Читать книгу Die Rabenringe - Fäulnis (Band 2) - Siri Pettersen - Страница 5

Das Loch

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»Alles, worum wir bitten, ist Seelenfrieden«, sagte Telja Vanfarinn und legte die Hand auf ihre Brust. Die Kette, die sie sich mehrfach um den Hals gelegt hatte, klirrte.

Rime musste fast lachen. Jeder hätte dieses Schmierentheater durchschaut, auch ohne in Mannfalla aufgewachsen zu sein. Ihr Kleid war kohlrabenschwarz und von dramatischem Schnitt mit bodenlangen Ärmeln. Sie trug Witwenkleider, obwohl ihr Mann quicklebendig neben ihr stand. Die Trauer war nichts als Putz. Staffage, um beim Rat, von dem sie sich auf raffinierte Weise ein Treffen erbettelt hatte, Mitgefühl zu wecken.

»Es reißt uns in Stücke, Rime-Fadri. Nicht zu wissen. Urds Tod nicht zu verstehen.«

Rime spürte, wie seine Mundwinkel zuckten. Urds Name verursachte ihm nach wie vor Übelkeit und nichts deutete darauf hin, dass das vorübergehen würde. Nicht, solange sein Stuhl leer blieb. Der war eine offene Wunde im Kreis der Ratsleute, die zurückgelehnt um den Tisch saßen. Gefährlich. Entzündet. Unmöglich als Gesprächsgegenstand, ohne eine Unruhe zu riskieren, die halb Draumheim aufwecken könnte.

»Wir haben euch unser Beileid bekundet«, antwortete Rime. »Ich habe persönlich das Oberhaupt der Vanfarinns besucht. Sie weiß, was passiert ist. Du bist … die Tochter ihrer Schwester?« Er sah Telja an, die unaufgefordert näher an den Ratstisch herangetreten war.

»Rabenträger, unsere Mutter ist alt«, sagte Telja und strich um die Frage wie die Katze um den heißen Brei. »Ihr Gedächtnis ist nicht mehr das, was es einmal war. Du hast uns mit dem Besuch bei ihr geehrt, aber … Einige Dinge, von denen du ihren Worten nach erzählt hast, die sind … Nun ja …« Telja rückte die Halskette zurecht.

»Unglaubwürdig«, ergänzte Darkdaggar. »So unglaubwürdig, dass wir davon ausgehen müssen, dass die Familie von dem Mann eine Bestätigung verlangt, der dabei war, als Urd starb.«

Rime hatte den Angriff zwar vorausgesehen, aber nicht damit gerechnet, dass er so offen geäußert würde. Er schaute den Ratsherrn an. »Hast du vor, mich vor das Thing zu bringen, Darkdaggar?«

»Keineswegs, Rabenträger. Die Familie Vanfarinn wünscht nur, dass die Sache aus der Welt geschafft wird.« Darkdaggars Lächeln wirkte wie tot. Das Licht strich über sein Gesicht. Machte ihn blutleer, trocken. Ein scharfer Kontrast zu den goldenen Wänden hinter ihm. Sie waren in Paneele unterteilt, auf denen die Stammbäume der zwölf Familien dargestellt waren. Die Bäume verzweigten sich hinauf bis zur gewölbten Decke und gaben Rime das Gefühl, in einem Käfig zu sitzen. Der Stuhlrücken fühlte sich wie eine Wand hinter ihm an, klemmte ihn am Tisch fest.

Er war gefangen, an einen Platz gebunden, der sich nie wie sein eigener anfühlen würde. Der Stuhl gehörte Ilume, der Mutter seiner Mutter. Und er hatte geschworen, nie dort zu sitzen. Aber hier saß er. Ratsherr. Rime-Fadri. Rabenträger. Umgeben von Feinden, die jeden wachen Augenblick nutzten, um seinen Sturz vorzubereiten.

»Aus der Welt?« Sigra Kleiv verschränkte die kräftigen Arme vor der Brust. »Urd wurde auf Ravnhov umgebracht und solange die Wilden dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden, wird diese Angelegenheit nie ein Ende finden.«

Rime spürte, wie die Wut in ihm wuchs. Er musste sich dazu zwingen, sitzen zu bleiben. »Ich sage es jetzt zum letzten Mal, Sigra. Der Krieg findet nicht statt. Begreif das endlich. Ravnhov kann nicht vors Thing gezerrt werden für das, was die Blinden getan haben.«

Sigra holte für einen Widerspruch tief Luft, doch Darkdaggar kam ihr zuvor.

