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Kapitel 3

Während nämlich Mr Northbrook niedersank, hatte er nur Augen für Penelope, die ihm so schön und reizvoll erschien, dass es ihm schwerfiel, nicht nur die richtigen Worte, sondern überhaupt Worte zu finden. Seine Freunde würden ihre Münder vor Staunen und Neid nicht mehr zubringen, wenn sie erst erfuhren, dass es ihm gelungen war, das schönste Mädchen der Grafschaft als Trophäe nach Hause zu führen. Und was noch erfreulicher war: Er würde mit dem Earl of Derryhill verschwägert sein, der nicht nur einer der reichsten Männer des Königreichs war, sondern auch als äußerst großzügig galt, was seine Familie betraf. Mr Northbrook hatte erst letzte Woche ein Gespann von vier Grauen bei Tattersalls in London gesehen und allein der Gedanke, dass er die berechtigte Hoffnung hegen konnte, diese in Kürze sein Eigen zu nennen, ließ seinen Atem noch schneller fließen. Von diesen höchst erfreulichen Zukunftsaussichten abgelenkt, den Blick auf seine zukünftige Braut gerichtet, entging es ihm, dass er mit dem Stiefel entlang des weißen Tischtuchs rutschte und sich sein Spor in der Lochstickerei verhedderte. Auch Penelope bemerkte das Unheil erst, als es nicht mehr aufzuhalten war. Der Stiefel zog das Tischtuch mit sich und dieses wiederum das Tablett. Das feine Service fiel zu Boden, wo es mit lautem Klirren zu Bruch ging, der heiße Tee ergoss sich über Sofa und Teppich.

„Was zum Teufel …?“

Vom Lärm hinter seinem Rücken irritiert, sprang Mr Northbrook auf und stellte beim Blick an sich hinunter fest, dass der Tee auch unschöne Flecken auf seiner biskuitfarbenen Hose hinterlassen hatte. Er beugte sich hinunter, um seinen Stiefel aus dem Tischtuch zu befreien, und als er wieder hochkam, warf er Penelope einen derart verärgerten Blick zu, als wäre sie an dem Missgeschick schuld gewesen. Das bemerkte sie allerdings nicht. Ihre Augen hatten nämlich etwas ganz anderes entdeckt. Etwas, das ihr das mühsam aufrechterhaltene Lächeln mit einem Schlag aus dem Gesicht wischte.

„Sind das etwa Sporen?“, fragte sie, weil sie ihren Augen nicht trauen wollte.

Ungläubig sah sie von seinen Stiefeln zu seinem Gesicht hinauf und gleich darauf wieder zurück. In den letzten Jahren hatte sie nicht nur einmal all ihre Heilkünste anwenden müssen, wenn Besucher ihre Pferde mit Sporen verletzt hatten und die Wunden versorgt werden mussten. Penelope hasste Menschen, die ihre Vierbeiner auf diese Weise quälten, nur um etwas schneller an ihr Ziel zu gelangen.

„Selbstverständlich sind das Sporen!“, stand Mr Northbrook nicht an, ihren schrecklichen Verdacht frei heraus zu bestätigen. „Mein alter Gaul ist faul geworden, dem muss man Beine machen.“

Stirnrunzelnd blickte er zum Teetischchen hinüber.

„Jetzt holen Sie doch endlich jemanden, der sich um diese Malaise kümmert. Der dumme Tee hat bereits meine …“ Er erinnerte sich gerade noch rechtzeitig daran, wie unschicklich es war, vor einer Dame das Wort Hose in den Mund zu nehmen, und korrigierte sich auf „Stiefel durchnässt!“

Sprach’s und ging an das andere Ende des Raumes, um sich dort vor einen der großen Gobelins zu stellen und mit vor der Brust verschränkten Armen zu erklären: „Ich kann erst dann zum Grund meines Hierseins kommen, wenn diese Unordnung beseitigt ist. Also beeilen Sie sich, bitte!“

Er klang nun gar nicht mehr charmant, sondern eher aufgebracht und vielleicht auch eine Spur trotzig.

In Penelope stiegen die unterschiedlichsten Gefühle hoch. Und alle waren unerfreulich, was Mr Northbrooks Ambitionen betrafen. Wie kam dieser Mann dazu, sie zu behandeln, als wäre sie sein Dienstbote? Noch dazu in ihrem eigenen Elternhaus! Wie konnte er ihr die Unordnung vorwerfen, die er selbst verursacht hatte? Und vor allem aber: Wie konnte er auch nur im Entferntesten annehmen, dass sie einen Mann heiraten würde, der in Kauf nahm, dass ein Tier verletzt wurde, seinen eigenen Befindlichkeiten zuliebe?

Energisch zog sie am Klingelstrang.

