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Kapitel 9

„Was soll das heißen, der Arzt ist krank?“, fuhr Lady Panswick den Diener an. „Hast du ihm denn nicht gesagt, wie dringend wir ihn hier auf Lancroft Abbey benötigen? Dass ich persönlich es war, die nach ihm geschickt hat?“

„Ja, selbstverständlich habe ich das, Mylady, aber seine Frau meinte, da sei nichts zu machen. Mit so einem Ziegenpeter sei nicht zu spaßen!“, erklärte der Lakai und fühlte sich selbst äußerst unwohl in seiner Haut, da mit seiner Dienstherrin ebenso wenig zu spaßen war.

Ihre Ladyschaft bedachte ihn mit einem ungehaltenen Blick, als wäre er höchstpersönlich an der Krankheit des Mediziners schuld, und gab ihm dann ein energisches Zeichen, dass er sich zurückziehen solle. Was er nur zu gern tat.

Daraufhin begann sie, wie es ihre Art war, wie ein Tiger im Käfig im Wohnzimmer auf und ab zu gehen.

Penelope hatte die Hände noch auf den Tasten des Spinetts liegen, so, als wäre sie bereit, mit dem abendlichen Spiel fortzufahren. Und doch hatte sie die Ohren gespitzt und wartete aufgeregt auf Mamas nächste Worte. Am Nachmittag hatten die beiden eine weitere unangenehme Unterredung gehabt, die für Penelope, wie meistens, äußerst unbefriedigend geendet hatte.

Es war am späten Nachmittag gewesen, als man den Verletzten ins Herrenhaus gebracht hatte. Ihre Ladyschaft hatte das beste Gästezimmer für ihn herrichten lassen. Penelope war soeben von ihrem Ausritt zurückgekehrt, als die Diener die Trage in den ersten Stock schafften, eifrig bemüht zu verhindern, dass der Verletzte seitlich zu Boden fiel. Dass er dabei ein paar Worte sprach und kurze Schreie des Schmerzes von sich gab, war ein deutliches Zeichen dafür, dass er das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Lady Panswick persönlich hatte den ungewöhnlichen Transport mit Argusaugen überwacht und mit energischer Stimme Anweisungen erteilt. Natürlich hatte Penelope umgehend wissen wollen, wer der außergewöhnliche Besucher war, dem ihre Mutter da Unterkunft gewährte.

Diese jedoch hatte ihr befohlen zu warten und war im Gästezimmer verschwunden, um sicherzustellen, dass man den Neffen ihres verstorbenen Gatten wohlbehalten zu Bett brachte. Dann schickte sie einen der Diener aus, um den Arzt zu holen, und begab sich zu ihrer Tochter, die ungeduldig in der Halle gewartet hatte, Reithut und Gerte noch immer in der rechten Hand.

„Du erinnerst dich doch sicher an Peter Barnett“, begann Ihre Ladyschaft, als sie die letzten Treppenstufen erreicht hatte. „Er hatte die Klugheit, sich nach Tunbridge Wells bringen zu lassen, damit ich mich um ihn kümmern kann.“

„Peter Barnett?“, wiederholte Penelope. „Cousin Peter? Den, den du so gern mochtest, dass du ihn immer als deinen Neffen bezeichnet hast? Oh, wie schön, ihn wiederzusehen! Was ist mit ihm passiert? Warum liegt er auf einer Bahre?“

„Er ist verletzt. Was genau ihm fehlt, wird der Arzt wohl in Kürze feststellen. So, und nun begib dich in dein Zimmer zum Umkleiden. Wir essen in einer Stunde.“

Doch Penelope war viel zu aufgeregt, um sich diesem Wunsch zu fügen: „Darf ich ihn sehen, Mama? Denkst du, dass er schwer verletzt ist? Kann ich helfen, ihn zu versorgen?“

„Natürlich kannst du ihn sehen, Penelope, aber nicht jetzt“, bestimmte ihre Mutter. „Der Bedauernswerte scheint in der Tat schwerer verletzt zu sein, als ich mir das wünschen würde. Mir kommt vor, er hat zudem hohes Fieber. Derzeit ist er sicherlich nicht der richtige Anblick für ein junges Mädchen.“

„Aber, Mama“, protestierte Penelope. „Peter ist doch mein Cousin. Wir haben als Kinder viel Zeit miteinander verbracht und ich habe ihn noch in so guter Erinnerung. Lass mich ihm helfen! Ich kenne mich mit Tieren aus, wie du sehr wohl weißt, Mama. Die Unterschiede zum Menschen sind nicht allzu groß. Darf ich mir seine Wunden ansehen? Mama, bitte!“

Sie hatte flehentlich zu ihrer Mutter hinaufgeblickt. Doch es gab keinen Blick, der diese hätte erweichen können.

