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Als Rentner zähle ich nicht mehr so richtig

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Golo sieht in die Runde, bevor er das Wort ergreift. „Mein Freund, ein erfolgreicher Manager meinte mit Bitterkeit: ‚Für die arbeitende Bevölkerung sinkst du als Rentner in die Bedeutungslosigkeit. Treffe ich mit anderen Leuten zusammen, ist es üblich, nach der beruflichen Tätigkeit zu fragen. Mich fragt jedoch niemand mehr. Ich bin einfach uninteressant geworden. Als Rentner zähle ich nicht mehr so richtig, das empfinde ich als das Schlimmste.‘“

„Ja, leider ist das so“, bestätigt Alma. „Im Ruhestand wechsle ich meine Stellung in der Gesellschaft. Selbst wenn die Zahl der Rentner hoch ist, man gehört nicht mehr dem Zentrum der Gesellschaft an, man driftet an den Rand. Und das ist hart!“

„Das bekam auch ein früher einmal renommierter und bedeutender Journalist zu spüren“, unterbricht Lisa sie. „Er ließ zu seinem 70. Geburtstag ein Buffet für 50 Personen herrichten. Es kamen jedoch gerade mal fünf. Ich war ebenfalls dabei. Er war völlig in sich zusammengesunken. Obwohl er früher ein Ekel war, tat er mir in diesem Moment leid.“

„Man wird links liegengelassen“, bestätigt Alma. „So erging es meiner Freundin Carola, eine anerkannte Professorin für Geschichte. Sie arbeitete nach ihrer offiziellen Verabschiedung wie bisher weiter, natürlich ohne Bezahlung. Zum Beispiel hält sie Vorlesungen und betreut Doktoranden.“

„Und sie bekommt überhaupt kein Geld dafür?“, fragt Kiri verwundert nach.

„So ist es. Neulich berichtete sie von einer Tagung: ‚Zwei Kollegen unterhalten sich über ein wissenschaftliches Problem. Weil es mein Forschungsgebiet betrifft, geselle ich mich zu ihnen. Was passiert? Ich werde von beiden herablassend wie ein Fossil angesehen und beide entfernen sich wortlos. Das wäre mir früher nie passiert.‘“

„Früher, da hätten viele ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken gesucht – kann ich mir gut vorstellen“, meint Kiri.

„Als Pensionärin ohne Lehrstuhl hat sie keinen Einfluss mehr. Das hat sie schon tief getroffen.“

Eine Pause tritt ein.

Schließlich bricht Max, dem man seine Verdrossenheit anmerkt, das Schweigen:

Als alter Mensch zählt man nicht mehr so ganz, auch wenn mir als Konsument große Aufmerksamkeit zuteil wird. Ich ärgere mich jedes Mal, wenn in der Zeitung betont wird, bei einem Autounfall sei ein Rentner beteiligt gewesen. Nun kenne ich mehrere Fälle, bei denen der Rentner aber nicht der Verursacher des Unfalls war. Immer wieder die Diskussion darüber, die Rentner einer Fahrtauglichkeitsprüfung zu unterziehen. Warum nicht junge Männer, die bedeutend mehr Unfälle verursachen?“

„Zum Glück sind wir Alten die besten Kunden der Autoindustrie, die gewiss dagegen Sturm laufen würde“, beruhigt ihn Golo.

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