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Die Qual der Wahl

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Kürzlich beschwerte sich eine Kollegin beim Mittagessen, dass sie es »sooo anstrengend« finde, sich ständig entscheiden zu müssen. »Wenn ich am Morgen im Restaurant einen Kaffee bestelle, überfordert mich das. Das Angebot ist einfach zu groß. Soll ich jetzt einen Latte nehmen, einen Cappuccino oder besser einen Espresso mit Milch?« Wenn sie sich bereits so früh anstrengen müsse, um das richtige Getränk auszusuchen, bleibe ihr »womöglich keine Energie mehr für die wirklich wichtigen Entscheidungen im weiteren Verlauf des Tages«. »Recht hast du«, mischte sich eine andere Kollegin ein, »ich habe das Problem, beim Einkaufen unter den zwanzig verschiedenen Müesli zu wählen. ›Hätte es nicht noch ein Besseres gegeben?‹, frage ich mich jeweils nach dem Bezahlen.«

»Genau«, seufzte die Dritte, »für die Frühlingsferien muss ich mich wieder entscheiden, ob ich lieber in die Karibik oder auf die Seychellen reisen will. Das ist so anstrengend.«

Ich musste laut herauslachen und mich zusammennehmen, um keinen zynischen Kommentar abzugeben. Merkten die drei denn nicht, welches Luxusproblem es ist, aus so vielen Varianten aussuchen zu dürfen? Mindestens die Hälfte der Menschheit würde Luftsprünge vor Freude machen, hätte sie überhaupt eine Wahlmöglichkeit. Und nein, nicht nur die Menschen in Syrien und anderen Kriegsgebieten haben keine Wahlmöglichkeiten, auch in der Schweiz gibt es viele, die sich die Frage nach dem »richtigen« Kaffee nicht stellen können, weil sie schlicht nicht das Geld haben, einen zu kaufen. Natürlich kann ein Überangebot verwirren und unsere Überflussgesellschaft kann stressen, aber eine große Auswahl ist doch besser, als keine Auswahl zu haben.

Unsere Welt ist in den vergangenen Jahren immer komplizierter geworden. Wie lerne ich, unter zwanzig Augencremen jene herauszufinden, die für mich am besten ist? Aus hundert Büchern jenes zu wählen, das mich am meisten fesselt? Beim riesigen Fernsehprogramm jenen Film zu schauen, der die Zeit auch wert ist?

Sicher ist: Das Ziel kann nicht sein, die Vielfalt zu verringern, wie radikale Kritiker der Konsumgesellschaft dies fordern. Menschen müssen lernen, wie man die richtige Wahl trifft, indem sie sich vermehrt informieren, abwägen und lernen, auf ihre Bedürfnisse zu hören. Fragen wie »Was brauche ich?«, »Was macht mich glücklich?« und »Auf was kann ich verzichten?« werden immer wichtiger. Eine solche Innenschau kann helfen, das Selbstbewusstsein zu stärken, denn wenn ich weiß, was mir guttut, bin ich auch besser gegen die vielfältigen Verführungen gefeit. »Wo fühlst du dich denn am glücklichsten?«, fragte ich meine Kollegin, die nicht wusste, wo sie ihre Ferien verbringen möchte. »Am liebsten würde ich mal zu Hause bleiben und richtig faulenzen«, meinte sie nachdenklich. Manchmal ist es so einfach, die richtige Entscheidung zu treffen.

Sind denn alle guten Männer schon vergeben?

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