr seid verletzt, oder?«

»Nein«, log sie, während sie recht erfolglos versuchte, aufrecht zu stehen. Er warf ihr einen scharfen Blick zu und unfehlbar fanden seine Augen die Stelle, auf die sie unwillkürlich ihre Hand gelegt hatte.

»Darf ich Euch untersuchen?«, bat er und streckte die Hände nach ihr aus.

»Nein!« Avalon wich schnell zurück.

Alle Spuren von Weichheit waren aus seiner Miene verschwunden. Jetzt trat wieder ganz der Laird auf sie zu, und der frostige Hauch des Winters umgab ihn.

»Ihr habt die Wahl«, erklärte er. »Zieht das Gewand aus und zeigt mir, wo es wehtut, oder ich übernehme das.«

Avalon wusste, dass sie bei dieser Auseinandersetzung nicht gewinnen konnte. »Dreht Euch um«, stieß sie hervor.

Er tat es und faltete die Arme vor seiner Brust, während er wartete. Zumindest konnte sie nur die eine Seite nicht bewegen, dachte Avalon bei sich, während sie das Nachthemd mit ihrer gesunden Hand auszog. Sie nahm eine Decke vom Bett und schlang diese um ihren Körper, sodass nur ihre Rippen zu sehen waren, und setzte sich hin.

»Fertig«, meldete sie mürrisch.

Marcus kniete sich vor sie und untersuchte die schwere Prellung. Sein Gesichtsausdruck gab keine Regung preis. Die Verletzung sah übel aus, das wusste sie. Während die Zeit verrann, röteten sich ihre Wangen.

»Es sieht schlimmer aus, als es ist«, meinte sie.

Ohne zu antworten sank er auf die Fersen zurück.

Alarmiert ließ die Chimäre eine Warnung ertönen.

»Ich kann nicht glauben, dass Ihr tatsächlich den Rest des Wegs bis Sauveur in diesem Zustand geritten seid«, knurrte er schließlich. In seiner Stimme lag ein eisiger Unterton, der mehr aussagte als seine zur Schau getragene Ruhe. Plötzlich erbebte in ihr eine Saite von Angst, die sie überraschte.

Sie starrte ihn an und wurde sich schaudernd der Tatsache bewusst, dass sie fast nackt mit einem Mann zusammen war, der sie geraubt hatte; jetzt wollte er sie gerade verführen – und war außer sich vor Wut. Herr im Himmel, was hatte sie sich bloß gedacht?

»Es tut nicht weh«, wisperte sie.

»Nein?« Er streckte die Hand aus, um die Prellung abzutasten, und ohne es zu wollen, zuckte sie zurück. Seine Hand hielt mitten in der Bewegung inne, ohne sie zu berühren. Seine Stimme klang nach wie vor eisig. »Es tut nicht weh? Ihr lügt, Avalon. Das werde ich nicht dulden.«

Das werde ich nicht dulden.

Hanochs Worte, unzählige Male hatte er sie zurechtgewiesen. Sei nicht respektlos, beschwer dich nicht, verkriech dich nicht, flenne nicht, schnief nicht rum. Das werde ich nicht dulden.

»Ach ja«, schnarrte sie und kam trotz der Schmerzen strampelnd auf die Beine. »Ihr habt kein Recht, mir Vorschriften zu machen! Es ist mir egal, wer Ihr seid! Ihr besitzt mich nicht!«

Marcus unternahm keine Anstalten, nach ihr zu greifen. Keuchend balancierte sie auf dem zerwühlten Bett und klammerte sich an die Decke. Ihr Haar hatte sich gelöst und hüllte sie von allen Seiten ein. Nun stand sie auf und fasste sich mit einer Hand an die Seite, als ob sie den stechenden Schmerz zurückhalten müsse.

»Nein, ich besitze Euch nicht«, stimmte er ihr zu. Sein Blick ruhte auf ihrer Hand und wanderte dann zu ihrem Antlitz. »Noch nicht, Avalon. Aber bald ...«

Er verließ den Raum. Sie hörte, wie der Riegel vorgeschoben wurde. Genau genommen war sie eine Gefangene.

