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Feuerwerk und Kräuterkunde mit Aiden und Mila
ОглавлениеGregory fuhr mit der Subway zu seinem Treffen mit Aiden. Er setzte seine Headphones auf und tauchte für kurze Zeit in seine Lieblingsmusik von Articolo31 ein. „Domani smetto“, was so viel hiess, wie „Morgen höre ich auf.“ Fragte sich nur, womit? Wie auch immer, er fühlte sich sofort besser, wenn er die Musik von dieser Gruppe hörte, ganz egal, was gerade in seinem Leben abging. Inzwischen hatte er das Starbucks an der Mainstreet erreicht und musste überrascht feststellen, dass Aiden zusammen mit Mila an der Theke sass. Beide hatten einen riesigen Frappuccino vor sich.
Er bestellte sich einen Kaffee. Seit er Greyson und Leyla zusammen gesehen hatte, war ihm die Lust auf Süssigkeiten vergangen. Eigentlich hätte er lieber einen Grappa bestellt, aber das war hier in Kanada leider kein Thema, wenn man nicht über 21 war.
Er setzte sich neben Aiden und warf seinen Rucksack auf den Boden. Aiden nickte ihm zu, sagte aber kein Wort. Es herrschte ein unangenehmes Schweigen.
Gregory räusperte sich. „Ich dachte es wäre besser, wenn man uns nicht zusammen sehen würde. Also, was tut sie hier?“ Er deutete auf Mila.
Sie hob die Hand zum Gruss und zog geräuschvoll an ihrem Strohhalm. Aiden zuckte gleichgültig die Schultern; „Sie gehört zu mir, gewöhn dich besser daran, dass sie dabei ist. Du kennst sie sicher schon, da sie in deiner Klasse ist.“
„Klar kenne ich sie, sie ist die wortkarge Einzelgängerin, die in meiner Klasse ist und manchmal mit Natalie rumhängt. Das erklärt aber noch lange nicht, was sie hier macht. Ist sie deine Freundin?“
Mila sah ihn aus halb geschlossenen Augen an und schlürfte ungerührt ihren Frappuccino.
Aiden lachte. „Sie gehört zu meinem Klan, sie ist eine Akando.“ Zum ersten Mal fiel Gregory das Tattoo an Milas Oberarm auf. Er hatte es bis dahin nicht bemerkt. Sie trug ein schwarzes Tank Top und eine Cargo Hose mit Tarnmuster. Ihr Tattoo zeigte einen Kreis mit einem Blatt darin.
„Was beherrscht du für ein Element, die Topfpflanzen?“
Er lächelte sie spöttisch an.
Mila erwiderte nichts, sie sah ihn nicht einmal an und zog weiterhin mit schlürfenden Geräuschen an ihrem Strohhalm. Gregory war leicht entnervt, zuerst Leyla und Greyson und jetzt diese beiden hier. Er bereute bereits, auf Leyla gehört zu haben und überlegte sich gerade, wieder abzuhauen, als ihn Aiden mit bestimmtem Griff zurückhielt.
„Du gehörst wohl nicht gerade zu der geduldigen Sorte, was, mein Freund?“
Er legte ein paar Scheine auf die Theke und machte eine Kopfbewegung in Milas Richtung.
Sie griff sich ihre Umhängetasche, die in denselben Tarnfarben gehalten war wie ihre Hose und ging Richtung Ausgang. Gregory beschlich das Gefühl, bei einer militärischen Übung dabei zu sein und es war kein sonderlich gutes Gefühl. Aiden stand auf und folgte Mila nach draussen. Gregory blieb nichts anderes übrig, als sich den beiden anzuschliessen. Ohne ein Wort gingen sie vor ihm her und bogen in die nächste Seitenstrasse ein. Aiden holte einen Schlüsselbund aus seinem Rucksack und schloss einen schwarzen Mustang auf, der auf der anderen Strassenseite parkte. „Steigt ein!“, sagte er zu Gregory und Mila.