»Schon möglich, aber auch die Blinden können wir nicht vors Thing zerren, oder etwa doch?« Er nahm einen Schluck aus dem Weinbecher, während sich Gelächter am Tisch verbreitete.

Rime guckte Telja Vanfarinn an. Ihre Wangen liefen vor Eifer rot an. Sie konnte den Stimmungsumschwung im Raum riechen. Das machte sie kühner. Die Maske der Trauer fiel.

»Das hätten wir vielleicht gekonnt, wenn es sich nicht so verhielte, dass niemand sie gesehen hat.« Sie lächelte.

Rime stand auf. »Niemand?«

Teljas Lächeln erlosch. Sie schaute Darkdaggar flehend an. Rime war nicht überrascht. Darkdaggar hatte ihren Besuch bewilligt und Rime nahm an, dass sie im Voraus viele Gespräche über dieses Treffen geführt hatten. Wie viele Angriffsmöglichkeiten sie ersonnen hatten, blieb abzuwarten.

»Nimm es nicht persönlich, Rabenträger«, meinte Darkdaggar. »Telja spricht nur aus, was wir alle wissen. Das Auffälligste an den Totgeborenen ist ihre vollkommene Abwesenheit. Wer behauptet denn, sie hätten sie gesehen? Eine Handvoll Schwarzröcke? Ist es da ein Wunder, dass die Leute von einer Wahnvorstellung sprechen? Oder von einer Vergiftung? Habt ihr vielleicht was gegessen, was euch nicht bekommen ist? Oder wart ihr … Zauberei erlegen?«

Erneut brach Gelächter um den Tisch aus. Rime ballte die Fäuste, ging auf Telja zu. Sie wich ein paar Schritte zurück. Der Kleidersaum schleifte über den Boden. Rime zeigte mit dem Finger auf sie.

»Nur aus einem einzigen Grund steht ihr in diesem Raum, nämlich weil viele hier für die Familie Vanfarinn Loyalität empfinden. Das ist bei mir nicht der Fall. Mich und meine Männer als Lügner zu bezeichnen, wird euch nichts nützen.«

Teljas Blick flackerte zwischen Rime und Darkdaggar hin und her. »Ich wollte nie … Ich habe nicht gesagt … Vernunft ist ein empfindliches Gut, Rabenträger. Man erzählt, viele starke Männer hätten sich Trolle im Nebel eingebildet, und wir …«

»Trolle im Nebel?« Rime fing ihren Blick ein, hielt ihn fest. Die Falten um ihre Augen verrieten, dass sie älter war, als er zuerst angenommen hatte. Vielleicht bezog sie daher ihren Mut. Sie wusste, dass jetzt die Stunde der Entscheidung gekommen war.

»Blut von denen, die du für einen Mythos hältst, ist von meinem Schwert getropft. Ich habe sie mit Stahl durchbohrt und gesehen, wie das Leben aus ihren weißen Augen gewichen ist, habe ihren Atem gespürt, ihr Knurren gehört. Und ich habe den Gestank von den Scheiterhaufen gerochen, als wir sie verbrannt haben. Ein Geruch, der dich bis nach Draumheim verfolgen würde, Telja.«

Das Lachen war verstummt. Telja schluckte und senkte den Blick.

»Im Namen des Sehers«, kam es von Darkdaggar. »Müssen wir es wirklich so dramatisieren? Die Familie bittet nur um eine Linderung der Wunde. Sie haben einen Ratsherrn verloren, Rabenträger.«

Jeder Blick im Raum fiel auf den leeren Stuhl. Es gab keinen Zweifel, worin die Linderung bestehen sollte.

Rime schaute wieder Telja an. »Ist das so? Würde dir der Stuhl die Antworten geben, nach denen du dich sehnst? Würdest du aufhören, dich zu fragen, wie er starb, wenn einer von euch an diesem Tisch säße?«

Telja zögerte, besaß aber genug Schamgefühl, um den Kopf zu schütteln.

