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10. Tanz

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Die folgenden Tage vergingen wie im Flug. Da gab es viel Zeit allein, viele Spaziergänge am Wasser und an der Felswand. Die Wildheit von Forty Mile überraschte Sarah immer wieder. Die Kneipe war das Herz der Stadt, es schlug Tag und Nacht. Obwohl die meisten Einwohner arbeiteten, schienen sie immer Zeit zu haben, zu trinken und zu feiern. Straßenarbeiten, eine Anstellung in der Verwaltung, die Goldsuche, die in diesem frühen Frühjahr zaghaft wieder in Gang kam — anscheinend ließ sich alles mit Abenden und Nächten in der Kneipe verbinden.

Da gab es June, die einen Teil ihrer Tage mit Sarah verbrachte. Sie in ihren Jeep lud und mit ihr herumfuhr. Da gab es Jacob und Adam, die sie auf ihre Veranda einluden, wo die untergehende Sonne nachmittags schon die Bergwand hinterm Haus verfärbte. Da gab es Adam allein. Wenn Jacob abends loszog, um in der Kneipe mehr Bier zu holen, weil sie keins mehr hatten, wenn Muddy dringend rausmusste, wenn die Zigaretten aus waren. Einfach nur Adam. Und da gab es Mary, jeden Morgen und jeden Abend. Ihr schien es zu gefallen, dass sie Gesellschaft hatte. Da gab es das Bild in ihrem Zimmer, nach dem Sarah spätabends einmal gefragt hatte und über das Mary sagte, es sei eine lange Geschichte, für ein anderes Mal.

Eine knappe Woche später merkte Sarah, dass es Zeit wurde, nach Hause zu fahren. Ihr Kopf war leer und klar, obwohl sie der Entscheidung keinen Schritt nähergekommen war. Noch ein Abend, ein Auftritt von Adam und Jacob, und dann lag die Rückfahrt vor ihr. Die Fahrt, ihr Haus und ihre Arbeit.

An diesem Abend trank und tanzte Sarah mit, für sich allein und eins mit allen anderen. Mit zurückgelegtem Kopf, geschlossenen Augen, schwingenden Haaren. Der Rhythmus wurde immer aufpeitschender und das Stampfen von Jacobs und Adams Füßen im Takt der Musik brachte die Bühne zum Beben. Die vor dem Podium wogende Menge übernahm den Rhythmus, sie klatschte und stampfte.

Der Abend versank im Nebel. Adam spielte wie ein Besessener. Mitten in einem Mundharmonikasolo sah Sarah ihn aufspringen. Unter lauten Anfeuerungsrufen trat er näher und näher an den Rand der Bühne. Sarah klatschte und schrie mit den anderen. Er spielte weiter, ließ sich von der Bühne gleiten, kam zu ihr. Ohne Mikrofon spielte er mit derselben Leidenschaft weiter, seine Füße stampften immer noch im Takt. Sarahs Bewegungen folgten seiner Musik. Sie tanzten dicht zusammen, während die Menge weiter laut im Takt mitklatschte. Mitten in der sich aufbauenden Melodie unterbrach Adam sein Spiel und steckte die Mundharmonika in die Hosentasche. Er ließ sie nicht aus den Augen, stampfte immer noch im Takt. Jacob spielte weiter, lauter als zuvor, ein Teil der tanzenden Menge übernahm singend den Mundharmonikapart.

Sarah hörte Jacob von der Bühne herunterrufen. »Old Adam, mach, dass du herkommst, Young Adam ist verliebt!« Unter lautem Gejohle wurde jemand zur Bühne geschoben, dort nahm er Adams Geige und stimmte erstaunlich schnell in das Spiel ein.

Ihre Körper im Rausch, die Musik, Adams Gesicht dicht vor ihrem. Sie tanzten Fuß an Fuß, Knie an Knie, Herz an Herz. Er legte ihr die Hand an die Hüfte. Sie schoben sich durch den warmen Wellenschlag der tanzenden Körper nach draußen, durch das Johlen, das Schulterklopfen und die Knöchel, die über Adams Kopf strichen.

Draußen war es kühler, die Tür schlug zu, brachte den Lärm und die Musik zum Schweigen. Die Hunde, die vor der Kneipe angeleint waren, bellten nicht, als die beiden vorbeiwankten. In der Gasse schmiegten sie sich wieder dicht aneinander. Sarah spürte ihren gehetzten Atem. Nun rückte Adam noch näher. Ihre Lippen fanden sich. Sie hielt sich an ihm fest, knapp über dem Hosenbund, und schob die Finger unter sein Hemd. Die zarte Haut eines Jungen, die Muskeln eines Mannes. Seine Hände auf ihrem Rücken, die Handflächen lagen auf den Schulterblättern, die Daumen bedenklich weit unter ihre Achseln geschoben, dann fuhr er an ihren Brüsten entlang nach unten, wo er ihre Taille umfasste. Für einen kurzen Moment gab es nur ihre Körper.

Dann drängten sich erste Bilder auf. Die Werkbank in ihrem Haus, die Hefte mit ihren Skizzen, die fertiggestellten Stücke, in Kartons verpackt und versandbereit, die Stadt, Ann. Zusammen mit den Bildern kehrte auch die Spannung zurück und umklammerte ihren Magen.

Mit den Händen gegen Adams Brust riss sie sich von ihm los. Als sie seinen erstaunten Blick sah, küsste sie ihn wieder. Beherrschter diesmal. Dann löste sie sich erneut aus seiner Umarmung. Nicht abrupt, aber sanft und entschieden.

Adam begleitete sie über die Straße zu Marys Haus. Auf der zweiten Stufe küsste sie ihn zur Nacht. So waren sie fast gleich groß. Ihr letzter Kuss war ruhiger. Nicht kühl, aber keuscher.

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