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Kapitel 5

Es war einige Tage später, als die ältere Lady Derryhill ihr Lorgnon beiseitelegte, das sie seit Neuestem zum Lesen benötigte, und das Schreiben von Lady Panswick sinken ließ. Nachdenklich sah sie zu ihrer Schwiegertochter hinüber, die zu einem überraschenden Vormittagsbesuch in der Brook Street erschienen war, um ihr den Brief ihrer Mutter zu zeigen. Obwohl die vielen aufregenden Informationen wie ein bunter Wirbel durch ihre Gedanken fegten, fiel ihr doch auf, wie hübsch Frederica heute wieder war. Das olivgrüne Tageskleid unterstrich die Farbe ihrer Augen, die dunklen Haare waren kunstvoll à l’Aphrodite hochgesteckt. Ihr Sohn hatte wahrlich Glück, so eine reizende Gemahlin gefunden zu haben, die nicht nur ein erfreulicher Anblick war, sondern auch von wachem Verstand, gediegenem Humor und herzerwärmender Liebenswürdigkeit. Und sie hatte das große Glück, durch Frederica eine höchst erfreuliche Gesprächspartnerin gefunden zu haben, die ihr Leben bereicherte und sie an so aufregenden Dingen teilhaben ließ wie diesem Schreiben. Lady Derryhill liebte ihren einzigen Sohn aus tiefstem Herzen. Und doch hatte sie sich immer eine Tochter gewünscht. Durch seine Vermählung vor zwei Jahren war dieser Wunsch in Erfüllung gegangen.

„Die kleine Harristowe also“, sagte sie schließlich. „Das wäre natürlich eine höchst wünschenswerte Verbindung. Dein Bruder würde dadurch Mitglied einer der einflussreichsten Familien des Königreichs. Der Schwiegersohn des Herzogs von Stainmore. Das wäre für euch alle äußerst erfreulich. Es sei denn …“

Sie verzog den Mund zu einer unwilligen Grimasse, zog dann die Luft scharf zwischen den Zähnen ein und schwieg. Natürlich war Frederica viel zu neugierig geworden, um dieses Schweigen geduldig hinzunehmen.

„Es sei denn, was? Gibt es irgendwelche Bedenken, was Miss Clarissa Harristowe betrifft, Cassandra?“

Ihre Schwiegermutter hatte sie nach der Trauung gebeten, sie künftig mit dem Vornamen und nicht mit Mama anzusprechen. Das war zwar ungewöhnlich, doch Frederica hatte gerne eingewilligt. Mama war ihre Mutter auf Lancroft Abbey und die hatte so gar nichts gemein mit dieser zierlichen, fröhlichen, ja manchmal verwegenen, höchst modischen Dame, die ihr jetzt gegenübersaß.

„Nicht direkt gegen die junge Lady, denn die wurde mir bisher noch nicht vorgestellt “, räumte diese nun ein, „aber ihre Mutter ist eine wahre Plage. Und ihre Großmutter, die Herzoginwitwe, ein alter Drachen.“

Natürlich war Frederica sofort Feuer und Flamme: „Erzähl mir von den beiden, bitte, Cassandra. Ich muss alles erfahren, was du weißt.“

In der nächsten Viertelstunde war sie dann hin- und hergerissen. Die Schilderungen ihrer Schwiegermutter waren so bildhaft, dass sie sich das affektierte Gehabe der gegenwärtigen Herzogin von Stainmore nur allzu deutlich vorstellen konnte. Sie war nicht traurig darüber, der Duchess noch nicht begegnet zu sein. Dasselbe galt für deren Schwiegermutter, deren scharfe Zunge landauf und landab gefürchtet zu sein schien. Frederica war amüsiert und fasziniert und gleichzeitig wurde ihr ganz angst und bang. Hoffentlich war Clarissa aus der Art geschlagen, sonst stand ihrem Bruder Bertram wahrlich keine wünschenswerte Zukunft bevor. Als sie diese Bedenken äußerte, wiegte Lady Derryhill nachdenklich den Kopf. „Ja, das hoffe ich auch für ihn! Aber ich nehme an, er ist so vernünftig wie du und weiß, was er tut.“

Frederica errötete über dieses Kompliment und sagte, bei Bertram hätte sie dahingehend keine Zweifel. Er sei tatsächlich ein vernünftiger junger Mann und nicht so ein Heißsporn wie ihr jüngster Bruder Nicolas oder gar Vivian, die Drittälteste.