Nach fünfzehn Minuten erschienen die gleichen Frauen wie zuvor. Diesmal waren sie mit einem Haufen Bandagen und einer Salbe beladen, die sie ihr unbedingt selbst auftragen wollten. Avalon hatte nicht die Kraft, sich ihnen zu widersetzen. Zum einen war sie müde. Immer noch so müde. Und zum anderen sorgten sich die Guten tatsächlich um sie. Mit einfühlsamen Händen schoben sie sie zum Bett und überredeten sie, sich hinzusetzen, gerieten über ihre Prellungen in Aufruhr und massierten die zähe Salbe ein.

Auch sie stammte vom Mauren, wie man Avalon mitteilte. Sie hätte bereits großartige Dienste bei anderen Angehörigen des Clans geleistet, versicherten sie ihr. Betsy sei von einem kranken Schaf getreten worden und genau diese Salbe hätte sie innerhalb von Tagen wieder geheilt! Ronald hätte sich bei einem Sturz im Tal den halben Schädel aufgeschlagen, und jetzt ginge es ihm besser denn je!

Und vergesst die Stute nicht, fügte eine der Frauen fröhlich hinzu. Die alte Mähre hätte tagelang unter Koliken gelitten, und nachdem der Maure die Salbe auf ihren Bauch gestrichen hatte, wäre sie wieder auf die Weide getrabt.

»Ah ja, also die Stute«, sagte Avalon und tat alles, um bei ihren Berührungen stillzuhalten. »Ich bin sicher, dass es eine ganz wunderbare Salbe ist.«

»Ja«, riefen die Frauen im Chor, froh, dass sie verstanden hatte.

Durch die Bandagen würde das schwarze Kleid zu eng sitzen, und die Hälfte der Jungfern rannte davon, um nach etwas Passenderem für die Braut zu suchen. Die übrigen drei packten ihren Tiegel mit Salbe und den Rest des Verbandsmaterials zusammen.

Marcus hatte die Miniatur der Gemahlin des Lairds zurückgelassen – wahrscheinlich in seiner Wut vergessen, nahm Avalon an und unterdrückte ihren Kummer. Sie legte die Miniatur auf ihre Handfläche und betrachtete das gemalte Antlitz, das ihr eigenes war.

Eine der Frauen wurde aufmerksam, trat an ihre Seite und zog den unvermeidlichen Vergleich.

»Ein Wunder«, hauchte sie, während sie das Porträt der Lady betrachtete.

Feierlich traten die beiden anderen näher.

»Unser Wunder«, sprach die Zweite.

»Unsere Braut«, schloss die Dritte.

»Bitte«, hub Avalon an. Zweifellos erwarteten sie nun von ihr besondere Perlen der Weisheit. Sie holte tief Luft, um ihnen ihre Fantasievorstellungen auszutreiben, aber nicht ihre zarten Hoffnungen zu zerstören.

»Sie war nur eine Vorfahrin von mir«, erklärte sie schließlich. Es stellte einen jämmerlichen Versuch dar, den Kämpfen, die in ihr tobten, nachzugeben.

Die Frau mit dem Verbandsmaterial nahm die Miniatur an sich, wobei sie sie wie einen kostbaren Schatz behandelte. »Das wissen wir, Mädchen. Das wissen wir!«

Er schuldete ihr eine Gunst. Marcus sah das ein, und es schmerzte ihn auf eine gewisse Weise, dass er ihr nicht das geben konnte, was sie wollte.

Sein Gedächtnis war leer hinsichtlich der Geschehnisse, nachdem der Blitz die Eiche gespalten hatte. Sekunden vor dem Einschlag hatte ihn ein Schwall brausender Luft getroffen, der seine Lungen verbrannte und die Haare auf seinen Armen steil nach oben stehen ließ. Aber hier endete die Erinnerung. Danach fand er sich unter der Kiefer wieder, und Bal hatte seinen Kopf untersucht.

Hew füllte die Lücken. Er erzählte ihm, wie er unter dem rasenden Tier gelegen und die Braut es gezähmt hätte. Sie sei geradewegs darauf zugerannt, um es zu beruhigen. Hew schaute zu Bal, damit dieser die Darstellung bestätigte, und Bal hatte es getan, während er seine Hände säuberte.

»Wir versuchten, sie aufzuhalten«, fügte Hew noch hinzu. Seine Augen leuchteten vor Bewunderung. »Aber sie ließ sich nicht aufhalten. Sie wehrte Tarroth so leicht ab, als wie man ein Kind abschüttelt.«

»Ah«, ergänzte Nathan, der neben ihm stand. »Es war ein großartiger Anblick.«

Marcus wünschte, er wäre bei Bewusstsein gewesen, um es mit eigenen Augen zu sehen, wie die Kriegsmaid seinen stärksten Mann fällte. Und das mit nicht weniger als einer ausgerenkten Schulter und gebrochenen Rippen!

