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Kapitel 11

Lady Panswick hielt nichts von der Sitte, die es verheirateten oder verwitweten Damen erlaubte, ihr Frühstück im Bett einzunehmen. Sie aß lieber bei Tisch, hatte dabei Gesellschaft und besprach die Pläne für den Tag.

„Du hast Shipton in den letzten Tagen wahrlich beeindruckt“, sagte sie am Morgen des vierten Tages nach Auffinden ihres verletzten Neffen und es klang, als würde sie diese Tatsache beachtenswerter finden als Penelopes Fähigkeiten. „Er ist sich sicher, wenn jemand dem armen Knaben helfen kann, dann bist du das.“ Sie nahm einen Bissen vom Rührei. „Gießt du mir bitte noch eine Tasse Tee ein?“

Diesem Wunsch kam Penelope gern nach. Sie freute sich über das ungewohnte Lob aus Mamas Mund.

Der Butler war eingetreten und stand nun regungslos in der Tür, als würde er auf etwas warten.

„Ja? Was gibt es, Shipton?“, fragte Ihre Ladyschaft.

„Ich nehme an, dass es Sie interessiert, dass Ihr Neffe aufgewacht ist, Mylady. Es scheint ihm heute deutlich besser zu gehen als in den letzten Tagen. Man könnte fast sagen, er sitzt recht vergnügt in seinen Kissen.“

Penelope war schon bei den ersten Worten aufgesprungen. „Du gestattest, Mama?“, fragte sie mit vor Aufregung geröteten Wangen. „Ich möchte umgehend ins Krankenzimmer, um mich selbst von Peters Zustand zu überzeugen!“

„Setz dich hin und iss dein Frühstück fertig“, bestimmte ihre Mutter gelassen. „Jetzt, da dein Cousin offensichtlich endgültig dem Tod entronnen ist, halte ich übertriebene Eile nicht mehr für notwendig. Ich danke Ihnen, Shipton. Wir werden in Kürze zu unserem Verletzten hinaufkommen.“

Penelope schien es, als wäre bereits eine Ewigkeit vergangen. Ihre Mutter hatte sie lang und breit in die Einzelheiten der Ballvorbereitungen eingeweiht und sie von der Tatsache in Kenntnis gesetzt, dass ihre Freundin Edith, Lady Titchwell und deren Sohn ihr Kommen erfreulicherweise zugesagt hatten. Penelope hatte ihr nur mit halbem Ohr zugehört. Was interessierten sie fremde Gäste, wenn es ihrem Cousin endlich besser zu gehen schien? Die Aussicht, ihre liebe Schwester Frederica, ihren Schwager Lord Derryhill und seine reizende Mutter in Kürze wiederzusehen, war das Einzige, worüber sie sich reinen Herzens freute, wenn sie an das bevorstehende Ereignis dachte, das Mama deinen großen Ball nannte.

Lady Panswick betrat das Krankenzimmer als Erste.

„Willkommen auf Lancroft Abbey, mein lieber Neffe!“, sagte sie, als sie sich dem Bett näherte. „Es freut mich sehr, dass du trotz deiner Verletzungen den Weg zu uns nach Lancroft Abbey geschafft hast. Und natürlich auch, dass es dir inzwischen schon wieder besser geht, wie ich sehe.“

Es war offensichtlich, dass der Offizier am liebsten aufgesprungen wäre, um Ihre Ladyschaft im Stehen zu begrüßen. Doch schon der Versuch, sich gerade aufzurichten, scheiterte kläglich. Rasch sank er in die breiten Kissen zurück. Sein Gesicht war zwar immer noch blass, aber nicht mehr so bleich wie in den letzten Tagen. Die meisten Schrammen an der Stirn waren fast vollständig verheilt, die Haarstoppel einige Millimeter gewachsen.

„Es war äußerst freundlich von Ihnen, Mylady, mich hier aufzunehmen. Ich bin Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet!“ Seine Stimme klang nun schon um einiges fester als in den letzten Tagen. Allerdings auch so rau, dass sich Penelope vornahm, die Köchin um einen Salbeitee zu bitten.

„Aber, aber, mein Lieber!“, entrüstete sich Ihre Ladyschaft. „Wer wird denn so förmlich sein? Du bist doch der Neffe meines Mannes, Gott hab ihn selig. Du darfst mich Tante Louise nennen, so wie du es als Kind auch immer getan hast.“

„Habe ich das? Als Kind?“, vergewisserte er sich.