Mila kletterte auf den Rücksitz und Gregory setzte sich neben Aiden. Er liess den Motor aufheulen und augenblicklich ertönte ohrenbetäubende Rockmusik. Ein Gespräch war bei diesem Getöse unmöglich. Also fuhren sie schweigend davon. Gregory schaute in den Rückspiegel, sie waren schon eine tolle Truppe. Seine Nase war immer noch übergross und der Bluterguss war inzwischen gelb violett und zog sich bis zu seinen Wangenknochen hin. Seine Haare sahen aus wie nach einem Sturm und er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
Aiden sah heute mehr denn je aus wie ein Punk.
Seine Stachelhaare, das schwarze Muskelshirt und zum ersten Mal fiel Gregory auf, dass er einen etwas dunkleren Teint hatte. Er hatte etwas Indianisches, Wildes an sich. Er kreuzte Milas Blick im Rückspiegel. Sie drehte eine ihrer Haarsträhnen zwischen den Fingern und beobachtete ihn. Er sah schnell wieder weg. Sie fuhren wohl durch eine Gegend, in der viele reiche Leute wohnten. Die Häuser sahen teuer aus und die Gärten waren gepflegt. Sie waren etwa zwei Stationen von der Main Street entfernt, in der Nähe von Chester, als Aiden in eine Einfahrt einbog und durch ein eisernes Tor in eine riesige parkähnliche Anlage fuhr. Am Ende der Einfahrt stand ein villenähnliches grosses Haus. Er bremste mit quietschenden Reifen und stellte den Wagen vor dem Haus ab.
Irgendwie passten weder Aiden noch Mila in diese Gegend.
Sie stiegen aus und Aiden stellte sich zwischen Gregory und Mila, er legte jedem eine Hand auf die Schulter und zog sie mit sich.
„Denke, die Luft ist rein, mein Alter ist mit seiner neuen Eroberung auf die Bahamas geflogen und wir können ungestört üben.“ Gregory sah ihn fragend an. „Soll das heissen, deine Eltern sind nicht da?“
Aiden wiegte den Kopf. „Das soll heissen, dass meine neue Stiefmutter etwa genauso alt wie ich ist. Nein, ohne Scheiss, ich glaube, sie ist schon 21, ich habe sie nämlich schon öfter besoffen gesehen. Gestern Abend hat sie mich wohl mit meinem Alten verwechselt, als sie mir an die Wäsche wollte.“
Gregory gab sich Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie betroffen er war. Aiden musste aus einer arg zerrütteten Familie stammen. Daran konnte auch der zweifelsohne vorhandene Wohlstand nichts ändern. Wahrscheinlich war Aiden so desillusioniert und enttäuscht von seinem Vater, dass er deshalb so abgebrüht wirkte.
„Wo ist denn deine Mutter? „fragte er ihn vorsichtig.
„Meine Mutter ist tot, mein Vater hat sie auf dem Gewissen.“, erwiderte Aiden gepresst, voll unterdrückter Wut.
Gregory bewunderte Aiden für seine Selbstbeherrschung und seine Kontrolle. Er hätte längst das ganze Anwesen abgefackelt, wenn er so wütend gewesen wäre.
Mila schlenderte zu ihnen hinüber. „Aidens Mom war zur Hälfte Navarro Indianerin und ist auf den falschen Typen reingefallen. Das kann schon mal passieren in unseren Kreisen. Sie fiel dann der Mafia zum Opfer und nun ist sie tot.“
Gregory musste an seine eigene Mutter denken, die er nie gekannt hatte.
„Sie war eine Heilerin, wie ich“, fuhr Mila fort.
„Ich bin nämlich nicht, wie du in deiner Unwissenheit angenommen hast, die Herrscherin über die Topfpflanzen, sondern ich beherrsche das Element Erde.“
Sie zog ein Fläschchen mit einer giftgrünen Flüssigkeit aus ihrer Umhängetasche und gab es Gregory.
„Trink das. Es könnte etwas brennen, aber du bist ja ein starker Krieger.“ Er schüttelte den Kopf. „Warum sollte ich dieses Zeugs trinken?“ Mila sah ihn mitleidig an. „Och, der grosse Krieger hat Angst, dass die Topfpflanzen-Herrscherin ihn vergiften könnte.“ Sie machte ihn wütend und er trank das ganze Fläschchen mit einem Zug aus, der würde er es zeigen. Er war kein Feigling. Es brannte wie Feuer.