Anschließend hatte sie noch ohne Murren drei Stunden in diesem Zustand vor ihm auf dem Pferd gesessen, hatte ihm ihre Schmerzen verheimlicht und ihre Gedanken abgeschottet.

Seufzend rieb Marcus sich das Kinn. Vom Turm, dem höchsten Punkt seiner Burg aus, ließ er den Blick über den grünen und goldenen Horizont schweifen. Scharlachrote Flecken schmückten bereits etliche der Bäume.

Es hatte ihn krank gemacht, ihr die Schulter wieder einzurenken. Eine Welle der Übelkeit war förmlich über ihn hinweggespült. Er wusste, dass er es tun musste, dass es keine andere Möglichkeit gab. Aber der Anblick ihres Gesichts, so blass und beherrscht dort unter der Kiefer und dann der schmale Faden Blut, der an der Seite ihres Mundes herabrann, wo sie sich in die Lippe gebissen hatte, weil sie nicht schreien wollte ... Natürlich hatte Hanoch sie darin unterwiesen, nie zu schreien ...

In diesem Moment vor ein paar Tagen hasste Marcus sich. Er hatte es gehasst, ihr Schmerzen zuzufügen, und zwar um sich selbst und seine Leute zu retten. Als es vorbei war, musste er von ihr fort, bevor er sich blamierte, auf die Knie fiel und um ihre Vergebung bettelte.

Da war diese Feigheit in ihm. Wie es jenen Mönchen und Priestern in Damaskus gefallen hätte, das herauszufinden. Denn das war es gewesen, wonach sie die ganze Zeit gesucht hatten. Gottlob hatte er Avalon damals noch nicht gekannt. Er wäre daran zerbrochen.

»Sie wird sich wieder erholen«, sagte Balthazar, der sich ihm von hinten näherte, während der Wind seine Gewänder wie bunte Fahnen flattern ließ. Es hatte ihn wenig erschüttert, als Marcus ihm von Avalons Rippen berichtete. Bal hatte die Salbe hergestellt und verkündet, dass es keinen Grund gäbe, sich aufzuregen – gebrochene Rippen würden leicht heilen. Marcus wusste das. Er hatte sich in den letzten siebzehn Jahren die Rippen ein halbes Dutzend Mal gebrochen, aber wie schlimm es dagegen bei Avalon ausgesehen hatte!

»Ihr Stolz gibt ihr viel Kraft«, fuhr Bal fort. Er stand jetzt neben ihm auf dem Turm und gestattete sich ein leises Lächeln.

Marcus stieß ein kurzes Lachen aus. »Sie ist sich selbst ihr schlimmster Feind. In der Tat hätte sie innerlich verbluten können.«

»Das stimmt«, gab Bal zu. »Doch auch wenn man es vorher gewusst hätte, hätte es doch nichts am Ausgang geändert. Hätte sie innere Blutungen gehabt, wäre sie ohnehin gestorben.« Er stieß einen Pfiff aus. Es war die perfekte Nachahmung eines Lerchenrufes, dann nickte er. »Sie gleicht keiner anderen Frau.«

»Und wird mich noch umbringen«, prophezeite Marcus düster.

Balthazar lachte von Herzen. Es war eines der wenigen Male, die Marcus je erlebt hatte. »O nein, Kincardine, falsch! Sie wird dich nicht umbringen – nur mäßigen. Ja, genau wie es ein starkes Feuer mit Eisen macht.« Er zuckte die Schultern. »Das ist etwas Gutes.«

»Nicht für denjenigen im Feuer«, brummelte Marcus.

Bal klopfte ihm auf die Schultern. »Du wirst es überleben.«

Eine Schafherde zierte den Hügelhang westlich von Sauveur. Mehrere Hunde liefen in der Ferne bellend um sie herum und trieben die Herde vorwärts.

Es gab Stoppelfelder, so weit das Auge reichte. Das Getreide war bereits für den bevorstehenden Winter eingebracht. Auf einer Weide standen sogar ein paar Kühe, wertvolles Vieh, das Milch und Käse und irgendwann Rindfleisch lieferte, beim natürlichen Verenden. Sie konnten es sich nicht leisten, die Kühe zu schlachten.