Ihre Schwiegermutter nahm das mit Wohlwollen zur Kenntnis: „Ich denke, wir werden bald selbst die Gelegenheit haben, uns ein Bild von Lady Clarissas Charakter zu machen.“ Sie nahm den Brief und das Lorgnon noch einmal zur Hand und überflog einige Zeilen. „Deine Mutter schreibt hier, es sei ihr Wunsch, die Herzogstochter möglichst rasch kennenzulernen.“ Sie las die nächsten Sätze laut vor: „Als ich Bertrams Zeilen las, war es mein erster Impuls, die junge Lady und ihre Chaperon nach Lancroft Abbey einzuladen. Bei näherem Nachdenken überkamen mich jedoch Zweifel. Wird sich eine Herzogstochter dazu herablassen, der Witwe eines Viscounts einen Besuch abzustatten, ohne dass andere höhergestellte Personen zu ihrer Unterhaltung anwesend sind? Natürlich würde ich es vorziehen, die Auserwählte meines ältesten Sohnes würde sich nicht durch derartigen Standesdünkel auszeichnen, doch solange ich sie nicht persönlich kennengelernt habe, kann ich mir dessen nicht sicher sein. Vor allem aber möchte ich mir die Schmach ersparen, eine Abfuhr erteilt zu bekommen.“

Frederica kannte diese Bedenken ihrer Mutter natürlich schon. Sie waren einer der Gründe für ihren Besuch gewesen und sie freute sich, dass sie die Bitte, die sie auf dem Herzen hatte, nicht laut aussprechen musste, da ihr Lady Derryhill zuvorkam: „Ich denke, wir können deine liebe Mutter beruhigen, Frederica, was meinst du? Sollen die verwitwete Duchess of Derryhill und ihre Schwiegertochter, die gegenwärtige Duchess of Derryhill, Lancroft Abbey einen Besuch abstatten? Wenn wir beide anwesend sind, dann steht dem Aufenthalt der kleinen Harristowe sicher nichts mehr im Wege.“

Frederica klatschte begeistert in die Hände, bevor ihr Lächeln einem besorgten Blick wich: „Würdest du die weitere Reise und all die damit verbundene Mühe wirklich auf dich nehmen, Cassandra? Es handelt sich immerhin um eine Strecke von mehr als vierzig Meilen.“

Eine wegwerfende Handbewegung wischte alle Bedenken vom Tisch: „Und wenn schon“, entgegnete Ihre Ladyschaft leichthin. „Wir können unterwegs zwei Mal übernachten, damit es nicht allzu strapaziös werden wird.“ Sie hielt kurz inne und warf einen prüfenden Blick auf den Bauch ihrer Schwiegertochter und dann in ihr Gesicht: „Bist du sicher, dass es für dich nicht zu strapaziös wird?“, wollte sie schließlich wissen.

Frederica errötete. Es war sehr taktvoll, dass Cassandra ihr die Frage nicht direkt stellte, aber sie wusste auch so, was sie damit gemeint hatte. Schließlich war sie nun schon fast zwei Jahre verheiratet und immer noch nicht guter Hoffnung. Schweigend schüttelte sie den Kopf und wagte dabei gar nicht, der anderen in die Augen zu sehen.

„Gut, dann soll es so sein. Ich freue mich darauf, deine Mutter wiederzusehen. Und natürlich auch Penelope.“

Ach ja, Penelope! Die Erwähnung dieses Namens brachte Frederica sofort auf andere Gedanken.