»Selbstverständlich nicht«, sagte Darkdaggar. »Doch es wäre zumindest eine Garantie, dass Urd nicht wegen des Platzes das Leben genommen wurde.«

Schweigen breitete sich aus. Der Tötungsvorwurf war offenkundig und noch dazu von außen in den Rat hineingetragen worden. Rime schaute sie alle der Reihe nach an. Die Männer und die Frauen, die drei oder vier Mal so alt waren wie er. Sie blieben stumm. Die meisten, weil sie Darkdaggar unterstützten. Einige wenige andere, weil sie alles nicht noch schlimmer machen wollten.

Telja Vanfarinn machte einen Schritt auf Rime zu. »Rabenträger, du musst uns vergeben, wir sind vor Trauer ganz durcheinander! All das Gerede über Blinde und Steintore … Für uns ist das mehr als unbegreiflich. Niemand hat Beweise gesehen für …«

»Unsinn!«, unterbrach Jarladin. »Ein voll besetzter Ritualsaal sah, wie sich die Schwarzröcke durch die Tore sprengten, sodass die Wände einstürzten. Wenn du Beweise brauchst, dann kannst du unten am Hafen Trümmerteile der roten Kuppel kaufen!«

Telja ergriff gierig die Gelegenheit, als sei dies eine Verhandlung. »Ein voll besetzter Ritualsaal bedeutet jede Menge nicht übereinstimmende Geschichten, Jarladin-Fadri. Vergib uns, wir waren nicht dabei. Wir haben nur gehört, dass das Gebäude erschüttert wurde. Einige sagen, die Kuppel habe die Wände geschwächt. Andere sagen, die Erde habe gebebt.«

Darkdaggar verschränkte die Hände hinter dem Nacken. »Was für eine Tragödie, dass wir euch nicht beruhigen können. Es wäre so ungeheuer einfach gewesen. Aber die Wahrheit ist, dass die Tore nun wieder so tot sind, wie sie es tausend Jahre lange waren, habe ich nicht recht, Rabenträger?« Er sah Rime an, ohne zu lächeln. Nur seine Augen verrieten den Siegesrausch.

Rime biss die Zähne zusammen. Das hier war zu weit gegangen. Er hatte die Tür nur einen Spalt geöffnet und jetzt würden sich die Wölfe hereinzwängen. Diplomatie würde ihn nicht mehr weiterbringen.

»Die Leute können reden, bis sie im Draumheim verfaulen«, sagte er. »Geredet wird immer viel. Das ändert nichts. Ich war dort. Ich weiß, was passiert ist. Urd hat sich seinen eigenen Scheiterhaufen gebaut. Er war ein verrückter Hund.«

Sigra seufzte laut auf. Ein Funke flammte in Teljas Augen auf. Nur mit knapper Not konnte sie sich ein Lächeln verkneifen. Sie griff nach einem schwarzen Bündel, das ihr Mann trug, und hielt es hoch. Es war ein Kittel, den jemand zerschnitten hatte. Auf der Brust, wo das Zeichen des Sehers sonst saß, war nur ein Riss zu sehen. Ein klaffendes Loch über dem Herzen.

»Der gehörte einem Schriftgelehrten, Rabenträger. Sie sahen, wie er auf die Ora hinausging, wo das Eis dünn war. Seitdem hat ihn niemand mehr gesehen. Sie sagen, er habe den Verstand verloren und dass er nicht der Erste sei. Ich gebe zu, Urd war eigenartig, Rime-Fadri, aber verrückt war er nicht. Vielleicht hat der Verlust des Sehers ihn in die Schwermut getrieben? Vielleicht hat er aus dem Grund so gehandelt, wie er es tat. Und so gesehen kann man vielleicht sagen, das Ganze war … Nun ja …«

Rime traute seinen Ohren kaum. Er sah sie an. »Meine Schuld?«

Sie biss sich auf die Lippe, maß ihn mit den Augen.

Ihm war übel. Er starrte auf den Kittel. Das Loch drohte ihn in sich hineinzuziehen, ihn bei lebendigem Leib zu fressen. Ein dunkles Nichts.