Avalon hatte ihm ihren ganzen Besitz angeboten – nicht nur einmal, sondern zweimal. Sogar nur ein Bruchteil ihres Reichtums würde wie ein erfüllter Zauberwunsch sein. Der Clan könnte sich aus einer ärmlichen Existenz in einen Zustand erheben, der fast an Überfluss grenzte. Sauveur täten ein paar seit langem notwendige Reparaturen dringend Not. Man könnte die Stallungen modernisieren und vergrößern. Sie würden auf allen Märkten Tauschhandel treiben und so die zusätzlichen Webstühle kaufen, die sie brauchten, um den Wollhandel einträglich zu machen. Auch größere Rinderherden kämen in Betracht. Jeden Abend Fleisch! Sie würden alle Nachbarclans an Reichtum übertreffen.

Doch er hatte ihr erklärt, dass das nicht genug sei.

Unter der Kiefer, vom Regen durchweicht und auf den Knien, hatte sie ihm ihren Hass entgegengeschleudert.

Marcus hoffte, dass es der Schmerz gewesen war, der ihr diese Worte eingegeben hatte. Es durfte einfach nicht wahr sein. Denn das, was er für sie empfand, hatte nichts mit Hass zu tun – im Gegenteil. Es war Bewunderung. Respekt. Verlangen.

Ah, ja, Verlangen! Verlangen hatte aus ihm gesprochen, als er ihr Angebot zurückwies. Er könnte vorgeben, es seien praktische Erwägungen gewesen: nämlich, dass er nur an das Wohlergehen des Clans gedacht hätte und daran, dass sie am Verlust der Braut zerbrechen würden, nach dem Warten auf sie ein ganzes Jahrhundert lang. Aber das entsprach nicht der Wahrheit. Marcus hatte ihre Bitte abgelehnt, weil er – und nur er – nicht in der Lage war, sie gehen zu lassen. Nicht ohne sie erobert zu haben. Und er würde erst mit ihr das Lager teilen, wenn er mit ihr verheiratet war. Das gebot ihm seine Ehre.

Zur Hölle mit der Legende! Er wollte Lady Avalon, die Frau – und nicht den Mythos. Er würde sie bekommen, oder über seinen Bemühungen zu Grunde gehen.

»Ich spüre, dass sich ein Sturm zusammenbraut«, verkündete Balthazar, während er seinen Blick über die Gipfel und Täler schweifen ließ.

»Was, bist du blöd?« Das kam von Ronald, der vorbeiging und die Bemerkung aufgeschnappt hatte. »Der Himmel ist völlig klar, Mann!«

»Ich spreche von einer anderen Art von Sturm, mein Freund«, erwiderte Bal mit einem bedeutsamen Blick auf Marcus, der zustimmend nickte, bevor er auf dem Absatz kehrtmachte.

Er war wieder auf dem Weg zu dem Zimmer, das er ihr zugewiesen hatte. Den Wächter, den er zur Beobachtung der Tür abgestellt hatte, grüßte er freundlich.

»Es ist schrecklich ruhig da drin«, sagte der Wächter, auf die Tür deutend. »Vielleicht schläft sie.«

»Kann sein«, sagte Marcus und nahm den Messingschlüssel vom Bund an seiner Taille, um das Schloss zu öffnen.

Sie saß im Schneidersitz vor dem Feuer, welches eine angenehme Wärme in die steinerne Kammer sandte. Ihr Rücken war steif und gerade, die Hände ruhten auf ihren Knien. Sie starrte in die Flammen und schaute auch nicht auf, als er eintrat.

Behutsam machte Marcus die Tür zu und stand dann einfach nur still da. Er wusste nicht, warum er zurückgekommen war. Es gab andere Dinge, die er gerade jetzt zu erledigen hatte. Endlose Einzelheiten, die mit der Verwaltung der Burg und der Ländereien einhergingen. Zu lange war er fort gewesen. Er musste sich erst wieder mit der täglichen Routine vertraut machen. Und dann war da ja auch noch die Hochzeit zu planen. Es galt zu überlegen, wie schnell sie sich bewerkstelligen ließe. Wie lange es dauern würde, bis sie ihren Widerstand gegen die Verbindung nicht mehr vor allen versammelten Leuten verkündete ...

