Читать книгу Grenzen - Sorin Mirel Constantin - Страница 14
Zeichen am Kontrollposten
ОглавлениеEin Rüssel, weiß gestreift, die leuchtenden Flügel eines Schmetterlings und die Frage, die gleiche Frage, diesmal im Sprechchor:
»Welches Zeichen haben wir hier am Kontrollposten?«
Ja, er wisse, dass das Schild eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h vorschreibe, er wisse aber auch, dass er nicht einmal 20 fahren konnte, die Straße, die vielen Löcher, wie Bombenkrater, hätten das nicht erlaubt. Der Polizist lächelt, sie können es nicht begreifen, wieso er das tut. Er verlangt keine Papiere, er schaut sich das Nummernschild nicht an, er sagt nur:
»Fahren Sie weiter, aber bitte nicht schnell!«, und salutiert.
Das Fenster bleibt offen, Alexandru sitzt da mit offenem Mund, weiß nicht, was er sagen soll, fährt nicht weiter. Eine Ewigkeit, eine ewige halbe Minute, und der Wagen beginnt sich zögerlich zu bewegen. Wird er nicht doch laut »Halt!« schreien, oder gibt es nach zwanzig Metern noch einen Schmetterling, der diese Aufgabe erledigt? Sie dürfen tatsächlich weiterfahren. Ihre Herzen pochen laut, sie atmen schnell, oberflächlich. Was passiert jetzt, etwas muss doch passieren? Der Wagen rollt langsam über die holprige Straße, das Licht der Scheinwerfer zittert eine Zeit lang mit. Sie haben sich alle beruhigt, die Straße wird glatt, wird breiter, Alexandru kann jetzt schneller fahren, sie sind auf der Autobahn. Die einzige Autobahn des Landes, einhundertachtzig Kilometer lang. Keiner von ihnen spricht, man hört nur den Motor des Wagens schnurren, eine Katze auf dem sicheren Sprung ins Ziel. Bald haben sie es geschafft.
Plötzlich fangen sie alle laut an zu lachen. Es ist tatsächlich möglich, dass es auch auf der Autobahn Schmetterlinge gibt.
Ein Kontrollposten mitten auf der Autobahn und ein junger Polizist, der eine bekannte Frage stellt:
»Welches Zeichen haben wir hier am Kontrollposten?«
»Hier darf man nur 30 km/h fahren, ich bin einhundertsechzig gefahren! Es ist ein Uhr nachts und wir möchten endlich ans Ziel kommen.«
Der junge Polizist blickt Alexandru erstaunt an, fängt sich aber schnell.
»Mit solchen Leuten wie Ihnen kann ich mich sehr gut unterhalten, Sie gefallen mir. Sie sind ehrlich und das ist, was zählt! Sagen Sie, woher kommen Sie?«
Alexandru dreht sich nach hinten, greift in die Tasche auf der Rückbank und holt eine Packung Karelia heraus und drückt sie dem Polizisten in die Hand. Dieser schaut sich die Packung an und schaut dann Alexandru an, ohne etwas zu sagen, er schaut ihn einfach nur an, und Alexandru erinnert sich an diesen Blick, der sagt: Glaubst du, dass ich mich mit so viel zufriedengebe? Alexandru dreht sich erneut um, greift in die Tasche und holt eine zweite Packung von den Zigaretten, die er in Griechenland gekauft hat, und reicht sie dem Polizisten. Das Spiel der Blicke wiederholt sich, nach der dritten Packung drückt Alexandru aufs Gaspedal.
Im Rückspiegel sieht man den jungen Polizisten regungslos, mit offenem Mund dastehen, mitten auf der einhundertachtzig Kilometer langen Autobahn, der Stolz der Bevölkerung und des Auserwählten, des ersten Sohnes des Landes.
Er fährt schnell, er will aus diesem Alptraum mit Schmetterlingen und gestreiften Rüsseln heraus, am liebsten würde er schweißnass und zitternd aus diesem bösen Traum in seinem Bett erwachen.