„Mach dich nicht lächerlich, Penelope!“, hatte daher auch schon der scharfe Kommentar gelautet, dem sie einen geringschätzigen Blick hinterherschickte. „Wir wollen doch auf dem Boden der Tatsachen bleiben! Es ist nie gut, wenn eine junge Frau die eigenen Fähigkeiten überschätzt. Der Arzt wird alles Notwendige veranlassen. Der braucht deine laienhafte Hilfe bestimmt nicht.“

„Aber, Mama …!“, hatte ihre Tochter einen letzten Versuch gestartet.

Doch Lady Panswick hatte energisch den Kopf geschüttelt und ihr mit einer Geste Einhalt geboten: „Du darfst Peter besuchen, sobald er wieder halbwegs auf den Beinen ist, und nicht einen Tag früher. Jetzt will ich kein Wort mehr darüber hören! Geh auf dein Zimmer, Rosie wartet bestimmt schon auf dich.“

Das war vor knapp drei Stunden gewesen. Und jetzt stand Lady Panswick mitten im Wohnzimmer und bedachte ihre Tochter mit einem prüfenden Blick aus zusammengekniffenen Augen. Diese spürte, wie die Aufregung wieder von ihr Besitz ergriff. Doch diesmal war es kein negatives Gefühl. Es war das gute Gefühl, kurz vor Erreichung eines wichtigen Ziels zu stehen. Sie kannte ihre Mutter viel zu gut, um nicht zu wissen, was in diesem Augenblick in ihr vorging. Mit einem seltenen Gefühl von Zufriedenheit im Herzen tat sie so, als würde sie all das nicht bemerken, und begann die ersten Takte von Mozarts Kleiner Nachtmusik anzustimmen.

Ihre Ladyschaft trat so schnell zu ihr hin und klappte den Deckel zu, dass sie gerade noch Zeit hatte, die Finger darunter hervorzuziehen.

„Gut, meinetwegen!“ Ihr Seufzer kam aus tiefster Seele. „Wenn es so sein soll, dann soll es eben so sein. Kümmere dich, in Gottes Namen, um deinen armen Cousin. Als derart naher Verwandter kommt er als passender Gemahl ohnehin nicht infrage. Immerhin gibt es ja die Barnett-Regel. Und bei einem deiner Brüder hätte ich ja auch nichts dagegen gehabt. Also widerspricht es wohl nicht allzu sehr den Konventionen, wenn du dich an seiner Pflege beteiligst. Nicht, dass ich es ausdrücklich betonen müsste, aber sorge stets dafür, dass die Schicklichkeit gewahrt bleibt!“

Penelope war aufgesprungen. „Danke! Ich danke dir vielmals, Mama!“

„Was, um Himmels …“

Lady Panswick kam nicht dazu, diesen Ausruf zu beenden, denn da hatte ihre Tochter sie schon so fest umarmt, ihr einen Kuss auf die Wange gedrückt und noch einmal „Danke, Mama, danke aus ganzem Herzen!“, ausgerufen.

Umarmungen waren in der Familie Barnett nicht üblich und so machte sich die Ältere auch schnell wieder los. Nicht aber, ohne ihre Tochter mit einem liebevollen Blick zu bedenken. Ihr Eifer, einem Verwandten helfen zu wollen, rührte sie. Und ihre anschließenden Worte: „Du glaubst gar nicht, wie ich mich freue, endlich wieder eine vernünftige Aufgabe zu bekommen, Mama. Die Zeit schleppt sich allzu zäh dahin, wenn man das Gefühl hat, zu nichts nütze zu sein!“, konnte sie aus vollem Herzen verstehen. Auch sie brauchte immer eine erfüllende Tätigkeit. Das war auch der Grund dafür, dass sie die Angelegenheiten von Lancroft Abbey nur zum Teil in die Hände des Verwalters gelegt hatte, obwohl dieser ein durchaus fähiger Mann war.