Er merkte, dass er das Heben und Senken ihrer Seiten, den Rhythmus ihrer Atmung beobachtete. Ihre Atemzüge waren langsam, fast träge. Sie war wieder mit dem Tartan bekleidet, und der verbarg viel von ihren Bewegungen. Ihr Haar fiel in einem dicken Zopf weit hinunter und ringelte sich auf dem Boden. Ein hellorangefarbener Streifen über ihrem Rücken zeigte ihm, dass sie die Schlinge trug, die Bal für ihren Arm angefertigt hatte.

»Bittet mich um eine andere Gunst, Mylady«, sprach er in die Stille des Raumes hinein.

»Eine andere Gunst?«, wiederholte sie. Ihre Stimme klang dünn und fern, als seien ihr die Worte ein Rätsel.

»Ich werde sie Euch gewähren, wenn ich kann.« Er stellte sich zu ihr vor das Feuer und stand einen Augenblick lang unbeholfen herum. Dann gab er es auf und hockte sich auf östliche Weise hin, was viel bequemer für ihn war. Sie hob die Augen und warf ihm einen violetten Blick zu. Dann senkte sie den Kopf wieder.

»Ich wüsste nicht, welche«, murmelte sie.

Er auch nicht.

»Einen Edelstein«, schlug er vor. »Eine Perle. Eine Zofe, die Ihr gern habt und die hierher kommen soll.«

Sie gab ein ersticktes Lachen von sich, als ob seine Vorschläge ihr zu viel Schmerz bereiten würden. »Ich brauche keine Edelsteine oder Perlen. Und es gibt keine Zofe, die ich besonders gern habe.«

»Wer war das Mädchen bei Euch neulich in der Schänke? Damals im Dorf? Was ist mit ihr?«

Ihre Hände lagen verschlungen in ihrem Schoß. Diesmal hob sie den Kopf und warf ihm einen vollen Blick zu. »Das Mädchen ist glücklich, wo sie ist, Mylord. Ich würde sie nicht dort wegholen.«

»Sie nannte Euch Rosalind.« Bei der Erinnerung daran lächelte Marcus. »Der Name passte nicht zu Euch.«

»Weil sie Angst hatte. Ich werfe es ihr nicht vor. In jener Nacht hat sie viel für mich riskiert.«

»Was denn?«

Avalon presste die Lippen aufeinander. Sie schien etwas sagen zu wollen, doch dann änderte sie ihre Meinung. »Sie brachte mich zu einer Frau, die sich um eine Freundin von mir gekümmert hatte.«

»Was hat sie dabei riskiert?«

»Das ist doch klar, Mylord«, sprach sie. »Schon allein nur für einen Moment aus der Burg zu verschwinden, war Risiko genug. Mein Cousin hätte einen Wutanfall bekommen, wenn er uns auf die Schliche gekommen wäre. Er hatte andere Pläne mit mir, wie Ihr sehr wohl wisst.«

»Ja, ich weiß.« Marcus betrachtete eingehend ihr Gesicht. Er musste die Frage stellen, die ihn die ganze Zeit verfolgte. »Sagt mir, Avalon: Hättet Ihr Warner d’Farouche freiwillig geheiratet?«

Wieder dieses leise Lachen! »Dazu wäre es nie gekommen, dessen versichere ich Euch.«

»Aber hättet Ihr?«

»Nein, natürlich nicht«, stieß sie verächtlich hervor, und Marcus spürte die Kraft ihrer Überzeugung. »Er ist nichts weiter als irgend so ein Dummkopf, ein Vasall seines Bruders. Vor jener Nacht war ich ihm noch nie begegnet.«

Befriedigung breitete sich in ihm aus. Er konnte nichts dagegen tun, konnte es nicht aufhalten, und er versuchte auch gar nicht zu verstehen, was das bedeutete. Sie war nicht Teil jenes Komplotts gewesen, hätte nicht Warner ihm vorgezogen.

»Ich werde niemals heiraten«, erklärte sie jetzt mit völlig normaler Stimme, als ob sie feststellte, dass ein Rad rund sei.

»Das könnte sich als schwierig erweisen«, meinte er. »Denn es gibt über eintausend Menschen und eine Familienweissagung, die darauf bestehen, dass Ihr es tut.«

»Ich weiß nicht, wie Ihr das bewerkstelligen wollt, Mylord.« Aus ihren Augen sprach Erheiterung. »Ihr könnt eine Braut nicht zwingen, wenn sie nicht will.«

Er änderte seine Haltung, lehnte sich mit aufgestützten Händen nach vorn und näherte sich ihrem Gesicht in einer einzigen fließenden Bewegung. Ihre Augen weiteten sich und sie zuckte zurück.