„Ja, natürlich, Peter. Ich erinnere mich noch so gut daran, wie du mit meinen Töchtern herumgetobt bist – so, als wäre es gestern gewesen! Ich habe dich vor einigen Tagen, als du in einem Stall gefunden wurdest, auf den ersten Blick wiedererkannt. Trotz dieses scheußlichen Bartes, den du dir da auf dem Kontinent hast wachsen lassen.“

Penelope, die etwas versteckt seitlich hinter ihrer Mutter stand, fand Peters Frage ein wenig seltsam. Hatte er etwa Gedächtnislücken? Konnte er sich zwar an sie, nicht aber an ihre Mutter erinnern? Die war doch viel eindrucksvoller als sie.

Ein raues Auflachen zerstreute ihre Bedenken: „Natürlich erinnere ich mich an dich … äh, Tante Louise. Wie schön, dich wiederzusehen, nach so langer Zeit! Wie geht es Frederica? Ist sie auch hier?“

„Nein, nein“, kam Lady Panswicks umgehender Widerspruch. „Die lebt mit ihrem Mann in London.“

„Sieh an, Frederica ist also schon verheiratet?“, sagte der Mann im Bett.

„Ja, natürlich“, antwortete Ihre Ladyschaft so bestimmt, als hielte sie jede andere Möglichkeit für ausgeschlossen. „Du hast sie natürlich noch als junges Ding in Erinnerung, aber sie ist in der Zwischenzeit zu einer hübschen Frau herangewachsen. Vor zwei Jahren hat sie sich mit dem Earl of Derryhill vermählt.“

Sie wartete kurz, ob ihr Gast sie dazu beglückwünschen wollte, einen der reichsten Männer des Landes zum Schwiegersohn bekommen zu haben, doch dieser nickte nur. Anscheinend war er zu lange auf dem Kontinent gewesen, als dass er die Tragweite dieser Information entsprechend hätte würdigen können. Dabei konnte sich die Familie Barnett gar nicht genug dazu gratulieren, Derryhill nunmehr zur Familie zählen zu dürfen. Ohne ihn hätten sie Lancroft Abbey verkaufen müssen, ohne ihn … Aber nein, daran wollte sie lieber nicht mehr denken.

„Penelope und Bertram werden auch bald heiraten“, setzte sie daher fort, um sich selbst wieder auf positive Gedanken zu bringen. „Mein ältester Sohn, der jetzige Viscount, wird um die Hand von Clarissa Harristowe anhalten, der Tochter des Herzogs of Stainmore! Du kannst dir vorstellen, wie glücklich uns das alle macht.“

„Meinen Glückwunsch, liebe Tante!“, sagte der Patient pflichtschuldig und versuchte ein Lächeln, das nicht so recht gelang.

Er hat stärkere Schmerzen, als er zugeben will, dachte Penelope und ihr Herz quoll vor Mitleid über. Wie tapfer er war! Machte höflich Konversation, obwohl ihm der Arm entsetzlich wehtat.

„Und Penelope? Wen wird sie ehelichen? Einen Herzog?“

Er blickte zu ihr hinüber. Das Lächeln war nun wieder völlig aus seinem Gesicht verschwunden.

„Du hast völlig recht, mein lieber Neffe“, bestätigte Lady Panswick, „aufgrund ihrer makellosen Schönheit wäre Penelope natürlich eines Herzogs würdig. Doch leider gibt es derzeit keinen passenden Kandidaten. Sie wird sich daher mit dem Sohn einer meiner ältesten Freundinnen vermählen. Kennst du den Viscount of Titchwell, Peter? Er hat einen jüngeren Bruder namens Jasper. Der wird zwar als das schwarze Schaf der Familie bezeichnet, aber er wird glänzend zu Penelope passen.“

Ihre Tochter hielt die Luft an. Wie kam Mama dazu, so etwas Ungeheuerliches zu behaupten? Sie wollte schon protestieren, doch Peters nächste Worte hielten sie zurück.

„Das kann ich mir denken!“, lautete nämlich sein überraschender Kommentar. Irrte sie sich oder klang seine Stimme bitter?

„Wie bitte?“ Offensichtlich vermeinte auch Ihre Ladyschaft, sich verhört zu haben.

Der Verletzte lachte auf und griff sich dann gleich darauf schmerzerfüllt an seinen linken Arm. „Penelope hatte immer schon eine Vorliebe für Schafe, nicht wahr?“, sagte er. „Da erscheint es nur natürlich, dass sie sich in ein schwarzes Schaf verliebt hat.“

Lady Panswick ließ ein lautes Lachen hören: „Wie gut du sie doch kennst, Peter! Ich habe vor wenigen Tagen fast die gleichen Worte verwendet.“

„Wie lange seid ihr denn schon verlobt?“ Er hatte sich nun direkt an Penelope gewandt und diese beeilte sich, die Aussage ihrer Mutter richtigzustellen.