Er hielt die Hand an seine brennende Kehle. „Was zum Teufel hast du mir gegeben, du Irre? Willst du mich etwa umbringen?“
„Ach du bist ja wirklich total charmant und süss, genau wie Natalie immer sagt.“ Sie sah ihn böse an. „Das ist eine Mischung aus zerriebenem Bergkristall, getrocknetem Lavendelpulver und Salicis cortex oder der gemeinen Weidenrinde.“ Gregory stöhnte. „Gemeine was? Sprichst du etwa von dir?“
Sie ging, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, an ihm vorbei. „Undankbarer Idiot“, murmelte sie vor sich hin.
Plötzlich fiel Gregory auf, dass sein Gesicht nicht mehr wehtat. Mila reichte ihm einen kleinen Spiegel aus ihrer Tarntasche und es war unfassbar, die Schwellung war fast vollständig zurückgegangen und auch der Bluterguss war beinahe verschwunden. Nur noch ein leichter Schatten war zu sehen. Er sah beinahe wieder unversehrt aus.
„Wie hast du das gemacht? Das grenzt ja an Zauberei?“
Sie lächelte selbstsicher. „Ach, das war eine meiner leichtesten Übungen. Wie bereits erwähnt bin ich eine Heilerin.“
Gregory war zu verblüfft, um eine schlaue Entgegnung vorzubringen.
„Wo ist eigentlich Aiden?“, fragte er.
„Oh, keine Sorge, er versinkt jedes Mal, wenn sein Vater nicht hier ist, für eine Weile in seiner Depression und sitzt dann an der früheren Kraftstätte seiner Mutter. Es dauert immer ein wenig, bis er sich wieder einkriegt.“
„Warum, wohnt er denn nicht hier?“
„Nein, sein Vater und er haben grosse Probleme seit dem Tod von Aidens Mutter. Er macht seinen Vater für den Tod seiner Mutter verantwortlich, und dass sich sein Vater mit der fast gleichaltrigen Jaqueline eingelassen hat, entschärft die Situation nicht wirklich.“
Sie lachte verächtlich. “Sein Vater ist ein hohes Tier in der Politik, momentan kandidiert er sogar für das Amt des Bürgermeisters. Er war ursprünglich Anwalt und man munkelt, dass er mit der Mafia zu tun hat.“ Sie fügte hinzu: „Aiden hasst seinen Vater mehr als alles andere.“
Sie gingen ins Haus und Gregory sah das Namenschild an der Tür. Bisher hatte er sich noch keine Gedanken über Aidens Nachnamen gemacht, Grande war ein geläufiger Name in Italien und es gab auch viele Immigranten, die sich in Amerika angesiedelt hatten. Aber er hatte irgendwie einmal ein Gespräch seiner Stiefeltern mitgekriegt, bei dem es um einen korrupten Richter Grande ging. War wohl kein Zufall. Sie betraten das Innere des luxuriösen Hauses, das im südeuropäischen Stil erbaut war.
Es war alles in Weiss gehalten, die hohen Räume und die Säulen mit den Bögen, die das Wohnzimmer und die Galerie säumten. Sie durchquerten das Wohnzimmer, das an eine offene Küche grenzte und aussah wie aus einem Hochglanzmagazin für Architektur. Leider fehlte die Wärme gänzlich im Inneren des Hauses, es wirkte alles kalt, ja schon fast steril.
Sie traten auf die Veranda hinaus, die von einem grossen nierenförmigen Pool dominiert wurde.
Aiden sass auf der anderen Seite des Pools mit verschränkten Beinen am Boden und sein Blick war auf eine kreisförmige Ansammlung von verschieden grossen Steinen gerichtet, in deren Mitte mehrere violette Blumen, die in der Mitte gelb waren, wuchsen.
Mila erklärte Gregory, dass diese Blumen die Lieblingsblumen von Aidens Mutter gewesen waren und dass dies ihr ehemaliger Kraftort war, da auch sie das Element Erde beherrscht hatte.
Aiden hörte sie kommen und drehte sich um, er schien sich inzwischen wieder beruhigt zu haben.
