Читать книгу Texten fürs Web: Planen, schreiben, multimedial erzählen - Stefan Heijnk - Страница 33
Maßnahme 3: Das Wichtigste ins erste Viertel
ОглавлениеIm Responsive Design verwandeln sich je nach Displaygröße breit laufende Desktopseiten in mobile Textsäulen-Seiten – und umgekehrt. Die Content-Hierarchie ist auf einer mobilen Startseite deshalb strikt von oben nach unten geordnet – einfach weil es kaum Möglichkeiten gibt, Inhalte nebeneinander zu platzieren. Durchschnittlich wird nur das erste Viertel mobiler Startseiten betrachtet, ehe das Scrollen stoppt. Zum Vergleich: Auf Desktop-Startseiten endet das Scrollen durchschnittlich erst nach gut einem Drittel (34 Prozent) der jeweiligen Gesamtlänge. Dennoch liegt die durchschnittliche Verweilzeit auf einer mobilen Startseite bei 22 Sekunden, während sie für Desktop-Startseiten nur 16 Sekunden beträgt. Und: Während auf den Desktop-Startseiten durchschnittlich nur 57 Prozent auf einen weiterführenden Link klicken und tiefer in die Site einsteigen, sind es auf mobilen Startseiten 68 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nutzer also tiefer in die Site einsteigt, ist im mobilen Web um 20 Prozent höher. Webtraffic-Analyst Chartbeat hat für diese Befunde im Zeitraum von Januar 2017 bis März 2018 die Daten von 50.000 getrackten Sites mit 50 Milliarden Page Impressions pro Monat ausgewertet.
Abb. 48:Hamburger-Menüs können sehr sinnvoll sein – sie können aber auch Reichweite kosten. Wenn Such-Optionen auf einer Site nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig genutzt werden, ist es besser, sie nicht zu verstecken. Quelle: lukew.com, eigener Screenshot.
Auch wenn die absoluten Seitenlängen aus den Analysedaten nicht abzulesen sind, so lässt sich dennoch durchaus schlussfolgern, dass Nutzer auf mobilen Startseiten relativ fokussierter agieren und genauer hinschauen, bevor sie etwas anklicken und zu einer Artikelseite wechseln. Entsprechend ist es essenziell, die wichtigsten Inhalte möglichst weit oben zu positionieren. Eigentlich sollte das selbstverständlich sein, in der Praxis bleibt das aber immer wieder gern unberücksichtigt. Etwa dann, wenn viel zu große Corporate-Design-Fotos gleich die gesamte erste Bildschirmportion der mobilen Startseite füllen.
Interessant ist in diesem Kontext, in welchen Zeitfenstern das Scrollen auf dem Smartphone abläuft, abhängig davon, ob die Seite schon geladen ist oder nicht. Für unvollständig geladene Mobilseiten gilt: Innerhalb der ersten 4 Sekunden starten 9 Prozent der Nutzer mit dem Scrollen, 21 Prozent innerhalb von 9 Sekunden, 47 Prozent innerhalb von 14 Sekunden. Ist die Seite hingegen komplett auf dem Schirm, starten die Mobilnutzer flotter ins Scrollen: Innerhalb der ersten 4 Sekunden sind es 11 Prozent, 37 nach 9 Sekunden und 90 Prozent innerhalb von 14 Sekunden (siehe Abb. 50). Das bedeutet: In den ersten vier Sekunden gibt es kaum einen Unterschied zwischen vollständig und unvollständig geladenen Seiten. Nach 14 Sekunden allerdings haben auf unvollständig geladenen Mobilseiten nur etwa halb so viele Nutzer weiter nach unten gescrollt wie auf vollständig geladenen Seiten. Die Studie von Scientiamobile macht leider keine Angaben zur jeweiligen Scrolltiefe. Es ist aber anzunehmen, dass die Nutzer auf vollständigen Seiten deutlich weiter nach unten gelangen – und mehr Inhalt rezipieren (können). Auf unvollständig geladenen Seiten wird eben länger gewartet. Vermutlich nicht mit guten Gefühlen.
Abb. 49:Durchschnittliche Scrolltiefe auf Desktop- und auf mobilen Startseiten im Vergleich. Mobil wird vor allem das erste Viertel betrachtet, auf dem Desktop das erste Drittel. Quelle: Chartbeat.
Abb. 50:Scroll-Verhalten in der Scanphase auf mobilen Webseiten. Quelle: Scientiamobile.
Warum sich die Nutzer mobil teilweise deutlich anders verhalten, lässt sich nur vermuten. Eine mögliche Erklärung für die relativ geringere Scrolltiefe auf den Startseiten, für die relativ kürzeren Visit-Verweilzeiten und für die relativ ähnlichen Seiten-Verweilzeiten könnte ziemlich naheliegend sein: Wer unterwegs ist und außerhalb der eigenen vier Wände ins Web geht, bringt per se einfach weniger Zeit fürs Sichten und Auswählen mit – und muss schneller entscheiden.
Begünstigt wird dieses schnellere Entscheiden durch das kleinere Display: Mobil ist die zu scannende Oberfläche einfach deutlich kleiner als am Desktop, sodass weniger Optionen in die Auswahl gelangen. Der kognitive Aufwand ist mobil also geringer. Tieferes Scrollen ist mobil entsprechend kontraproduktiv, denn scrollen bedeutet, die Anzahl möglicher Auswahloptionen zu vergrößern – und den kognitiven Aufwand wieder zu steigern.
Entsprechend wird im mobilen Website-Kontakt tendenziell wohl eher nicht so gern gescrollt. Ist man aber erst einmal am Ziel angekommen, dann wird mobil in ein Rezeptionsmuster umgeschaltet, das dem Verhalten am Desktopmonitor sehr ähnelt. Intensives Scrollen inklusive. Mit anderen Worten: Mobil wird bewusst oder unbewusst aus einem kleineren Angebot ausgewählt. Für die Anbieter bedeutet das: Themenauswahl und -präsentation müssen optimal abgestimmt sein auf die anzusprechende Zielgruppe.