„Hast du gelesen, Cassandra? Meine Schwester hat wieder einmal einen Antrag abgelehnt. Es war bereits ihr vierter!“

„Ich habe auch zuerst zwei Anträge abgelehnt“, sagte Ihre Ladyschaft leichthin. Dann runzelte sie die Stirn. „Denkst du, dieser – wie hieß er noch mal? – geistert immer noch durch ihren Kopf und verhindert, dass sie sich neu verlieben kann?“

Nicht, dass Frederica dieser Verdacht nicht schon auch gekommen wäre. Doch sie konnte nicht glauben, dass Penelope so dumm war, Henry Markfield auch nur eine Träne nachzuweinen. Nicht nach allem, was sie bei ihrem Debüt erlebt hatte.

„Markfield? Nein, ich denke nicht. Der dient auf dem Festland und ist ohnehin unerreichbar. Sorgen macht mir viel mehr, dass Mama befürchtet, Penelope könnte keinen passenden Antrag mehr bekommen und als alte Jungfer enden!“

„Also bitte“, kam der prompte Protest Ihrer Ladyschaft. „Deine Schwester ist eine Schönheit. Es war eben unter all den Verehrern noch nicht der Richtige dabei. Vielleicht gelingt es uns beiden ja, einen passenden Gentleman auf sie aufmerksam zu machen.“

„Uns beiden?“, rutschte es Frederica heraus.

Ihre Schwiegermutter nickte nachdrücklich. „Das Schicksal deiner Schwester liegt mir fast ebenso sehr am Herzen wie deines, meine liebe Frederica. Vergiss bitte nicht, dass ich es war, die sie in die Gesellschaft eingeführt hat. Wie heißt nur dieser gut aussehende Gentleman, der eben vom Kontinent zurückgekommen ist, um das Erbe seines Vaters anzutreten? Der große Herr mit den dunklen Haaren?“

Frederica hielt die Luft an: „Du meinst doch nicht etwa den frischgebackenen Viscount of Badwell?“

Dieser Gentleman war vor einigen Wochen auf der Bildfläche erschienen und hatte mit seinem verwegenen Aussehen die Damenwelt in Entzücken versetzt. Da Frederica glücklich verheiratet war, hatte er sie damit nicht einfangen können. Zuerst war sie ihm skeptisch gegenübergestanden, kurz darauf hatte er ihre Sympathie jedoch gänzlich verspielt. Sie war Ohrenzeugin gewesen, als er über die Dummheit der Gesellschaft lästerte. Frederica hatte noch nie eine Vorliebe für Arroganz gehabt. Und Penelope noch weniger.

Zum Glück kam umgehend Lady Derryhills entrüsteter Protest: „Wo denkst du denn hin, meine Liebe? Wie schlecht wäre es wohl um meine Menschenkenntnis bestellt, würde ich einen Mann, den sie insgeheim den Teufel nennen, mit einer jungen Frau in Verbindung bringen wollen, die du zu Recht Lämmchen nennst? Nein, nein, für einen Mann wie den Viscount kommt nur eine unterwürfige Frau in Frage, die seinen Sarkasmus als gottgegeben hinnimmt. Oder, und das würde ich persönlich äußerst charmant finden, eine junge Lady, die ihm Paroli bieten kann. Doch wenn ich mich in London so umsehe“, sie seufzte kurz auf, „dann ist von so einer jungen Dame weit und breit nichts in Sicht. Doch zurück zu deiner Schwester! Ich würde ihr gern den Gentleman vorstellen, den wir letzten Samstag auf dem Ball der Herzogin von Wellbrooks kennengelernt haben. Du weißt schon, der mit dem zwar etwas schütteren Haar, aber den hübschen rehbraunen Augen. Soweit ich mich erinnern kann, stammt er aus Essex. Derryhill schien ihn zu kennen …“