„Fangen wir an, Leute“, sagte er. „Wir haben noch viel Arbeit vor uns, da du ein Neuling mit den Elementen bist, hast du noch viel vor dir, Gregory. Wie steht es eigentlich mit deiner Herkunft, hast du deine Geburtsdecke jemals gesehen?“ Gregory zögerte mit der Antwort und dachte an das, was Leyla ihm gesagt hatte. Was sollte er tun? Aiden deutete sein Zögern als Verneinung und zeigte auf die violetten Blumen. „Meine Mutter war eine Heilerin wie Mila und diese Blume gab ihr besonders viel Kraft. Man nennt sie Echinacea purpurea, der Sonnenhut, und es wird ihr eine starke Wirkung auf das Immunsystem nachgesagt und noch andere Eigenschaften, die leider nur meine Mutter kannte. Ihr Wissen starb mit ihr und Mila versucht nun, in ihre Fusstapfen zu treten.“
Mila nickte. „Ja, das stimmt, nur bei der Männerauswahl werde ich wohl etwas vorsichtiger sein müssen“, sagte sie nachdenklich. Aiden sah traurig und verletzt aus, als würde er sein Innerstes offenbaren. Seine kühle grimmige Maske war völlig verschwunden. Er zeigte heute sein wahres Ich. Ein verletzter, enttäuschter Junge, der wütend auf die ganze Welt war.
Gregory sah ihn an und er konnte einfach nicht anders, er musste ihm die Wahrheit sagen.
Er setzte sich zu ihm und legte ihm die Hand auf den Arm. „Ich muss dir etwas sagen, Aiden.“
Dann erzählte er ihm alles, was er wusste, was leider nicht allzu viel war. Er erzählte von seiner toten Mutter, deren Namen er nicht einmal kannte, und von der Decke mit den vier Elementen und seinen Ausbrüchen. Die ihm in den letzten Monaten das Leben in Italien zur Hölle gemacht hatten. Er erzählte von dem Sturm, den er ausgelöst hatte, als er wütend war. Er liess keine Einzelheit aus und als er mit seinen Ausführungen zu Ende war, starrten ihn sowohl Aiden als auch Mila völlig fassungslos an. Hoffentlich hatte er keinen Fehler gemacht, dachte Gregory hilflos.
Einen kurzen Moment herrschte absolute Stille und Gregory wurde immer mulmiger. Hätte er doch bloss seine Klappe gehalten und auf Leyla gehört. Er hielt es nicht mehr aus. „Hey Leute, ihr macht mir eine Scheissangst. Nun sagt doch endlich was, so schlimm kann das doch nicht sein.“
Zu seiner Überraschung fing Aiden an, zu lachen und auch Mila lächelte erstaunt.
„Jetzt sagt schon, was los ist, verdammt.“
Aiden gab ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er sich setzen solle und sagte: „Unglaublich, wir dachten immer, dass die Geschichte von Vishu eine Legende sei. Leyla hat schon so etwas angedeutet, aber ich dachte nicht, dass etwas dran wäre.“
Er drehte sich auf die Knie und starrte Gregory aus seinen fast schwarzen Augen an, dann umarmte er ihn ungestüm Gregory verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings in den Pool. Er schlug wild um sich und kam dann prustend wieder hoch. Aiden streckte ihm die Hand entgegen, um ihn aus dem Pool zu ziehen. „Tut mir leid, ich wollte nicht so ungestüm sein, aber es ist einfach unfassbar. „
Er zog ihn aus dem Wasser. „Es ist deine Lebensaufgabe, uns gegen die korrupten Akandos, allen voran mein Vater, anzuführen. So wurde es vorausgesagt.“
Gregory war nass bis auf die Knochen, er schüttelte den Kopf und das Wasser spritzte in alle Richtungen. „Was faselst du da, ich habe keine Ahnung, was du meinst. Wie soll ich das denn anstellen?“ Aiden grinste ihn an. „Keine Sorge, Bruder, das kriegen wir schon hin. Komm, wir suchen dir zuerst etwas Trockenes zum Anziehen.“ Mila stand beim Pool und strahlte Gregory ehrfürchtig an.
Hoppla, dachte er. Die beiden schienen ja neuerdings zu seinen Fans mutiert zu sein. Er folgte Aiden ins Haus, mit jedem Schritt gab er durch seine nassen Kleider ein Quietschen von sich. Klitsch, Klatsch, Klitsch, Klatsch, er zog eine Wasserschneise durch das ganze Wohnzimmer.
