Читать книгу Am hellichten Tag - Simone van der Vlugt - Страница 12
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Оглавление»War’s nett gestern Abend?«, erkundigt sich Sjoerd, als sie gemeinsam zum Konferenzraum gehen.
»Ja, doch«, sagt Julia kurz.
Sie hat sich am Abend zuvor nicht zu Tacos Bemerkung, er brauche keine Hilfe von ihr, geäußert, obwohl sie ziemlich irritiert war. Ihr Abschied fiel dementsprechend kühl aus, und sie weiß nicht, ob sie ihm heute eine SMS schicken soll oder nicht.
»Ich habe euch gesehen«, sagt Ari, der neben ihnen hergeht. »Auf dem Munsterplein. Ist der Typ dein neuer Stecher? Der ist doch viel zu jung für dich! Geht der vielleicht noch zur Schule?«
Julia wendet sich der E.T.-Puppe am Wasserspender zu. »Hallo, Ari«, sagt sie. »Du siehst gut aus heute. Hast du abgenommen?«
Ari lässt sich nicht aus dem Konzept bringen und fährt fort: »Letzte Woche hätte ich doch glatt bei ‘ner blutjungen Mieze landen können. Ich sitz in der Kneipe und trink mein Bier, als die auf mich zukommt und mich nach allen Regeln der Kunst anmacht. Wenn ich gewollt hätte, wär da garantiert ‘ne heiße Nacht drin gewesen. Die hätte sich nur zu gern von mir abschleppen lassen.«
»Ja, wenn zu Hause nicht zufällig deine Frau im Bett gelegen hätte«, quittiert Julia.
Aris Angeberstorys über sein Liebesleben sind allseits bekannt, und wie immer ignoriert er den Hinweis darauf, dass er verheiratet ist.
»Echt, das Mädel war ‘ne Sensation, Und ihr wisst ja, ich bin nicht so leicht zufriedenzustellen: Bei mir müssen Frauen einen Knackarsch haben, dicke Titten und dabei gertenschlank sein.«
»Sehr originell«, bemerkt Sjoerd.
»Originell oder nicht – das ist nun mal mein Geschmack. Punkt.«
In Julia steigt Wut auf. »Soso«, sagt sie mit einem kritischen Blick auf Aris stattlichen Bauch. »Und was hast du so zu bieten?«
Ari baut sich vor ihr auf und stemmt die Hände in die pummeligen Hüften.
»Mach jetzt keine Mätzchen, Ari«, sagt Sjoerd. »Die Besprechung fängt gleich an.«
Julia sitzt bereits im Konferenzraum, als Sjoerd hereinkommt und neben ihr Platz nimmt. »Lass dich von Ari nicht provozieren. Du weißt doch, wie er ist.«
»Schon, aber daran will ich mich einfach nicht gewöhnen. Gott sei Dank ist er nicht mein Partner. Wir würden vor lauter Streiten gar nicht zum Ermitteln kommen.«
Inzwischen ist die gesamte Sonderkommission anwesend; verhaltenes Murmeln erfüllt den Raum. Als Hauptkommissar Maarten Ramakers zur Weißwandtafel geht, wird es still.
»Wir sind zusammengekommen, um die Ergebnisse zu besprechen, die inzwischen im Fall Bachstraat vorliegen.« Ramakers räuspert sich und fährt fort: »Wie Sie bereits wissen, hat eine Anwohnerin am Mittwoch, dem dritten Juli, gegen halb zwölf Uhr mittags beobachtet, dass eine junge Frau mit schulterlangem, dunklem Haar ihren silbergrauen Alfa Romeo in der Bachstraat geparkt, bei dem Paar Moors und Schavenmaker geklingelt hat und ins Haus gelassen wurde. Auf der Wohnzimmercouch wurden zwei dunkle Haare gefunden, die nicht von den Mordopfern stammen, also möglicherweise von der Besucherin. Die Haare hatten intakte Wurzeln, sodass ein DNA-Profil erstellt werden konnte. Leider hat sich keinerlei Übereinstimmung mit einem Profil in unserer Datenbank ergeben.«
Ramakers dreht sich um und notiert mehrere Uhrzeiten auf der Tafel.
