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Sonntag, 8. Mai 1994

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Dieser Tag sollte uns gehören. Ich war froh, einmal mit Susanne alleine zu sein, was in der Residenz kaum möglich war. Ständig begegnete man jemandem, wir hatten nie Zeit für uns. Und auch Renate, die Susanne dauernd umschwirrte, hatte heute Besseres zu tun. Susanne und ich wollten an diesem strahlenden Tag Sevilla erkunden. Es gab viele Ecken, die ich noch nicht gesehen hatte. Ich packte eine Flasche Rotwein ein, die wir uns irgendwo an einem schattigen Ort gönnen würden.

Wir hatten keine genaue Vorstellung, was wir uns anschauen sollten, und ließen uns einfach treiben. Zunächst streiften wir durch das Barrio de Santa Cruz, dem ehemaligen Judenviertel Sevillas. Das Labyrinth aus engen Gassen, die manchmal so schmal waren, daß man die Häuserwände fast mit ausgestreckten Armen berühren konnte, wirkte schön und geheimnisvoll. Wir strandeten schließlich an der Plaza de España, einer der für mich schönsten Orte der Stadt. Mächtig umschlang der Palacio Español, der verschiedene Baustile vereinte, halbkreisförmig die Plaza de España. An diesen Platz schloß sich der María Luisa-Park an, Sevillas grüne Lunge. Die Schatten der hohen Bäume spendeten eine angenehme Kühle gegen die drückende Hitze.

Unter einem ausladenden Gummibaum fanden wir eine Stelle, die uns geeignet erschien, den Nachmittag zu vertrödeln. Susanne breitete eine Decke aus indischem Tuch aus. Wir schmusten und unterhielten uns angeregt. Der Wein entfaltete in mir angenehme Gefühle von Leichtigkeit und Geborgenheit.

Susanne stellte mir eine Frage, die ich nicht sofort beantworten konnte. Was ich vom Weggehen hielt? Nun, was sollte ich davon halten? Für mich gab es immer zwei Arten des Weggehens. Man kann von etwas oder jemandem weggehen, ohne nachzudenken, oder man kann auch einem Zwang folgen, dann würde ich es flüchten nennen. Ich verstand nicht genau, was sie mit dieser Frage beabsichtigte. Während ich in ihrem Schoß liegend über diese Frage sinnierte, bemerkte ich nicht, daß Susanne den Kopf abgewandt hielt. Erst jetzt realisierte ich, daß sie etwas zu bedrücken schien.

»Stefan, ich habe es mir überlegt. Ich werde morgen nach Hause fliegen.«

Auf diese Äußerung war ich nicht vorbereitet und so traf sie mich wie ein Schlag in die Magengegend. Wir hatten kaum begonnen, und schon wollte Susanne unser Zusammensein beenden? Ich war völlig verunsichert und redete drauf los, um meine Ratlosigkeit zu übertünchen.

»Wieso willst du denn gehen? Was ist denn passiert?«

Susanne schwieg. Ich richtete mich auf und sah sie an. In ihrem Gesicht zeichneten sich tiefe Zweifel ab.

»He, hallo, sag schon, was ist mit dir los? Ist es wegen deines Freundes?«

Sie schüttelte den Kopf. Wenn der Grund nicht der Freund war, so konnte es kaum an ihrem schlechten Gewissen liegen.

»Stefan, die ganze Sache wird mir zu wichtig.«

Ich war über diesen Satz betroffen, aber gleichzeitig fühlte ich mich von meinen Gedanken erlöst, die mich seit Tagen beschäftigten. Susanne empfand ähnlich wie ich. Die Begegnung war für uns keine gewöhnliche Liebelei. Susanne hatte den Sprachkurs für einen ganzen Monat gebucht. Laut Vertrag müßte sie erst im Juli wieder mit der Arbeit beginnen, und sie verfügte über ausreichend Geld, um ihren Aufenthalt in Sevilla bis Ende Juni zu verlängern.

Ich versuchte Susanne mit meinem ganzen Geschick zum Bleiben zu überreden. Wir gestanden uns, daß unser Zusammentreffen etwas in uns ausgelöst hatte, von dem wir nicht wußten, was es war. Das Leben kann kurz sein und steckt voller Mühen. Warum sollten wir mutwillig etwas abbrechen, was uns beglückte?

Langsam beruhigte sich Susanne wieder, und so wurde es doch noch ein schöner und unbeschwerter Nachmittag. Abends saßen wir in einem Straßenrestaurant auf einem kleinen Platz im Barrio de Santa Cruz. Susanne war fröhlich und heiter wie eh und je, und ihre Überlegung vom Nachmittag war verflogen. Ich war darüber unendlich froh.

Suicide

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