Er ging auf Telja zu. Ihr Mann streckte einen Arm aus, um sie zu beschützen. Ein hilfloser Reflex. Rime packte sein Handgelenk und drängte ihn zurück, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Telja raffte die Röcke, als mache sie sich zum Weglaufen bereit.

Rime lehnte sich vor. »Urd tötete Ilume, als ich danebenstand. Die Mutter meiner Mutter. Er brach die Rabenringe auf, ließ die Totgeborenen nach Ymsland, in den Wahnsinn getrieben von seinem eigenen Blindwerk. Nein, ich habe ihn nicht getötet. Aber ich kann dir versprechen, wenn ich die Gelegenheit dazu gehabt hätte, dann hätte ich es getan, ohne mit der Wimper zu zucken. Schau dir den Stuhl jetzt nur gut an, Telja, denn du wirst ihn nie wiedersehen.«

»Schluss!« Sigra schlug mit der Faust auf den Tisch. Leivlugn Taid neben ihr zuckte zusammen, dass sein Doppelkinn nur so wabbelte. Sein Becher fiel um. Der alte Mann hatte während der Versammlung gedöst und ihn kaum angerührt. Dunkler Wein überschwemmte die Tischplatte. Stühle schabten über den Boden, als alle aufstanden, um ihre Kittel in Sicherheit zu bringen.

»Diese Versammlung ist beendet«, sagte Rime. Er riss die Altantüren auf und trat hinaus in die Kälte, atmete den Frost tief in die Lungen ein. Er ging auf die Brücke und blieb stehen. Er stand auf einer der ältesten Brücken von Eisvaldr. Sie hatte einmal in den Ritualsaal geführt. Jetzt ragte sie in die Luft wie eine steif gefrorene Zunge. Geschnitzte Schlangen hingen über den Rand, als klammerten sie sich fest. Rime merkte, dass er das auch tat, und ließ das Geländer los. Es war mit weißem Raureif bedeckt. Seine Hände hatten einen Abdruck hineingeschmolzen.

Auf der Erde darunter stand der Rabenring. Bleiche Steinstelen, die ihren ersten Winter sahen, nach tausend Jahren verborgen in den Wänden. Sie waren tot. Unbrauchbar. Er hatte ganze Nächte damit verbracht, vor ihnen zu umarmen. Die Gabe hervorzupressen, bis seine Schläfen zu zerplatzen drohten, aber die Tore hatten sich geweigert, sich ihm zu öffnen. Genauso gut hätte es ein Traum gewesen sein können, dass sie es getan hatten. Darkdaggar hatte die Wahrheit gesagt. Die Tore waren seit dem Tag erloschen, an dem sie gegangen war. Wie alles andere auch.

Er hörte schwere Schritte hinter sich. Jarladin stellte sich neben ihn und starrte auf das Ende der Brücke. »Wenn du einfach weitergehen würdest, könntest du ihnen die Mühe ersparen«, sagte er. Der Wind spielte mit seinem weißen Bart.

Rime lachte kurz auf. »Das Vergnügen gönne ich keinem von ihnen. Wenn sie meinen Tod wollen, dann müssen sie das schon selbst in die Hand nehmen.«

Jarladin seufzte. »Du hast all deine Karten ausgespielt, Rime. Du kannst sie nicht mehr überlisten. Nicht, wenn du nicht in Ketten auf dem Thingplatz aufwachen willst. Darkdaggar hat das Maß überschritten, aber du versuchst noch nicht einmal, sie zu einen. Wenn du den Hass nicht ablegst, dann wird er dich wie uns zu Fall bringen.«

Rime hätte gern gesagt, dass er niemanden hasste, aber das wäre gelogen gewesen. Er hasste sie, weil sie unter einem falschen Seher regiert hatten. Hasste, wie sie die Wirklichkeit nach ihrem Willen zurechtbogen. Hasste die Intrigen, die Lügen. Die bittere Wahrheit war, dass niemand am Tisch ein anderes Ziel mit seinem Stuhl verfolgte, als auf ihm sitzen zu bleiben.

