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Kapitel 2

Vom Vorplatz aus war Hufgetrappel zu hören und die große Standuhr schlug laut und vernehmlich zur vollen Stunde. Penelope saß in ihrem neuen, himmelblauen Tageskleid auf dem Sofa im Salon und knetete ein Batisttaschentuch in den vor Aufregung schweißnassen Händen. Rosie hatte ihre blonden Locken gebürstet, am Hinterkopf aufgesteckt und mit einem Seidenband in der Farbe des Kleides geschmückt. Ein paar Locken kringelten sich um die Ohren und im Nacken. Penelope verschwendete keinen Gedanken daran, wie außergewöhnlich hübsch sie war. Sie dachte nur: Ach, wäre doch alles schon vorüber! Hätte er doch schon den Antrag gestellt. Und hätte ich doch schon die alles entscheidende Frage hinter mich gebracht, ob er mir gestatten würde, mich auch in seinem Heim um die Tiere zu kümmern.

Pferde und Schafe waren ihr Lebensinhalt. Sie hatte sich in den letzten Jahren so großes Wissen über die Heilkunst von Tieren angeeignet, dass selbst der erfahrene Stallmeister von Lady Stonesdale ihr Respekt zollte und sie bisweilen um Rat fragte. Würde ihr Mr Northbrook erlauben, sich entgegen allen Konventionen, weiter um Vierbeiner zu kümmern? Wenn seine Antwort auf ihre Frage ja lauten sollte, worauf sie inständig hoffte, dann würde das auch ihre Antwort auf seine Frage sein. Denn Charles Northbrook schien tatsächlich ein angenehmer Mensch zu sein, der einen ganz passablen Gatten abgeben konnte. Vom Sehen kannte sie ihn seit ihrer Kindheit. Sein Vater war der jüngere Bruder eines Viscounts und die Familie lebte auf einem Landsitz südlich von Tunbridge Wells. Da war es nur natürlich, dass man sich immer mal wieder über den Weg lief. Allerdings war Charles fast acht Jahre älter und darum hatte er lange Zeit keinen zweiten Blick auf sie verschwendet. Vor drei Jahren verlobte er sich mit einer jungen Dame, die wenig später an demselben Fieber verstarb, das auch Penelopes Vater, den Viscount of Panswick, sowie den Ehemann ihrer Cousine Agatha dahingerafft hatte. Inzwischen war die Trauerzeit vorüber und Charles Northbrook wandelte wieder auf Freiersfüßen. So kam es, dass sie seit einigen Wochen das Ziel seiner Aufmerksamkeit war. Anfangs hatte sie das gar nicht bemerkt und bei abendlichen Veranstaltungen völlig unbefangen mit ihm geplaudert und sich aufs Parkett führen lassen. Erst als sie von Mama eindringlich ermahnt worden war, diese Chance nicht wieder ungenutzt verstreichen zu lassen, war sie sich der Tatsache bewusst geworden, dass er sie umschwärmte. Bei diesem Gentleman würde sie keinen akzeptablen Grund finden, ihn abzulehnen. Sie dachte an die hoffnungsfrohen Erwartungen ihrer Mutter und beschloss, alles zu tun, um an diesem Abend als verlobte Frau zu Bett gehen zu können.

„Ist es Ihnen recht, wenn wir das Teetablett hier platzieren, Lady Penelope?“

Die Worte des Lakaien schreckten sie aus ihren Gedanken. Sie fand die vielen Diener, die sie umgaben, immer noch gewöhnungsbedürftig. Seit ihre älteste Schwester Frederica im letzten Jahr den reichen Earl of Derryhill geheiratet hatte, standen, im Gegensatz zu früher, ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung, die es Mama erlaubten, einen standesgemäßen Haushalt zu führen. Penelope bemerkte, dass einer der kleinen runden Tische zum Sofa gerückt worden war und ein zweiter Diener sich bemühte, eine bodenlange, weiße Tischdecke darüber zu breiten.

In diesem Augenblick wurde laut und vernehmlich der Türklopfer betätigt. Das konnte nur eines bedeuten: Mr Northbrook war eingetroffen.

