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Leben von A bis Z

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Manchmal habe ich das Gefühl, ich stehe im Wald, oder konkreter gesagt, ich lebe manchmal etwas antizyklisch. Zum Beispiel, wenn in Mode und Design grad mal wieder schwarz-weißer Minimalismus angesagt ist, während ich von üppigen Hüllen in Samt und Seide träume, natürlich in Regenbogenfarben. Oder wenn ich auf dem Teller beim Sternekoch die Erbsen und Zwiebelchen zählen muss, während vor meinem geistigen Auge eine richtig schön verbrannte Bratwurst und ein Bürli (Achtung: Weißbrot!) vorbeiziehen. Und vielleicht noch eine klitzekleine Mousse au Chocolat. Und ja, ich weiß, die japanische Aufräumfee Marie Kondo predigt in ihren Büchern äußerst erfolgreich den minimalen Besitz: »Behalte nur, was dir Freude macht. Besitze nur, was du brauchst.« Und das dürfen, ihrer Philosophie nach, etwas zugespitzt gesagt, höchstens hundert Dinge sein. Ich bewundere Menschen, die sich so beschränken können. Mir fällt das Spartanische schwer, ich schöpfe lieber aus der Fülle. Nicht zu verwechseln übrigens mit dem sinnlosen Überfluss, der ein schlechtes Lebensgefühl kompensieren muss.

»Zu viel von einer guten Sache kann wunderbar sein«, sagte einst Mae West. 1893 geboren, war Mae ein ziemlich patentes Mädchen, das im Hollywood der 1930er-Jahre zu den bestbezahlten Filmstars zählte, aber auch als Drehbuchautorin arbeitete; eine Seltenheit in der damaligen Zeit. Heute könnte man West vielleicht mit Madonna vergleichen. Jedenfalls bevor diese zur knallharten Geschäftsfrau mutierte. Als Mae West mit siebenundachtzig Jahren starb, konnte sie auf ein erfülltes Leben zurückblicken. Eine Frau, die aus dem Vollen geschöpft und selten etwas bereut hatte. Und die, im Gegensatz zu anderen berühmten Hollywood-Film-Blondinen wie Marilyn Monroe nie das Opfer war, sondern ihr Leben stets selber in der Hand hatte.

»Wer nicht genießt, wird ungenießbar«, wusste übrigens ein paar Jahrhunderte zuvor schon der Dichter Friedrich von Schiller. Man muss es ja nicht dem Sänger Konstantin Wecker nachmachen, der den Genuss mit fast den gleichen Worten pries, bei dem der zügellose Genuss allerdings in reine Maßlosigkeit und eine schwere Drogensucht mündete.

»Mit zunehmendem Alter sollte man sich beschränken«, höre ich immer wieder. Ich frage: Warum bloß? Sollte man, wenn die verbleibende Lebenszeit kürzer wird, nicht noch einmal aus dem Vollen schöpfen? Etwas Außergewöhnliches wagen und darauf pfeifen, was die Leute sagen? Sich über Konventionen hinwegsetzen und nur den eigenen Gefühlen folgen? Einfach mal unvernünftig sein und in den Tag hineinleben? Der Spruch »Man bereut im Leben nur die Dinge, die man nicht gemacht hat« stammt zwar nicht von Mae West, aber er passt perfekt zu ihrer Persönlichkeit. Und manchmal, so hoffe ich jedenfalls, auch zu meiner.

Sind denn alle guten Männer schon vergeben?

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