Gregory kam sich ziemlich dämlich vor in den Ersatzkleidern. Er sah aus wie ein Pseudo Punk.
Aiden hatte ihm ein schwarzes T-Shirt gegeben, das der Grösse nach ohne Zweifel seiner jugendlichen Stiefmutter gehören musste. Vorne trug es die Warnung „Parental Advisory – explicit content“ quer über die Brust und auf dem Rücken wurde man über eine okkulte Praxis aufgeklärt.
Es war hauteng und viel zu kurz. Es reichte ihm knapp bis zum Bauchnabel.
Dafür war die zerschlissene Jeanshose umso grösser, die wahrscheinlich Aidens Vater gehörte.
Sie sass ihm derart locker auf der Hüfte, dass er das Gefühl hatte, sie könne ihm jederzeit herunterfallen. Gürtel hatte er leider keinen gefunden.
Blieb nur zu hoffen, dass ihn niemand so sah. Aiden hatte seine Kleider in den Tumbler geworfen, also blieb ihm die Hoffnung, dass er nicht in diesem Aufzug den Heimweg antreten musste.
Wahrscheinlich hätte sogar Rogan, der Hund, einen Lachanfall gekriegt, wenn er ihn so gesehen hätte.
Hoffentlich trockneten auch seine Schuhe schnell in der Sonne.
Er ging zurück zu Aiden und Mila, die immer noch am Pool sassen und die Füsse ins Wasser baumeln liessen. Als Gregory an geschlurft kam in seinem Outfit, lachte Mila. „Mein Gott, siehst du scharf aus.“
Und Aiden sagte: „Ja, ich glaube, meine Stiefmutter trägt das Shirt zum Schlafen, um meinen Vater scharf zu machen.“ Gregory fand das Ganze nicht besonders lustig. „Und wem, verdammt nochmal, gehört diese Hose?“, er zerrte an der zu grossen Hose, „Deiner Oma?“
„Nö, die gehört meinem Alten.“
„Na, toll.“ Gregory war nicht gerade begeistert. „Ok Leute, können wir jetzt mit dem Training anfangen und kann mir mal jemand erklären, wie ich euch überhaupt helfen soll, wenn ich das Zeugs unter Kontrolle habe?“
„Alles zu seiner Zeit“, sagte Aiden. Er schien ganz entspannt im Gegensatz zu Gregory.
„Komm her und setz dich zu uns, wir fangen mit dem Feuer an, da dies mein Element ist. Mila wird dir bei der Erde helfen und den Rest müssen wir noch überlegen, wie wir das bewerkstelligen wollen. Erstmals sind wir froh, dass es dich gibt und dass wir wieder hoffen können.“
Gregory setzte sich vorsichtig zwischen die beiden und krempelte die breiten Jeansbeine bis zu den Knien hoch.
Gregory wandte sich an Aiden. „Also, nun sag mir, was ich tun muss und warum das so wichtig ist für euch. Mir ist eigentlich nur wichtig, dass ich nicht mich und andere in Gefahr bringe als der Pyromane, der ich zurzeit bin. Bevor ich anfange, mit euch zu üben, muss ich wissen, auf was ich mich einlasse, wenn ich euch zu helfen versuche.“
Aiden nickte. „Das scheint mir nur fair zu sein.“
Mila starrte ihn ehrfürchtig an. Seit sie das mit den 4 Elementen gehört hatte, war sie nicht mehr dieselbe. Ihr Verhalten ihm gegenüber hatte sich völlig verändert. Sie himmelte ihn richtiggehend an. Es war schon beinahe unheimlich.
Aiden holte Luft und fing an: „Als erstes musst du wissen, dass unser Stamm, damit meine ich alle Onendas, grundsätzlich friedlich ist. Unsere Fähigkeiten wurden immer nur für Gutes eingesetzt. Als Hilfe und niemals nur zu eigennützigen Zwecken. Der Stamm existiert schon seit mehreren hundert Jahren und besteht aus verschiedenen Klans. Wir stammen von Schamanen ab und sind vor allem in Süditalien und Kanada anzutreffen. Eigentlich ist unser Ursprung in Kanada zu finden. Während dunkler und unruhiger Zeiten wurden aber einige junge Mädchen nach Europa verschleppt. Genaugenommen nach Süditalien und Sizilien. Vielleicht gingen sie auch freiwillig mit, das weiss man nicht so genau. Dadurch entstanden die sogenannten Akandos, durch Mischehen von Onenda Mädchen mit Süditalienern oder Sizilianern.