»Ich glaube schon, dass Ihr wollt«, murmelte er.

Heiße Röte stieg ihr in die Wangen. »Tue ich nicht!«

»Oh, doch!« Er ließ seinen Blick auf ihren tief rosafarbenen, erotisch geschwungenen Lippen ruhen. »Ich weiß, was Ihr spürt, Avalon. Ich weiß, was heute mit Euch geschehen ist, als Ihr meinen Kuss erwidert habt. Ich weiß« – er kam noch näher, ohne sie jedoch zu berühren –, »was Ihr wollt. Weil ich es auch will!«

Ihr Atem beschleunigte sich, ihre Augen nahmen in der Nachmittagssonne die gleiche Farbe wie ihre Amethyste an. Er neigte sich noch weiter vor, sodass seine Lippen über ihren schwebten und beide die gleiche Luft einatmeten.

»Es ist unausweichlich.«

Sie lehnte sich zurück und brachte einen größeren Abstand zwischen sie.

»Heirat hat damit nichts zu tun«, beharrte sie.

Er hob eine Braue.

»War ein Irrtum«, sprach sie schnell weiter. »Es bedeutet nichts. Das bildet nicht die Grundlage für eine Ehe.«

»Ah!« Mit einer fließenden Bewegung kam er wieder auf die Füße und erhob sich. Er ging zu einem kleinen Tisch. »Ich werde mit meiner Herrin nicht diskutieren. Lassen wir es für den Moment dabei. Es hat nichts mit einer Heirat zu tun.«

Bewegungslos und misstrauisch beobachtete sie ihn.

»Aber ich nehme an, dass sogar Ihr mir zustimmen werdet, dass ein Ehevertrag wie der, der zwischen unseren Vätern geschlossen wurde, sehr wohl eine Heirat beinhaltet.«

Avalon schaute weg.

»Legal«, verkündete Marcus, der am Tisch lehnte. »Akzeptiert. Bindend. Anerkannt nicht nur von einem König, sondern sogar von zweien.«

Dazu gab es nichts zu sagen außer der Tatsache, dass ihr das gleichgültig war. Doch das wusste er bereits.

»Unter diesen Umständen werde ich Euer Jawort nicht benötigen, Lady Avalon. Euer Schicksal ist bereits besiegelt. Unserer Verlobung wurde königliche Zustimmung zuteil. Ich hätte zweifellos keine Schwierigkeiten, einen Mann der Kirche zu finden, der entgegen aller Eurer Einwände bereit ist, uns zu trauen.«

Die Röte schwand aus ihrem Gesicht. »So weit würdet Ihr nicht gehen.«

»Ich sehe keinen Hinderungsgrund.« Er zuckte lässig mit den Achseln. »Wenn Ihr nicht vernünftig werdet, bleibt mir keine andere Wahl. Ihr habt Euch selbst in diese Situation gebracht. Denkt noch einmal über Eure Sturheit nach, Avalon!«

O nein, er hatte keine Lust, sie zu einer Heirat zu zwingen. Tatsächlich war er sich sogar sicher, dass es keine Möglichkeit gab, sie gegen ihren Willen zu ehelichen. Er brauchte ihre Kooperation, damit es eine legale Zeremonie gab. Davon abgesehen, wenn die Herausforderung durch Warner käme – was sicherlich bevorstand –, würde sein eigener Anspruch mit einer einverstandenen Braut viel stärker sein.

»Ich gebe Euch jetzt Zeit, Euch meine Worte durch den Kopf gehen zu lassen, Mylady. Ihr müsst Euch ausruhen. Eine rasche Genesung wünsche ich.«

Er stieß sich vom Tisch ab und ging zur Tür, gegen die er zweimal klopfte, damit der Wächter den Riegel öffnete. Zum Abschied verbeugte er sich. Sie hatte sich nicht von ihrem Platz vor dem Feuer wegbewegt. Aber er wusste, dass in ihren Augen Flammen züngelten.

»Ich hätte Euch dem Pferd überlassen sollen«, hörte er sie zischen, als er die Tür schloss.

Er war zu ihr gegangen, um ihr eine Gunst zu gewähren, und als er sie verließ, setzte er ihr ein Ultimatum. Marcus schüttelte den Kopf über sein hitziges Gemüt. Bal hatte Recht mit dem dräuenden Sturm.

Süße Prophezeiung/Zeiten der Leidenschaft

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