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Lulu saß am anderen Ende des Tisches, Elmer war ziemlich erleichtert. Er verachtete Franks Schwäche, aber er war nie – wie bei Eddie Fislinger – sicher, was Frank tun oder sagen würde, und beschloß, auf der Hut zu sein. Ein- oder zweimal warf er Lulu einen vertraulichen Blick zu, aber alles, was er sagte (und er gab sich, um von Lulu bewundert zu werden, Mühe, es gelehrt und doch mannhaft klingen zu lassen) richtete er an Mr. Bains und die anderen Diakone.

›So!‹ reflektierte er. ›Jetzt muß der verdammte Idiot, der Shallard, sehen, daß ich nichts mit dem Kind vorhab' … Wenn er sich irgendwas ausrutschen läßt, zum Beispiel, was ich für Absichten mit ihr hab', werd' ich ganz einfach erstaunt sein, Mr. Frank Shallard seine Schlechtigkeit vorhalten und ihn mitsamt seinen dreckigen hinterlistigen Vermutungen zum Teufel schicken!‹

Aber: ›Herr Gott, ich muß sie haben!‹ rief alles von Ungestüm Flammende in den untersten Schichten seines Bewußtseins: darauf antwortete er lediglich mit einem vorsichtigen: ›Aufpassen! Achtgeben! Dekan Trosper würde dich fliegen lassen! Der alte Bains würde sein Schießeisen nehmen … Achtgeben! … Warten!‹

Erst eine Stunde nach dem Essen, als die anderen über den Maisröster gebeugt waren, fand er Gelegenheit ihr zuzuflüstern:

»Trauen Sie dem Shallard nicht! Er gibt sich als Freund von mir aus – ich dürft' ihm kein falsches Fünfcentstück anvertrauen, muß Ihnen von ihm erzählen. Ich muß! Passen Sie auf! Schleichen Sie herunter, wenn die anderen oben schlafen gegangen sind. Ich werd' hier sein. Sie müssen!«

»Oh, ich kann nicht! Cousine Adeline Baldwin schläft bei mir.«

»Gut! Tun Sie so, als ob Sie ins Bett gehen wollten – fangen Sie an und machen Sie Ihr Haar oder so was – und dann kommen Sie herunter nachschauen, ob das Feuer in Ordnung ist. Ja?«

»Vielleicht.«

»Sie müssen! Bitte! Liebe!«

»Vielleicht. Aber ich kann nur eine Sekunde bleiben.«

Höchst tugendhaft, höchst priesterlich: »Oh, selbstverständlich.«

Sie saßen alle nach dem Essen im Wohnzimmer. Die Bains' waren stolz darauf, gesellschaftlich so weit zu sein, daß sie ihre Abende nicht in der Eßküche verbrachten. Das Wohnzimmer hatte die Einfachheit eines neu-englischen Farmhauses; ein in schwachen Farben gestreifter Lappenteppich, ein wundervoller Patentschaukelstuhl mit korinthischen Knäufen und Drachenfüßen aus Messing, große Kreidedrucke, ein Tisch, auf dem Farm and Fireside und Modern Priscilla aufgehäuft lagen, und der ungeheure Band mit den Bildern von der Weltausstellung in Chicago. Es war kein Kamin da, der Ofen war ein lustiges Ungeheuer aus Nickel und Marienglas, mit einer herzigen Messingkrone, die goldener war als Gold, und mit einer Kette aus Glassaphiren, Glassmaragden und Glasrubinen um den glühenden Bauch.

Neben der schimmernden Gemütlichkeit des Ofens drehte Elmer seinen Geisteshahn auf und arbeitete darauf hin, entzückend zu sein.

»Jetzt dürft ihr mir aber heute abend kein Wort mehr von Kirchensachen reden! Jetzt will ich kein Prediger sein – ich will ganz einfach ein junger Mensch und auf der Weide übermütig sein, nach diesem herrlichen Essen, und ich erklär' feierlich, wenn ich nicht wüßte, daß sie eine tugendsame Mutter in Zion ist, würd' ich mit Mutter Bains tanzen – ich könnte wetten, daß sie ebenso nett ein Tanzbein schwingen kann wie irgendeine von den Kunsttänzerinnen im Theater!«

Und sie um die weiche, wogende Taille fassend, drehte er sie dreimal herum, wobei sie rot wurde und kicherte: »Nanu, aber auf so was zu kommen!« Die andern applaudierten, ohne ihre vom Pflug harten Hände zu schonen und taten den zarten Ohren Frank Shallards weh.