Das heisst alle ursprünglich aus Europa stammenden Onendas sind Akandos.
Also auch du, Gregory. Du musst verstehen, dass sich die meisten Akandos absolut korrekt verhalten, leider gibt es aber eine Abspaltung. Sie nennen sich die Black Vultures, „die schwarzen Geier“, und sie arbeiten mit der Mafia zusammen. Ihre Verbrechen umfassen alles vom einfachen Diebstahl, Manipulationen über Drogen bis hin zu verabscheuungswürdigem Menschenhandel. Sie fungieren auch als Unruhestifter und zetteln Auseinandersetzungen an. Zudem missbrauchen sie ihre Eigenschaften, um Schutzgelder einzutreiben oder zur Erpressung. Sie schrecken vor nichts zurück und sind völlig machtgeil. Sie sind mächtig und einige von ihnen sind bereits jetzt in gewissen Regierungen vertreten. Es gibt auch einige korrupte Cops, sogar in unserer Stadt.
Sie sind überall und man kann bald niemandem mehr trauen, wenn es so weitergeht. Deshalb müssen sie von uns gestoppt werden. Da kommst du nun ins Spiel. Hier in Kanada gibt es zwei Stämme, einer hier in Toronto der andere in Vancouver. Die meisten von ihnen sind wie gesagt unauffällig, aber sie haben Angst vor den Mafia-Sympathisanten. Die zum Glück zurzeit noch in der Minderheit sind. Die meisten von ihnen wollen in Frieden leben, aber es gibt leider in vielen Familien schwarze Schafe und die Tendenz ist steigend.
In einer uralten Legende, einer sogenannten Voraussagung, heisst es, das eine Zeit kommen wird, in der ein Junge geboren wird“, Mila schnaubte verächtlich. „Ja, ich weiss.“, sagte Aiden, „Das ist frauenverachtend, aber ich kann es nun mal nicht ändern.“ Er fuhr fort. „Es heisst, dieser Junge wäre fähig, alle 4 Elemente zu beherrschen. Allerdings hat die Sache einen Haken. Die Black Vultures trachten diesem Jungen schon seit Jahrhunderten nach dem Leben und sobald ihnen etwas über dich zu Ohren kommt, bist du schneller tot als dir lieb ist.“ Gregory hob die Hand. „Also wenn es geht, wäre ich am liebsten gar nicht tot.“
Aiden grinste. „Ist schon klar, mein Grosser, ich will damit nur betonen, dass wir extrem vorsichtig sein müssen. Du lebst also gefährlich und wir müssen dieses Geheimnis unbedingt für uns behalten. Es ist unbedingt nötig, dass niemand von deiner Existenz erfährt. Weiss sonst noch jemand davon?“
Gregory schwirrte der Kopf: „Das ist ja ganz toll, Leyla ist die einzige, die davon weiss, aber wenn ich helfen soll, finden es die anderen auf jeden Fall heraus.“
Aiden seufzte ermattet. „Darum darf es ja niemand wissen ausser uns, mein Lieber. Vor allem mein Vater darf es nicht erfahren, er ist nämlich der Drahtzieher der Black Vultures in dieser Stadt. Wenn jemand nicht aus seinem Haus ziehen will und er das Gelände braucht, fackelt er nicht lange und das Grundstück fällt einem Feuer zum Opfer. Es gibt niemals Zeugen und ob die Besitzer umkommen dabei, ist ihm auch scheissegal. Wie sieht es eigentlich mit Leyla aus, kann sie den Mund halten?“ Gregory hatte genug gehört. “Hör auf, mir wird schlecht. Am liebsten würde ich seine Hose ausziehen, das ist ja ekelhaft. Um Leyla mach dir mal keine Sorgen, die ist schon in Ordnung.“
