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a) Amtsträger nach deutschem Recht

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Der Begriff des (nationalen) Amtsträgers ist in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB legaldefiniert, wobei das Gesetz mehrere Untergruppen benennt (Buchst. a bis c).[11]

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Gem. Buchst. a) ist zunächst Amtsträger, wer nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist. Der Beamtenbegriff ist dabei verwaltungsakzessorisch im beamten- bzw. staatsrechtlichen Sinne zu verstehen.[12] Beamter ist demnach, wer nach den einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften von der zuständigen Stelle durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde wirksam in das Beamtenverhältnis berufen worden ist; das Beamtenverhältnis endet, wenn ein Beendigungsgrund vorliegt (vgl. § 21 BeamtStG: Entlassung, Ruhestand usw.). Zum Begriff des Richters s. Rn. 27. Soldaten der Bundeswehr (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 SoldatenG) sind zwar keine Amtsträger; sie werden diesen aber durch § 48 WStG gleichgestellt.

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Amtsträger ist nach Buchst. b) zudem, wer nach deutschem Recht in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht. Dieser Auffangtatbestand („sonstigen“) setzt einen Status des Betroffenen voraus, welcher der Sache nach einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treuverhältnis vergleichbar ist. Dies ist etwa einschlägig für Notare[13] oder Rechtsreferendare, zudem für Regierungsamtsträger[14] wie Kanzler und Minister(präsidenten), parlamentarische Staatssekretäre oder den Bundespräsidenten. Indiz für das Vorliegen einer Amtsträgereigenschaft nach Buchst. b) sind gesetzliche Formulierungen, die von einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis sprechen (vgl. § 1 BMinG, § 1 BNotO). Nicht erfasst sind hingegen Angehörige freier Berufe (Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker, Insolvenzverwalter),[15] ebenso wenig Abgeordnete; auch wenn Art. 48 Abs. 2 GG von einem „Amt“ des Abgeordneten spricht, gilt für diese ausschließlich die privilegierende Sondervorschrift § 108e StGB (dazu 2. Kap.).

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Schließlich sind nach Buchst. c) diejenigen Personen Amtsträger, die sonst dazu bestellt sind, bei oder im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen – und zwar unabhängig von der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform. Dieser Passus ist höchst unklar, da das irgendwie Bestelltwordensein bei einer ggf. auch privatrechtlich organisierten „Stelle“ ausreichend ist.[16] Entsprechend ist die Rspr. in diesem Bereich letztlich kaum vorhersehbar und case law-artig.[17] Eine Groborientierung bieten aber die Grundsätze in Bezug auf die folgenden drei Tatbestandsvoraussetzungen:

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Zunächst muss der Täter mit („bei“)[18] oder ohne („im Auftrag“) organisatorische Eingliederung[19] für eine dem Staat zuzurechnende Institution („Behörde“ oder „sonstige Stelle“) agieren. Hier bestehen insb. Abgrenzungsschwierigkeiten zu rein privatwirtschaftlichen Unternehmen, für die primär das Korruptionsstrafrecht der §§ 299 ff. StGB gilt (s. 3. Kap.). Möglich ist aber auch, dass Delikte aus beiden Korruptionsstrafrechtsgebieten einschlägig sind.

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Der Behördenbegriff entspricht im Wesentlichen der Definition in § 1 Abs. 4 VwVfG; er erfasst alle ständigen und formell in das Staatsgefüge eingeordneten Organe der Staatsgewalt, die dazu bestimmt sind, mit einer gewissen Selbstständigkeit Staatszwecke zu verfolgen.[20] Hinsichtlich der sonstigen (lies: quasi-staatlichen) Stellen kommt es auf die Organisationsform nicht an, sodass neben Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts[21] auch bürgerlich-rechtlich verfasste Entitäten (etwa GmbH,[22] AG[23] oder eV[24]) erfasst sein können (zum Konkurrenzverhältnis zw. Amtsträger- und privatwirtschaftlicher Bestechlichkeit nach § 299 s. Rn. 85 f., 130). Im Falle öffentlich-rechtlicher Verfasstheit ist die notwendige Behördenähnlichkeit regelmäßig anzunehmen.[25]

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Geht es hingegen um eine zivilrechtliche Organisationsform, bedient sich die Rspr. der Formel, notwendig sei, dass die fragliche Stelle auf der Basis einer Gesamtbetrachtung als „verlängerter Arm des Staates“ erscheint.[26] Indiziell sind insoweit die Eigentumsverhältnisse (Öffentliche Hand oder Private?),[27] das Bestehen einer ökonomischen Konkurrenzsituation (Monopol- vs. Wettbewerbssituation),[28] die gesellschaftsvertragliche Zwecksetzung,[29] die Wahrnehmung durch die Bevölkerung[30] und die staatlichen Steuerungs- und Einflussnahmemöglichkeiten.[31] Letztgenanntem Kriterium kommt insb. in PPP-Konstellationen (Public-Private-Partnership) Bedeutung zu. Hierzu hat der BGH entschieden, die Annahme einer sonstigen Stelle komme nicht in Betracht, sofern der Private über eine Sperrminorität verfügt, die ihm ein Mitbestimmungsrecht bei wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen verschafft.[32]