„Oh, dann meinst du vermutlich Mr Angram.“

Das Nicken Ihrer Schwiegermutter zeigte Frederica, dass sie dieses Mal ins Schwarze getroffen hatte. Sie erwog den Gedanken. Würde dieser ernsthafte junge Mann zu ihrer Schwester passen? Warum eigentlich nicht? Sie hatte sich mit ihm unterhalten. Er erwies sich als angenehmer Gesprächspartner, der sie mit kleinen Geschichten über Erlebnisse auf dem Kontinent zu interessieren wusste. Gut, er war keine Stimmungskanone, aber das war Penelope auch nicht. Und er hatte, fiel ihr zu ihrer eigenen freudigen Überraschung ein, voll Begeisterung über das Gestüt erzählt, das zu seinem Erbe gehörte. Also liebte er Tiere, zumindest Pferde. Das war das Allerwichtigste.

„Finanziell dürfte es allerdings nicht allzu gut um ihn bestellt sein“, dämpfte Ihre Ladyschaft die rosigen Zukunftspläne, die Frederica soeben für Penelope zu spinnen begonnen hatte. „Das Anwesen soll zwar umfangreich, das Herrenhaus ein stolzer Bau aus dem fünfzehnten oder sechzehnten Jahrhundert sein, aber es fehlen ausreichende Mittel, um alles mehr als nur notdürftig zu erhalten. Das meint zumindest meine liebe Freundin Sarah, und die irrt so gut wie nie.“

Fredericas Hoffnungen, in Mr Angram einen geeigneten Bewerber für ihre Schwester gefunden zu haben, sanken. Bei der lieben Freundin Sarah handelte es sich nämlich um niemand Geringeren als Lady Jersey, eine der mächtigen Patronessen des Almack Clubs, den man allgemein als Londons wichtigsten Heiratsmarkt bezeichnete. Wenn jemand gut informiert war, dann sie. Die nächsten Worte ihrer Schwiegermutter ließen Fredericas Hoffnung jedoch rasch wieder steigen.

„Ich werde Anthony bitten, die Mitgift deiner Schwester zu erhöhen. Wir müssen sie für die Männerwelt noch interessanter machen. Sie ist schon zu lange auf dem Markt, als dass Schönheit allein ausreicht.“

Frederica wusste, dass sie jetzt eigentlich protestieren sollte. Penelope war immer noch ungewöhnlich schön und Anthony, Fredericas Gatte, war ohnehin schon sehr großzügig gewesen. Doch sie hatte die Londoner Gesellschaft in der Zwischenzeit kennengelernt und wusste, dass Cassandra recht hatte. Also schwieg sie. Ihrer Schwester zuliebe.

Lady Derryhill war schon beim nächsten Gedanken: „Am besten wird es wohl sein, wenn du deiner Mutter vorschlägst, einen Ball zu organisieren. Dann hätten wir einen guten Grund, in Gesellschaft anzureisen. Mitte Juni wäre dafür der beste Zeitpunkt. Dann ist einerseits die Season hier zu Ende und andererseits haben wir uns alle noch nicht auf unsere Landsitze zurückgezogen, um den Sommer abseits der Großstadt zu genießen. Ein Abstecher nach Tunbridge Wells wäre eine willkommene Idee, als Abschluss der Season gewissermaßen. Dazu laden wir diesen Mr Angram ein und vielleicht noch einen anderen passenden Junggesellen. Bis dahin haben wir genügend Zeit, eine Auswahl zu treffen. Was meinst du?“

Was Frederica dazu meinte? Sie war begeistert! Begeistert von der Idee, Penelope zu helfen, und auch begeistert, selbst wieder einmal in ihr Elternhaus zu kommen.

„Außerdem“, fiel ihr ein, „kann Mama Bertram und seine Angebetete einladen. Zu einem Ball wird sich auch eine Herzogstochter herablassen. Noch dazu, wenn du persönlich anwesend sein wirst.“

„Wenn wir beide anwesend sein werden!“, korrigierte Ihre Ladyschaft. „Und wir bitten Derryhill, mit uns zu kommen, um dem Ganzen noch mehr Glanz zu verleihen.“

Das war ein weiterer Teil des Plans, der Frederica ausnehmend gut gefiel.

Verlobung wider Willen

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