Aber Aiden hatte erst gerade richtig angefangen. “Ich habe da einen Onkel, Carmine heisst er. Er ist der Bruder meines Vaters. Also wenn ihm deine Visage nicht gefällt, kann es schon sein, dass ein Baum entwurzelt wird und genau auf deinen Wagen fällt. In einer windstillen Nacht wird dieser Sturm einzig und alleine nur über deinem verdammten Wagen wüten. Ich könnte dir noch von so einigen Unglücksfällen berichten, Vergiftungen und ganz fragwürdigen Überschwemmungen.“
Gregory schüttelte entsetzt den Kopf; „Das ist ja furchtbar, und was war mit deiner Mutter?“
Aidens Miene wurde düster und es kostete ihn sichtbare Überwindung, davon zu sprechen.“
„Sie war ein wunderbarer Mensch und sah immer nur das Gute in allen Menschen. Wahrscheinlich ist sie deshalb auf einen Schwächling ohne Rückgrat wie meinen Vater hereingefallen. Er ist schwach und tut alles, was sein grössenwahnsinniger Bruder von ihm verlangt. Mein Onkel Carmine ist das inkarnierte Böse und sein Sohn Gabe, eigentlich Gabriele, ist nach dem Erzengel Gabriel benannt. Luzifer wäre wohl eine passendere Wahl gewesen.“ Er sass nachdenklich da und nach ein paar Minuten begriff Gregory, dass Aiden wohl gedanklich irgendwohin abgedriftet war.
„Hallo, Erde an Aiden!“ Er bewegte seine Hand vor Aidens Gesicht hin und her.
„Was also genau erwartet ihr von mir?“, fragte er.
Aiden zuckte zusammen. „Du wirst sie daran hindern, ihre Schandtaten zu begehen, sobald du die Elemente beherrschst. Wir werden ihnen immer einen Schritt voraus sein. Das Wichtigste ist, dass wir Carmine und Gabe ausschalten und sie überführen.“
„Aber du hast doch gesagt, dass die Cops auch auf ihrer Seite sind“, kam der Einwand von Gregory.
„Nur sehr wenige und es sind alles Akandos, also keine Black Vultures. Die meisten von ihnen sind aber in Ordnung. Wir müssen nur die beiden wichtigsten Leute ausschalten, danach haben wir freie Bahn.“
„Was ist mit den Black Vultures in Italien?“
Aiden zuckte mit den Schultern. “Irgendwo müssen wir ja wohl anfangen, oder?“
Gregory war zwar nicht wirklich überzeugt, aber zuerst galt es ja nun wirklich die Kontrolle über seine Eigenschaften zu erlangen.
Aiden stand auf, wischte sich die Hände an seiner Hose ab und holte eine Schachtel Streichhölzer aus seinem Rucksack. Er winkte Gregory und Mila zu sich herüber und setzte sich auf eine kleine Mauer neben dem Kraftort seiner Mutter. „Ich möchte, dass du dich mir gegenüber setzt und dass Mila sich neben dich setzt. Holt euch zwei dieser Plastikstühle da drüben und setzt euch mir gegenüber hin, ungefähr im Abstand von einem Meter zueinander. „Warum setzt du dich auf keinen Stuhl“, maulte Mila. „Weil ich hier beim Kraftort meine Kräfte besser unter Kontrolle habe, du wirst mir noch dankbar sein.“ Mila verzog das Gesicht, holte aber einen Stuhl wie angeordnet. Sie bildeten ein Dreieck und jeder hatte ein Streichholz vor sich.
„Nun Gregory, die erste Übung ist das Entzünden einer Flamme und sie wieder auszulöschen. Mit einem Streichholz ist dies einfacher, darum fangen wir damit an.“
Mila fragte: „Aber was habe ich damit zu tun, ich habe doch mit Feuer nichts am Hut?“
Aiden brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. Sie rollte die Augen zum Himmel und ergab sich ihrem Schicksal.