„Wir kennen uns noch gar nicht. Er wird in den nächsten Tagen anreisen. Mama gibt einen großen Ball, um mich mit dem Meistbietenden zu verkuppeln!“ Jetzt war es ihre Stimme, die bitter klang.

„Also, ich bitte dich“, fuhr Ihre Ladyschaft auf. „Niemand will dich mit dem Meistbietenden verkuppeln. Was für eine vulgäre Ausdrucksweise! Aber für ein Mädchen, das bereits vier Anträge abgelehnt hat, wird die Auswahl immer schwieriger. Du musst wissen, mein lieber Neffe, deine Cousine ist sehr wählerisch. Allerdings hat sie mir in die Hand hinein versprochen, den nächsten Antrag anzunehmen. Sei es der von Jasper oder von irgendjemanden sonst.“

„Hauptsache, ich bin möglichst schnell aus dem Haus!“, jetzt klang Penelopes Stimme extrem bitter.

Der Verwundete sah fassungslos von einer Dame zur anderen.

„Schluss jetzt!“, befahl Lady Panswick. „Wir wollen Peter nicht langweilen, jetzt da seine Lebensgeister endlich wieder erwachen. Matthew soll dir ein Bad bereiten. Penelope, sorge dafür, dass Peter noch ein paar von Bertrams Sachen gebracht werden. Ich denke, die beiden haben in etwa dieselbe Statur.“

Sie wartete, bis ihre Tochter nickte, bevor sie sich wieder an ihren Neffen wandte: „Es muss natürlich noch nicht heute sein, aber es wäre ratsam, wenn du in den nächsten Tagen das Krankenzimmer einmal verlässt und mit deiner Cousine einen kleinen Spaziergang unternimmst. Man hat mir gesagt, dass deine Beine unverletzt geblieben sind. Die Sonne scheint. Draußen ist es warm und nicht zu windig. Die frische Luft wird dir guttun.“

„Was für eine brillante Idee …, Tante Louise“, antwortete er folgsam.

„Und sobald du dich dazu in der Lage siehst, bist du herzlich willkommen, mit uns im Speiszimmer zu dinieren. Natürlich nur, solange wir keine Gäste haben. Dein Anblick würde sie doch allzu sehr erschrecken.“

„Mama!“, rief Penelope entrüstet.

„Lass nur“, kam die beschwichtigende Stimme vom Bett her. „Deine Mutter hat recht, mit mir ist derzeit sicher kein Staat zu machen. Kann mir bitte jemand einen Spiegel bringen, damit ich mich selbst davon überzeugen kann, wie schlimm ich aussehe?“

„Aber selbstverständlich“, sagte Mylady und zog energisch am Klingelstrang. „Man soll dir auch ein Rasierzeug bringen. Wenn erst einmal dieser unkleidsame Bart ab ist, dann siehst du sicher um einiges besser aus.“

„Ich, ich … bin noch zu zittrig, um mich zu rasieren“, wandte ihr Gast ein. „Ich bitte um Verständnis, dass mir der Sinn nicht nach noch mehr entstellenden Narben steht.“

„Aber du hast doch gar nichts an dir, was dich entstellen könnte!“, protestierte Penelope ohne nachzudenken.

Er lächelte und warf ihr dann einen Blick unter fast geschlossenen Augenlidern zu. Sie errötete. So hatte er sie früher auch immer angesehen!

Erst am Abend, als sie vor dem Einschlafen dieses Gespräch Revue passieren ließ, kam ihr die Erkenntnis, dass sie sich geirrt haben musste. Zehnjährige warfen einander doch keine derart aufreizenden Blicke zu.

„Dann wird eben jemand anderes für die Rasur sorgen“, bestimmte Ihre Ladyschaft.

Penelope war sofort bereit, den Verletzten zu verteidigen. Warum sollte er den Bart nicht behalten dürfen, wenn er das unbedingt wollte? Wie sich schnell herausstellte, brauchte er in diesem Fall ihre Hilfe nicht: „Ich muss meinen Bart behalten, Tante Louise. Es handelt sich um eine Wette mit … mit einem anderen Offizier. Es ist eine Frage der Ehre.“

Da gab sich Lady Panswick ohne Widerrede geschlagen. Wenn es etwas gab, über das man nicht zu diskutieren brauchte, dann war das die Ehre eines Gentlemans.

„Ach, Matthew.“ Sie wandte sich an den Diener, der eben im Türrahmen erschienen war: „Bring einen Handspiegel und stellt die Kupferwanne mit warmem Wasser bereit. Leutnant Barnett möchte sich frisch machen.“

Verlobung wider Willen

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