„Shipton hat Matthew und Steven ausgewählt, sich abwechselnd um Peter zu kümmern“, sagte sie, bemüht, sich die Rührung nicht anmerken zu lassen. „Ich halte es nicht für gut, wenn er alleine ist. Auch in der Nacht nicht. Zumindest nicht in der Anfangszeit, solange es ihm noch so schlecht geht.“

„Denkst du wirklich, er ist so schwer verletzt, Mama?“

Ihre Ladyschaft zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nichts Genaues. Bei Drewes im Stall hat mir sein Zustand so gar nicht gefallen. Aber am besten machst du dir selbst ein Bild.“

„Das mache ich sofort, noch einmal vielen Dank, Mama! Ich verspreche dir, mein Bestes zu geben.“

Penelope wollte eiligen Schrittes an der Mutter vorbei zur Tür stürmen, als ein fester Griff am Oberarm sie zurückhielt: „Traust du dir das auch wirklich zu?“

Penelope nickte, ungeduldig darauf aus, endlich ins Krankenzimmer zu kommen.

„Nun gut, dann tu, was du kannst. So hat all das, was du von den Stallmeistern in Bezug auf die Tiere gelernt hast, wenigstens einen Sinn. Gib den beiden Burschen genaue Anweisungen, was sie zu tun haben. Hörst du?“

„Mach ich, Mama!“ Penelope befreite sich aus dem Griff.

„Und, Penelope, wenn dich schockiert, was du siehst … ähem … was immer es ist … ähem … ja, also, wenn du einen Anblick nicht erträgst, oder dir etwas besonders ungewöhnlich erscheint, dann verlasse den Raum und gib deine Anweisungen von der Tür aus.“

„Mache ich, Mama!“, bestätigte Penelope noch ein weiteres Mal und fragte sich, was sie denn wohl bei ihrem Cousin schockieren sollte, was sie nicht schon bei Schafen und Pferden gesehen hatte.

„Na gut, mein Kind, dann ab mit dir nach oben.“

Das ließ sich ihre Tochter nicht zwei Mal sagen und verließ das Wohnzimmer.

Lady Panswick blieb noch einige Minuten regungslos stehen. Das sind wahrlich ungewöhnliche Zeiten, in denen wir leben, ging es ihr durch den Kopf. Sie selbst hätte es nie gewagt, ihre Mutter zu küssen, wenn diese ihr nicht die Wange dazu dargeboten hatte. Außerdem kannte sie keine andere junge adelige Dame, die sich für Heilkunst interessierte. Und die mehr vom Leben wollte, als schön auszusehen, ein Instrument zu spielen, Sofakissen zu besticken und eines Tages eine gute Partie zu machen. Mr Northbrook wäre solch eine gute Partie gewesen. Sie seufzte abermals und dann erkannte sie zu ihrem eigenen Erstaunen, wie stolz es sie machte, dass diese junge Frau ausgerechnet ihre Tochter war. Noch dazu Penelope! Nicht Frederica, die Tüchtige. Die, die immer einen Ausweg fand, mochte die Lage noch so misslich sein. Nicht Vivian, die Rebellische, die mit ihrer Meinung nie hinter dem Berg hielt und sie mit ihrer offenen Ausdrucksweise und ihrer Furchtlosigkeit schon so manches Mal in Atem gehalten hatte. Nein, Penelope, die sie bisher mit kritischem Blick als still, verträumt und eher willensschwach eingestuft hatte. Deren Engagement für Tiere ihr eher lästig erschien als bewundernswert. Die griff jetzt beherzt zu, da ein Verwandter Hilfe brauchte. Vor sich selbst, allein im Wohnzimmer, scheute sich Lady Panswick nicht zuzugeben, dass sie ihre mittlere Tochter bisher wohl stets unterschätzt hatte.

Verlobung wider Willen

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