„Also“, sagte Aiden. „Ich zeige euch, was ich damit meine und Gregory versucht es danach.“ Er fixierte das Streichholz mit seinen fast schwarzen Augen und augenblicklich gab es eine kleine Flamme, dann fixierte er es erneut und die Flamme erlosch. Gregory hob fragend die Augenbrauen. “Soll ich es jetzt versuchen?“
„Schnauze!“, hörte er Aidens unwirsche Stimme, „Ich bin noch nicht fertig. Haltet eure verdammten Streichhölzer fest.“ Er schloss die Augen und alle drei Streichhölzer entzündeten sich gleichzeitig. Mila schrie auf, hielt aber ihr Streichholz nach einem genervten Seitenblick von Gregory weiter fest. Aiden öffnete die Augen und die drei kleinen Flammen schossen in gigantischen Stichflammen in die Höhe und loderten gefährlich. Diesmal hätte Gregory auch beinahe aufgeschrien und Mila lachte schadenfroh. Dann schloss Aiden die Augen wieder und die Flammen erloschen.
„Ach du heilige Scheisse“, entfuhr es Gregory und Mila schauderte. „Ja verdammt, obwohl ich es ja schon kenne, kriege ich trotzdem jedes Mal noch eine Gänsehaut!“ Sie lachte.
Aiden gab ihnen neue Streichhölzer, sie waren länger als die letzten.
„Nun, mein Freund, bist du an der Reihe und vergiss nicht, du hast es in dir! Konzentrier dich zuerst auf dein Streichholz, stell dir die kleine Flamme in deiner Hand vor. Gregory richtete den Blick auf sein Streichholz und konzentrierte sich, aber irgendwie wollte es ihm nicht so recht gelingen und das machte ihn wütend.
Er schloss die Augen und stellte sich mit aller Kraft eine grosse Flamme vor und plötzlich ging ein grosser Busch hinter Mila in Flammen auf. Sie schrie auf und flüchtete zu Aiden.
Er stand auf machte eine Handbewegung und richtete seinen Blick auf den Busch, der augenblicklich erlosch. Gregory sass immer noch völlig verdattert auf seinem Stuhl und hatte sein immer noch unversehrtes Streichholz in der Hand.
Aiden grinste. „Das habe ich mir doch gedacht, du machst das ein paar Nummern grösser als wir, aber das mit dem Auslöschen müssen wir wirklich noch üben.“
Gregory war wie versteinert, er war wirklich zu nichts fähig. Nicht einmal mit einem Streichholz wurde er fertig. Er hörte Aidens Stimme. „Hey Grosser, das war das erste Mal, wirf nicht gleich die Flinte ins Korn, du schaffst das schon noch. Komm, wir versuchen es nochmal, ich werde dich unterstützen.“
„Und diesmal wollt ihr Irren wohl mich abfackeln anstatt des Buschs.“ Mila war nicht begeistert. „Jetzt hab dich nicht so, Mila“, sagte Aiden. „Wie viele Male habe ich deine undefinierbaren Gebräue getrunken bevor du den Dreh raus hattest? Ich erinnere mich an ein rosa Gesöff, nach dem ich zwei Tage lange nicht mehr aus dem Scheisshaus rauskam.“ Mila lächelte schräg. „Ok, du hast ja Recht, also fangen wir an.“ Diesmal setzte sich Aiden neben Gregory und gab ihm Instruktionen, wie er atmen und fokussieren sollte und es ging tatsächlich besser. Am Ende des Nachmittags war Gregory fähig, sein Streichholz anzuzünden und wieder auszulöschen. Das mit dem Augenschliessen und der Stichflamme schien etwas mehr Zeit in Anspruch zu nehmen. Er hatte es bis jetzt noch nicht geschafft die Stichflamme zu kontrollieren, sie schoss jeweils mehrere Meter hoch in die Luft und Mila weigerte sich, weiter mitzumachen. Sie hatte ein Gebräu gegen ihre Brandblasen eingenommen und wollte nicht mehr weiterüben. Da es inzwischen schon dunkel wurde, waren Aiden und Gregory einverstanden, den Heimweg anzutreten. Gregory war schon sehr zufrieden, dass er das mit dem Streichholz geschafft hatte. Rom war schliesslich auch nicht an einem Tag erbaut worden.
Auf dem Heimweg herrschte eine ausgelassene Stimmung und Leyla staunte nicht schlecht, als sie Gregory aus Aidens Wagen steigen sah und sich die beiden wie alte Kumpels verabschiedeten. Mila hatten sie vorher abgesetzt, sonst hätte sich Leyla wohl noch mehr gewundert.