Jarladin klopfte Rime auf den Rücken, als tue er ihm einen Gefallen. »Außerdem hatten sie nicht ganz unrecht. Mehrere Schriftgelehrte haben uns verlassen und das wird Folgen haben.«

»Hat dir noch niemand erzählt, dass du es den Leuten nicht verbieten kannst, dich zu verlassen?« Rime fühlte, wie nackt ihn seine eigenen Worte dastehen ließen. Er wandte den Blick vom Steinkreis ab. Schlug mit den Fäusten auf das Geländer.

»Das ist sinnlos! Sie haben es mit eigenen Augen gesehen! Sie haben gesehen, wie die Wände sich abschälten. Wie die Steine herauswuchsen. Sie wissen, dass die Blinden hier waren. Sie kennen die Wahrheit genauso gut wie ich, aber sie erheben Zweifel, weil das der Sache des Rates dient.«

Jarladin sah ihn an. »Ist es das, was dich antreibt? Recht haben? Unsinn! Du hast nie was auf deine Stellung gegeben. Wenn doch, dann würdest du deine eigene Familie stärken.«

Rime wandte sich von ihm ab. Jarladin war ein Stier von einem Mann und sein einziger Freund am Tisch. Aber das bedeutete ganz und gar nicht, dass dadurch der Umgang mit ihm einfacher war.

»Ich habe gesagt, was ich zu dieser Sache zu sagen habe. Ich bin ein Schwarzrock. Wir schwören niemandem die Treue, so lauten die Regeln.«

»Regeln, Rime? Du kannst die ganze Bibliothek durchpflügen, ohne eine einzige Regel zu finden, gegen die du nicht schon verstoßen hast. Nenne mir wenigstens einen Grund, an den ich glauben kann.«

»Hältst du mich für einen Schwachkopf? Der Rat will, dass ich eine Familie gründe, weil das euch stärken würde. Nicht mich.«

Jarladin legte ihm die Hand in den Nacken. Ein fester Griff. Wie der eines Vaters. »Rime … Das sollte ein und dasselbe sein.«

Rime schloss die Augen, hörte die Stimme des weißbärtigen Stiers im Ohr.

»Hör mir zu. Lass sie nicht in allem, was du tust, über dich bestimmen. Du bist ein Schwarzrock. Du bist Rime An-Elderin. Du bist Rabenträger, um des Sehers willen! Du kannst dich nicht von einem schwanzlosen Odinskind lenken lassen, das niemand wiedersehen wird. Benutz deinen Verstand, Junge! Wenn du dem Volk Hoffnung vermitteln und diesen Rat zusammenhalten willst, dann such dir eine Frau. Feier ein Fest. Zeig ihnen, dass die Familien stark sind. Und wenn du dich unbedingt gegen sie auflehnen musst, dann such dir eine außerhalb der Ratsfamilien. Nutze diese Gelegenheit, um Norden und Süden zu vereinigen. Das ist es doch, was du willst. Nimm dir ein Mädchen aus dem Norden. Ich weiß, dass sich Sylja Glimmeråsen nicht beschweren würde.«

Jarladin wartete eine Antwort nicht ab. Er ließ Rime los und begab sich zurück zum Ratssaal. »Die Steine sind tot«, rief er. »Aber wir leben noch!« Er ging wieder in den Ratssaal und schloss die Tür hinter sich.

Rime blieb stehen, schwer vor Widerwillen. Die Kälte fraß sich in seine Finger. Er schob die Hand in die Tasche und holte den Rabenschnabel heraus. Hlosnian hatte ihn auf dem Bromfjell aufgehoben. Bevor das Feuer die Steine verschlang. Das war alles, was von Urd noch übrig war. Ein Schnabel. Nicht einmal der Steinflüsterer kannte seinen Sinn und Zweck.

Er sah finster aus, fremd. Die beinerne Farbe wurde zur Spitze hin allmählich schwarz. Getrocknetes Blut klebte noch immer in den Rissen.

Rime spürte das Gewicht des Schnabels in seiner Hand. Er war schwerer, als die Größe vermuten ließ. Es überlief ihn kalt. Dennoch fühlte er sich zugleich angezogen. Der Schnabel war das Einzige, was sich wirklich anfühlte, was ihm das Gefühl gab, dass es tatsächlich passiert war und dass das hier nur der Anfang war.

Die Rabenringe - Fäulnis (Band 2)

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