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Kasuistik: Als sonstige Stellen sind in der Rspr. bspw. angesehen worden ein öffentliches Krankenhaus,[33] öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten,[34] ein Rechtsanwaltsversorgungswerk,[35] die GIZ,[36] Landesbanken,[37] gesetzliche Krankenkassen,[38] kassenärztliche Vereinigungen,[39] eine vereinsrechtlich organisierte Stelle zur Begutachtung der Sachkunde im Umgang mit Waffen[40] und die Deutsche Bahn Netz AG (eine 100 %ige Tochter der Deutsche Bahn AG),[41] nicht hingegen die Deutsche Bahn AG,[42] kirchliche Stellen,[43] eine 100 %ige Tochter-GmbH des Roten Kreuzes,[44] Privatschulen,[45] die Fraport AG[46] sowie eine medizinisch-psychologische Begutachtungsstelle für die Fahreignung[47].

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Des Weiteren muss der Täter für die (quasi-)behördliche Stelle mit der Wahrnehmung öffentlicher Verwaltungsaufgaben betraut sein. „Öffentliche Verwaltung“ ist ein vager Begriff. Er umfasst prinzipiell jede aus der Staatsgewalt abgeleitete und staatlichen Zwecken dienende Tätigkeit, die nicht Rspr.[48] oder Gesetzgebung[49] ist. Darunter fallen grds. Tätigkeiten der Eingriffsverwaltung,[50] aber auch der Leistungsverwaltung[51] insb. soweit diese den Bereich der Daseinsvorsorge[52] betrifft (z.B. ÖPNV,[53] kommunale Müllentsorgung[54] oder Energieversorgung[55] sowie Gesundheitsvorsorge[56]). Beschaffungs- und Bedarfs- sowie staatliche Vermögensverwaltung ist öffentliche Verwaltung,[57] nicht hingegen die rein wirtschaftliche Betätigung.[58] Bei „Mischfällen“ ist für die Annahme öffentlicher Verwaltungstätigkeit entscheidend, ob zwischen erwerbswirtschaftlicher Betätigung und Verwaltungshandeln ein enger Zusammenhang besteht oder nicht (bejaht z.B. für die Vermarktung von Werbeflächen im ÖPNV durch eine AG in städtischer Hand).[59]

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Die Aufgaben muss der Täter zudem selbst und unmittelbar[60] wahrnehmen. Für eine „Wahrnehmung“ in diesem Sinne ist dabei erforderlich, dass die Person in gewissem Umfang eigenständig agiert, d.h. als Entscheidungsträger fungiert (s. Rn. 1). Diese Voraussetzung ist regelmäßig erfüllt und wirft nur in besonders gelagerten Fällen Zweifel auf. Problematisiert und bejaht wurde das Merkmal etwa bei einem für das Zahl- und Bestellungswesen einer Schule zuständigen Schulsekretär[61] sowie einer Feuerwehrpraktikantin.[62] Für nicht ausreichend gehalten werden rein mechanische oder nur untergeordnete Hilfstätigkeiten[63] (z.B. Reinigungs-[64] oder Schreibarbeiten[65] sowie das Fahren eines Linienbusses[66]). Auch ein Vertragsarzt nimmt bei der Verordnung von Medikamenten für seine Patienten nach Ansicht des BGH selbst keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, weil insoweit das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient im Vordergrund stehe.[67]

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Schließlich muss die Person auch zur Wahrnehmung der Aufgabe „bestellt“ worden sein. Daraus folgt zunächst, dass es sich nicht um eine bloß angemaßte Tätigkeit handeln darf.[68] Eines förmlichen Bestellungsakts bedarf es allerdings nicht, sodass grds. auch eine formfreie[69] und ggf. konkludente[70] Übertragung der Tätigkeit ausreicht. Die Rspr. misst aber dem Merkmal jedenfalls in Bezug auf die Bestellung zur Tätigkeit bei einer nicht-privatwirtschaftlich organisierten Stelle[71] einschränkendes Potenzial bei: Die vereinzelte Beauftragung ohne längerfristige Tätigkeit (z.B. einmaliger Einsatz eines freiberuflichen Planungsingenieurs zur Vorbereitung einer öffentlichen Ausschreibung[72] oder die mehrfache Hinzuziehung eines vereidigten Dolmetschers bei einer Fahrprüfung[73]) reiche nicht aus.[74] In diesen Fällen kann sich die Eigenschaft als tauglicher Nehmer aber aus § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB ergeben (s. Rn. 26).

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