Während sie das tat, schob sich das mahnende Gesicht ihrer Mutter vor all die anderen Gedanken. Oh Gott, Mama würde toben! Wie sollte sie ihr auch erklären, warum sie auch den vierten Antrag abgelehnt hatte? Lady Panswick würde keinen ihrer Vorbehalte verstehen.

Der Butler erschien so schnell im Türrahmen, dass sie den Verdacht hatte, er hätte in der Nähe gewartet.

„Sie haben geläutet, Mylady?“

Das rasche Hochschnellen einer Augenbraue deutete an, dass er das Chaos auf den Teppich bemerkt hatte. „Ich werde das Unheil umgehend beseitigen lassen!“

„Ich danke Ihnen, Shipton, doch das hat Zeit. Zuerst möchte sich Mr Northbrook verabschieden“, antwortete Penelope, ohne eine Miene zu verziehen.

Shiptons Augenbrauen schnellten abermals nach oben.

Auch der Besucher blickte mit großen Augen zu ihr hinüber. „Wie bitte!?“, fuhr er auf. „Also, ich habe doch noch gar nicht … Sie wissen doch noch überhaupt nicht …“

Um Penelopes Selbstsicherheit war es lange nicht so gut bestellt, wie sie vorgab. Konnte dieser schreckliche Mann nicht einfach gehen? Mit wachsender Verzweiflung fragte sie sich, was ihre vernünftige große Schwester wohl in so einer Situation antworten würde.

„Bemühen Sie sich nicht, Sir. Manche Dinge bleiben besser ungesagt“, brachte sie schließlich hervor.

Natürlich konnte er das nicht unwidersprochen hinnehmen. Nun waren seine Wangen ebenso rot geworden wie die der anderen drei abgewiesenen Verehrer.

„Was erlauben Sie sich, Miss?“, fuhr er sie an. „Also, ich lasse mich doch nicht einfach …“

„Ich danke Ihnen für Ihren Besuch, Mr Northbrook!“, unterbrach sie ihn, verzweifelt bemüht, ihrer Stimme weiterhin einen würdevollen Klang zu geben. „Er war sehr aufschlussreich. Unser Butler bringt Sie zu Ihrem armen Pferd!“

Shipton hielt bereitwillig die Tür auf: „Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Sir!“

Mr Northbrook blieb nichts anderes übrig, als sich dieser unmissverständlichen Aufforderung zu fügen. Er tat dies mit einer steifen Verbeugung und einem zwischen zusammengekniffenen Zähnen hervorgepressten „Wie Sie wünschen, Mylady!“ Gefolgt von einem ebenso hervorgepressten „Landei!“

Der Stich, den sie in ihrem Herzen verspürte, erstaunte Penelope. Sie hatte nicht angenommen, dass man sie mit diesem Schmähwort immer noch verletzen konnte. Ein Gentleman der Londoner Gesellschaft hatte sie während ihres Debüts mit diesem unrühmlichen Etikett versehen. Das machte damals rasch die Runde und damit ihre Chancen am Heiratsmarkt zunichte. Für die Londoner High Society gab es nichts Schlimmeres als Menschen, denen Stallgeruch anhaftete, wie sie es nannten. Frederica und sie waren damals geradezu aus der Hauptstadt geflohen, froh, auf Lancroft Abbey wieder sicheren Unterschlupf zu finden. Mr Northbrook besuchte seinen Club in London mehrmals im Jahr. Also war es eigentlich kein Wunder, dass er von ihrem unerfreulichen Spitznamen erfahren hatte. Aber dass er sich als so schlechter Verlierer erwies und sich nicht verkneifen konnte, sie mit diesem abfälligen Wort zu bedenken, das war wirklich arg. Obwohl Penelope das wusste und obwohl ihr dieser Mann nicht das Geringste bedeutete, war sie doch gekränkt, wieder als Landei bezeichnet zu werden. Es fiel ihr zunehmend schwerer, sich nichts anmerken zu lassen. Sie deutete einen Knicks an und schaute dem Besucher nach, der mit raschen Schritten dem Butler in die Eingangshalle folgte.

Daraufhin ging sie zur Tür, um diese leise zu schließen. Jetzt war es allerdings mit ihrer Selbstbeherrschung vorbei. Sie sank aufs Sofa, suchte hektisch nach dem versteckten Taschentuch und brach in Tränen aus. Mama würde jeden Augenblick kommen und erfahren wollen, warum ihr Galan das Haus bereits wieder verlassen hatte. Wenn sie erst hörte, dass er das tun musste, ohne den Antrag überhaupt vorzubringen, würde sie mehr als ungehalten sein. Und ihr tagelang ins Gewissen reden. All das wusste Penelope. Was aber tatsächlich alles auf sie zukommen würde, das konnte sie in diesen Augenblick natürlich noch nicht ahnen.

Verlobung wider Willen

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