Frank war immer als außerordentlich liebenswürdiger Junge bekannt gewesen, aber heute abend war er sauer wie Alaun.

Elmer war es, der ihnen Geschichten vom alten Kansas erzählte, das er vom Lesen so gut kannte. Elmer war es, der sie veranlaßte, im Stubenofen Mais zu rösten, als sie ihre erste Scheu davor überwunden hatten, vor Gottesmännern Menschen zu sein. Während dieser Lustbarkeit, als sogar der züchtigste Diakon kicherte und Mr. Bains vermahnte, »He, wen stoßen Sie da, Barney?« gelang es Elmer, der Öffentlichkeit zu entrinnen und seine Verabredung mit Lulu zu treffen.

Noch fröhlicher als vorher und von dem gebutterten Röstmais etwas glänzend, trieb er sie zum Harmonium, auf dem Lulu in unschuldiger Freude und ohne allzu große Kenntnisse herumarbeitete. Aus Respekt gegen das geistliche Gewand mußten sie das Singen mit »Selige Zuversicht« beginnen, aber bald hatte er sie so weit, daß sie sich an »Mit Nelly auf dem Heimweg« und »Neger-Joe« erfreuten.

Die ganze Zeit bebte er vor Wonne in der Erwartung des zärtlichen Abenteuers, das ihm blühte.

Sein Entzücken wurde nur um so größer, als er bemerkte, daß der junge Nachbarsfarmer Floyd-Naylor – ein Verwandter der Bains-Familie, ein großer, aber linkischer junger Mann – Lulu ebenfalls anhimmelte, sehnsüchtig, aber schüchtern.

Sie schlossen mit »Beulah-Land«, Lulu spielte, und seine Stimme klang sehr beruhigend, sehr rührend und zärtlich:

O Beulah-Land, mein Beulah-Land,

(Du süßer Liebling!)

Wenn ich auf deinem höchsten Berge steh',

(Wenn ich ein bißchen traurig ausseh', ob sie mich dann wohl streicheln würde?)

Schau' ich weit hinaus über die See,

(Oh, ich will gut sein – nicht zu weit gehn.)

Wo Häuser sind für mich bereitet,

(Ihre Gelenke, während sie spielt – küssen möcht' ich sie!)

Und seh' die Küste, die sich strahlend breitet,

(Ich werd's auch tun, verdammt noch einmal! Heute abend!)

Mein Himmel, mein Heimatstrand für immerdar.

(Ob sie wohl im Schlafrock runterkommt?)

»Ich möcht' doch zu gern wissen,« sagte die Frau des einen Diakons, eine empfindsame, lebhafte Dame, »an was Sie während dem Singen gedacht haben, Bruder Gantry?«

»Ja – ich hab' dran denken müssen, wie glücklich wir alle sein werden, wenn wir einmal gereinigt und friedvoll im Beulah-Land sind.«

»Je, ich hab' doch gewußt, daß es was mit Religion war – Sie haben so – so glücklich und begeistert gesungen. Na! Wir müssen gehen. Es war ein so reizender Abend, Schwester Bains. Wir wissen wirklich nicht, wie wir Ihnen und Bruder Bains danken sollen, ja, und Bruder Gantry auch, für die wunderschöne Unterhaltung. Ach, und Bruder Shallard, natürlich. Komm, Charley.«

Charley war, ebenso wie die anderen Diakone, hinter Bruder Bains in die Küche verschwunden. Es gab ein hohles Geräusch, wie wenn man einen Krug öffnet, während die Damen und die Geistlichen laut redeten und duldsam aussahen. Die Männer tauchten in der Tür auf, sich den Mund mit dem haarigen Tatzenrücken wischend.

Sinclair Lewis: Die großen Romane

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