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Lisa: Surprise

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Es war eine anstrengende Woche gewesen, aber die Arbeit tat mir gut. Langsam ging es mir anscheinend besser, denn wenn ich jetzt an der Rezeption vorbeiging, sah ich nicht mehr Nicole und Gabriel dort stehen.

Ja, na gut, natürlich überkam mich noch mehrmals täglich Liebeskummer, aber meistens war ich zu abgelenkt.

Es war Freitag geworden und der Feierabend nahte. Zum Glück übernahm die Nachsorge für die Frauen, die über Nacht bleiben mussten, eine andere Klinik.

So hatte ich das Wochenende frei.

Durch den Feierabendverkehr quälte ich mich zum Supermarkt und kaufte ein. Zuhause stellte ich gerade meine Joghurts in den Kühlschrank, als es an der Tür klingelte. Ob das noch die Post war? Aber für gewöhnlich wurden Pakete beim Nachbarn abgegeben. Der wohnte im Erdgeschoss und war schwer begeistert davon, die Poststelle des ganzen Hauses zu sein.

Ich öffnete die Tür und hob die Hand hoch zur Gegensprechanlage, aber sie erstarrte. Der Besucher war nicht unten an der Haustür, sondern stand schon oben bei mir. Es war Gabriel, der schelmisch grinste.

„Was ... äh ... wie ...“

„Surprise, Surprise!“, lachte er.

Mir zuckte ein heißer Blitz durch den Körper, als ich sein lächelndes Gesicht sah. Ja, es war alt und teilweise verlebt, aber es war immer noch mein Gabriel, mein attraktiver Charmeur, mein Seelenverwandter. Mein Herz machte einen Sprung, bevor mir einfiel, dass er ja gar nicht mein Gabriel war.

„Willst du mich nicht reinlassen? Ich bin über vier Stunden durch die Gegend gegurkt, nachdem ich feststellen musste, dass in deiner alten Wohnung jemand anderes wohnt.“

„Wie ... wie hast du mich denn gefunden?“

„Das Einwohnermeldeamt war noch offen.“

„Oh ...“

„Und? Darf ich reinkommen?“ Er hob beschwichtigend die Hände, als er mein Zögern bemerkte.

„Ich weiß, ich weiß, ich habe mich ewig nicht mehr gemeldet, und das tut mir auch total leid, wirklich. Du kannst dir nicht vorstellen, was für Probleme es bei der Produktion gab. Dann wurde ich mit Verdacht auf Herzinfarkt ins Krankenhaus gebracht, es war ein einziges Chaos.“

Mein Verstand brüllte mich an, die Tür vor der grinsenden Visage zuzuschlagen, aber ich hörte auf mein schwaches, doofes Herz und trat beiseite. Er kam herein. Er wirkte so fit und schick wie eh und je. Ein dunkles Seidenhemd unter einem weißen Jackett und schwarze Jeans. Anziehen konnte sich der Knabe wirklich.

„Schön hast du es dir wieder gemacht. Ach, das Bild mit der Orchidee hast du auch noch, super. Aber die Wohnung ist etwas kleiner, oder? Wieso bist du denn weggezogen?“

„Ach, der Job hier ist besser“, stammelte ich. Mein Hirn weigerte sich, zu begreifen, dass Gabriel wieder da war.

„Soso. Aber wieso hast du mir denn nichts gesagt, hm?“ Er wedelte streng mit dem Zeigefinger.

„Du hast dich nicht gemeldet...“

„Ja, leider. Aber der Stress, der Stress! Ich bin dann immer schlecht gelaunt, das kann ich doch nicht an meiner Süßen auslassen?“ Er kam näher und strich mir zärtlich über die Wange. Es ging mir durch und durch. Aber ich verschränkte die Arme vor der Brust und trat einen Schritt zurück.

„Was ist mit Nicole?“, fauchte ich. Das Strahlen in seinem Gesicht erlosch.

„Woher kennst du denn Nicole?“, fragte er verblüfft. In seinen Augen stand Alarm.

„Das ist keine Antwort! Du hast eine Freundin, und ich bin doch nur eine Bumsnudel für dich!“, rief ich. Leider traten mir Tränen in die Augen. Ich hasste es, vor Männern zu weinen. Sie hielten mich dann für schwach.

Er verdrehte die Augen theatralisch gen Himmel und hob resigniert die Hände.

„Nicole ist meine Schwester! Sie wohnt im Moment bei mir. Ihr Mann hat sie vor einem halben Jahr nach siebzehn Jahren Ehe einfach verlassen. Sie ist depressiv geworden und hatte Schlaftabletten geschluckt. Es geht ihr aber schon besser. In ein paar Monaten wird sie ausziehen.“

Ich riss die Augen überrascht auf. Seine Schwester? Sofort stand mir die liebevolle Szene in der Klinik wieder vor Augen: Die Umarmung, der Kuss auf die – ja, stimmte ja! – die Stirn, nicht den Mund! So hätte man auch seine Schwester in Empfang nehmen können, nicht nur die Ehefrau oder Freundin!

Er verfolgte aufmerksam, welche Emotionen über mein Gesicht huschten. Mein Zorn wich der Scham. Mir fielen auf einmal all die Streiche ein, die ich den beiden gespielt hatte. Und – Oh mein Gott! Die DVDs! Ich presste die Finger gegen meine Schläfen und rieb sie heftig. Jetzt hatte diese arme, verlassene und schwer depressive Frau auch noch Filme über untreue Männer bekommen!

Gabriel kam zu mir und legte die Arme um mich.

„Dummes Schätzchen, dummes, dummes Schätzchen“, murmelte er liebevoll. Ihn endlich wieder zu spüren, zu riechen ...

Ich zitterte und lehnte mich an ihn.

Wechselbad und Scherbenhaufen

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