»Zwischen 12:15 Uhr und 12:30 Uhr verließ die junge Frau das Haus wieder; das wurde ebenfalls beobachtet. Frau Moors und ihr Lebensgefährte wurden kurz darauf noch einmal lebend gesehen, als sie Decken in den Kofferraum ihres Autos packten. Anschließend gingen sie ins Haus, vermutlich um weitere Vorbereitungen für ihr Picknick zu treffen. Dazu ist es aber nicht mehr gekommen. Als die Nachbarin von nebenan gegen 14:40 Uhr an der Hintertür war, sah sie Frau Moors leblos auf dem Küchenboden liegen.« Er zeigte mit dem Stift auf die entsprechende Uhrzeit an der Tafel. »Der Täter muss also zwischen 13:00 Uhr und etwa 14:35 Uhr zugeschlagen haben. Auf dem Klingelknopf neben der Haustür wurde ein Fingerabdruck gefunden. Er stimmt mit dem auf einem der benutzten Teegläser überein, allerdings mit keinem in unserem Datenbestand. Um wen es sich bei der Frau mit dem Alfa Romeo handelt, ist also nach wie vor unbekannt. Das Gleiche gilt für den Täter, denn er hat keinerlei Spuren hinterlassen, keine Fingerabdrücke, nichts. Ermittlungen im Viertel haben allerdings ergeben, dass in der fraglichen Zeit ein silbergrauer Porsche in der Bachstraat parkte, und zwar etwa hundert Meter vom Tatort entfernt. Das Kennzeichen des Wagens ist nicht bekannt.«
»Dort fahren jede Menge Leute teure Autos«, bemerkt Koenraad, »auch wenn die wenigsten mit ehrlicher Arbeit verdient wurden.«
»Hat denn jemand die Schüsse gehört?«, fragt Sjoerd.
Ramakers schüttelt den Kopf. »Wir vermuten, dass der Täter einen Schalldämpfer benutzt hat. Weil es so heiß war, stand die Hintertür des Hauses offen, ebenso mehrere Fenster, also hätte die ganze Nachbarschaft die Schüsse hören müssen. Beiden Opfern wurde in den Kopf geschossen, Ruud Schavenmaker außerdem zweimal in die Brust, und zwar mit einer Neun-Millimeter-Pistole, wahrscheinlich einer Smith & Wesson.«
Er blättert in seinen Unterlagen und fährt dann fort: »Spuren des Täters wurden, wie gesagt, weder in der Wohnung noch in der unmittelbaren Umgebung gefunden. Was wir aber haben, ist eine Speichelprobe. Sie fand sich auf dem T-Shirt von Herrn Schavenmaker, und die Untersuchung hat ergeben, dass der Speichel nicht von ihm stammt. Es kann also gut sein, dass es sich bei der Tat um einen Racheakt handelt und der Täter Schavenmaker angespuckt hat. Bedauerlicherweise befindet sich die DNA aus dem Speichel des mutmaßlichen Täters nicht in unserer Datenbank.«
Er schweigt einen Moment und fugt dann hinzu: »Trotzdem werden wir alles Menschenmögliche tun, um ihn zu finden. Und zwar so schnell wie möglich. Noch Fragen?«
Bisher haben alle konzentriert zugehört, jetzt bricht ein wahres Sperrfeuer von Fragen los.
Die meisten kann Ramakers allerdings nicht beantworten. Die nächste halbe Stunde vergeht damit, dass Ramakers den anwesenden Beamten Aufträge erteilt. Einer nach dem anderen verlässt den Raum.
Am Ende winkt er Julia und Sjoerd heran.
»Frau Vriens, Sie sind doch in Donderberg aufgewachsen, oder?«
»In Sterrenberg.«
»Egal, liegt ja gleich daneben. Also kennen Sie dort jede Menge Leute. Sie und Herr Volleberg werden die Aussagen der Anwohner überprüfen und weitere Nachforschungen anstellen. Wir haben es mit einem Täter zu tun, der offenbar noch nie mit der Polizei in Berührung gekommen ist und jetzt aus heiterem Himmel einen Doppelmord begangen hat. Das irritiert mich. Es könnte gut sein, dass er im Auftrag eines Dritten gehandelt hat.«
»Oder er ist ein Krimineller, der so schlau vorgeht, dass er bisher nie erwischt wurde.«
»Genau das sollen Sie herausfinden. Nehmen Sie sich die Befragungsprotokolle vor, und dann los!«
»Die geben kaum etwas her. In einem Viertel wie Donderberg deckt jeder jeden.«
»Dann sorgen Sie eben dafür, dass die Leute den Mund aufmachen«, sagt Ramakers. »Ich brauche Namen. Und zwar noch heute.«