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Exkurs: Die Gestaltgesetze – und was sie für die Navigation bedeuten

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Das Sehen ist ein konstruktiver Prozess, der biologisch bedingten Prinzipien unterliegt. Diese Prinzipien werden in der Kognitionspsychologie als Gestaltgesetze bezeichnet. Sie beschreiben, so der Verständlichkeitsforscher Peter Teigeler, »wie wir das, was an Wahrnehmungsreizen auf uns trifft, ordnen, gliedern und unserer Art zu sehen anpassen«. Das Sehen ist dabei im positiven Sinne unbelehrbar, denn diesen Gesetzen können wir nicht entrinnen, selbst wenn wir es wollten:

 Gesetz der Nähe: Was nahe beieinander ist, wird als zusammengehörig wahrgenommen; was einander fern ist, wird als nicht zusammengehörig wahrgenommen.

 Gesetz der Ähnlichkeit: Ähnliches oder Gleiches wird als zusammengehörig, Unähnliches beziehungsweise Ungleiches wird als nicht zusammengehörig wahrgenommen.

 Gesetz der Geschlossenheit: Was durch Linien zusammengeschlossen, also »geschlossen« ist, wird als zusammengehörig wahrgenommen. Was nicht durch Linien zusammengeschlossen, also »offen« ist, wird als nicht zusammengehörig wahrgenommen. Auch Weißräume können Linien formen.

 Gesetz der Erfahrung: Ähneln Formen einer bekannten Form, dann werden sie bevorzugt wahrgenommen. Ähneln Formen keiner bekannten Form, dann werden sie nicht bevorzugt wahrgenommen.

 Gesetz der guten Gestalt: Es werden bevorzugt solche Formen als Figur beziehungsweise Gestalt aufgefasst, die insgesamt einen einfachen, voraussehbaren und gesetzmäßigen Verlauf aufweisen. Formen, die kompliziert, nicht voraussehbar und nicht gesetzmäßig verlaufen, werden weniger als Gestalt aufgefasst.

Im Interface- und Interaktionsdesign für Websites wird in der Praxis nach wie vor regelmäßig gegen diese Wahrnehmungsgesetze verstoßen. Navigationselemente werden beispielsweise gern logisch falsch gruppiert und quer über die Startseite gestreut, Weißlinien trennen Navigationsmenüs oder Contentfelder, die eigentlich zusammengehören, und Ähnliches. Die Folgen dieser Fehler sind vermeidbar: In der äußerst kurzen Scan-Phase gehen durch visuell unklare Kommunikation schnell wertvolle Sekunden für unnötige Verstehensprozesse verloren, und zwar in aller Regel genau dort, wo die Site den Nutzern schnelle Orientierung bieten muss – im Navigationsrahmen. Gerade hier ist sauber zu arbeiten, damit die Struktur der Site sofort störungsfrei verstanden werden kann. Die folgenden Abbildungen 53 und 54 zeigen stellvertretend für viele andere Sites, welche Probleme durch Missachtung der Gestaltgesetze entstehen.

Der Kernbereich der Startseite ist beispielsweise mit einem weißen Hintergrund unterlegt. Die weiße Fläche formt einen Rahmen, der dem Nutzer mitteilt: »Alles, was auf der weißen Fläche steht, gehört zusammen und ist von gleicher Art«. Tatsächlich aber enthält der Kernbereich drei unterschiedliche Content-Kategorien: Auf der linken Seite ein Promo-Bild, in der rechten Spalte eine Reihe von Themen-Anreißern, deren Vollversionen über einen Link mit der Beschriftung »Details« erreicht werden, und in der Mitte einen Ticker plus Textliste sowie zwei Links mit den Beschriftungen »Details« und »More Info«. Der »Details«-Link führt hier nicht auf einen Text (wie es in der rechten Spalte der Fall ist), sondern zu einem E-Mail-Kontakt-formular. Und der »More Info«-Link führt auf die Seite, die im zweiten Screenshot zu sehen ist (s. Abb. 54). Diese Seite hat ein völlig anderes Layout als die Startseite. Hier werden also gleich mehrfach Gestaltgesetze missachtet, vor allem das Gesetz der Ähnlichkeit, das Gesetz der Geschlossenheit und das Gesetz der guten, vorhersagbaren Form.


Abb. 53:Obwohl die Grundstruktur durchaus aufgeräumt wirkt, lassen sich auf dieser Startseite eine ganze Reihe von Gestaltgesetz-Verletzungen aufzeigen. Quelle: livingston.com, eigener Screenshot.


Abb. 54:Hätten Sie’s gedacht? Dies ist eine Contentseite, die direkt von der in Abb. 53 gezeigten Startseite erreicht wird. Die Navigationselemente sind optisch und inhaltlich völlig anders gestaltet als jene auf der Startseite, sodass man glauben muss, eine andere Website vor Augen zu haben. Quelle: livingston.com, eigener Screenshot.

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