„Ja, gern“, antwortete sie daher schnell, während ihr Herz vor Aufregung noch um einige Takte wilder zu schlagen begann. „Aber bitte beeilen Sie sich, mein Gast scheint soeben angekommen zu sein.“

„Natürlich, Mylady!“

Der Diener rückte das Tablett auf dem Tisch zurecht, legte kleine Silberlöffel neben die feinen Tassen aus blau-weißem Wedgwood Porzellan und schob die Etagere in Reichweite, auf die die Köchin kleine süße Köstlichkeiten drapiert hatte. Dann zogen sich die beiden mit einer Verbeugung zurück und wären im Türrahmen beinahe mit dem Butler zusammengestoßen. Dieser beobachtete ihren Abzug mit erhobenen Augenbrauen, bevor er sich umdrehte, um mit würdevoller Stimme zu verkünden: „Mr Charles Northbrook, Mylady.“

Da ihm dieser bereits auf dem Fuße folgte, hatte Penelope keine Zeit mehr „Ich lasse bitten!“ zu sagen. Rasch ließ sie ihr Taschentuch hinter einem Kissen verschwinden und sprang auf, um ihrem Gast entgegenzugehen. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, dass der Butler den Raum wieder verlassen hatte. Natürlich nicht, ohne die Tür einen Spaltbreit offen stehen zu lassen. Ein Mann und eine junge Frau, die weder miteinander verwandt noch verheiratet, ja noch nicht einmal verlobt waren, hatten sich keinesfalls allein hinter geschlossenen Türen aufzuhalten. Niemand wusste das besser als der oberste Diener eines herrschaftlichen Hauses. Penelope war mit Mr Northbrook allein.

Rasch warf sie ihm einen Blick zu, bevor sie in einen angemessenen Knicks versank. Mama hatte sich nicht geirrt! So elegante Kleidung trug man nicht zu einem informellen Vormittagsbesuch. Nur für Ereignisse von Gewicht zwängten sich junge Herren schon tagsüber in ihre engste Jacke aus Schurwolle. Penelope gestand sich ein, dass diese die trainierten Schultern ihres Verehrers vortrefflich betonte. Das Halstuch war so kunstvoll geknüpft, dass es ihren Bruder Bertram vor Neid hätte erblassen lassen. Er versuchte seit Jahren, die kunstvolle Technik zu perfektionieren, doch diese Bemühungen waren nicht immer von Erfolg gekrönt.

„Meine liebe Lady Penelope!“ Ihr Besucher kam mit großen Schritten näher und ergriff die Hand, die sie ihm entgegenstreckte, um sich galant darüber zu verbeugen.

Sie wusste, dass sie eigentlich die Augen weiterhin sittsam zu Boden hätte schlagen müssen, aber dafür war sie viel zu gespannt darauf, seine Gesichtszüge zu beobachten. Wie würde er blicken, während er sich ihr erklärte? Würde er ernst schauen? Wild und zu allem entschlossen? Oder freundschaftlich mit einem Zwinkern in den Augen?

Rasch erinnerte sie sich an ihre Manieren: „Wie schön, Sie zu sehen, Mr Northbrook. Mama wird sich sehr freuen, dass Sie uns besuchen. Ich werde sie umgehend holen lassen.“

Sie ging ein paar Schritte zur Seite und tat so, als würde sie zum Klingelstrang greifen. Mit angehaltenem Atem wartete sie auf seinen Widerspruch, der prompt erfolgte.

„Einen Augenblick!“, hörte sie seine Stimme hinter ihrem Rücken. Auch diese klang atemlos.

Penelope ließ den Arm wieder sinken. Ihre Mutter wäre alles andere als erfreut gewesen, hätte sie sie gerufen, bevor der Antrag vorgebracht worden war. Aber sie hatte das Gefühl gehabt, zumindest so tun zu müssen, um den Anstand zu wahren. Nun drehte sie sich langsam um und bemühte sich um ihr reizendstes Lächeln. Wieder begann ihr Herz wie wild zu schlagen. Gleich war es so weit! Gleich würde er vor sie hintreten! Gleich gab es kein Entkommen mehr.

Sei glücklich!, befahl eine strenge innere Stimme, die verräterisch nach der ihrer Mutter klang. Du bist alt genug! Willst du wirklich warten, bis deine Schönheit vergangen ist? Er ist besser als viele andere. Sei froh, dass er dich zur Gemahlin nehmen will!

Mr Northbrook stand nun vor dem kleinen Teetischchen, das extra für ihn aufgebaut worden war, die Wangen gerötet, das Lächeln saß etwas schief. Der Atem ging schnell und stoßweise. Dass er ebenso aufgeregt war wie sie selbst, beruhigte Penelope etwas. Vielleicht passten sie doch besser zusammen, als sie insgeheim fürchtete.

„Meine liebe Lady Penelope!“, sagte er noch einmal und ergriff wieder ihre Rechte. Mit einer hektischen Bewegung sank er vor ihr auf ein Knie … und dann nahm das Unglück seinen Lauf.

Verlobung wider Willen

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