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Schweizerinnen statt Österreicherinnen

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Bereits in den Dreissigerjahren sind Hunderte von jungen Schweizerinnen nach England gegangen, manche auch nach ­Irland oder Schottland. Weil sie Englisch lernen wollten oder aus wirtschaftlichen Gründen. Mina Rui-Oppliger, 1919 geboren, erzählt im Porträt «Wir sahen die Schweizer Mobilmachung in London im Kino», wie schwierig es für Hausangestellte in der Schweiz war, Arbeit zu finden: «Niemand hatte Geld, und es gab fast keine Stellen. Und wenn man Arbeit hatte, verdiente man kaum genug, um davon zu leben.» Die 2016 verstorbene Irene Schenker-Odermatt, die ebenfalls in den Dreissiger­jah­ren in England war, schickte ihrer Familie in Engelberg jeweils fünf Pfund nach Hause – ihr jüngerer Bruder erzählte sein Leben lang, wie froh die Familie über diese Unterstützung gewesen sei.

In England, wo die Klassengesellschaft besonders stark ausgeprägt war, beschäftigten vor dem Zweiten Weltkrieg auch Familien des unteren Mittelstandes ein oder zwei Hausan­gestellte, und nicht einmal während der Weltwirtschaftskrise in den Dreissigerjahren war genug einheimisches Personal da, um den Bedarf zu decken.

Auch viele Österreicherinnen waren in englischen Haushalten angestellt. 1938, nach dem Anschluss von Österreich an Deutschland, konnten sie jedoch nicht mehr ausreisen. Agentu­ren und Privatpersonen suchten in der Schweiz nach Ersatz – eine Entwicklung, die das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit biga kritisch beobachtete. In einem Schreiben vom 10. Juni 1938 an den Verein «Freundinnen junger Mädchen» fjm heisst es: «Der Anschluss Österreichs an Deutschland hat die Tendenz der gewerbsmässigen Agenturen, möglichst viele Schweizerinnen in England zu plazieren, noch stark begünstigt. Der unerfreuliche Zustand hat sich verschärft.»

Die fjm wurden im 19. Jahrhundert zur Bekämpfung der Prostitution gegründet und arbeiteten eng mit den Behörden zusammen. Sie betrieben in Bern ein eigenes «Englandplazierungsbüro», das Stellen in englischen Familien vermittelte. Die privaten Agenturen hingegen waren den Behörden ein Dorn im Auge. Sie hatten den Ruf, die Stellen nicht seriös genug zu prüfen. Dem Bund fehlten jedoch die rechtlichen Grundlagen, um gegen sie vorzugehen.



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