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I. Teil

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Sterben

Ist eine Kunst, wie alles

Ich kann es besonders schön.

Sylvia Plath (aus Madame Lazarus)

Ich spürte Kälte. Als ich meine Augen aufschlug, befand ich mich in einem düsteren, grenzenlosen Raum. Ich war allein. Eine innere Stimme befahl mir aufzustehen und vorwärtszugehen, mich auf die Suche nach etwas zu begeben, das mir Wärme und innere Ruhe geben sollte.

Nachdem sich meine Augen ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich Gänge, die von diesem Ort wegführten. Ich machte mich auf den Weg und stapfte in das Dunkel hinein. Ich hatte Angst. In diesem Labyrinth aus Korridoren und Öffnungen, die in andere Räume führten, begegnete ich niemandem. Ich hatte keine rechte Vorstellung, wonach ich eigentlich suchen sollte. Ich wußte nur, daß es etwas Großes und Tiefes sein mußte. Ich passierte Kreuzungen, von denen sich weitere Gänge verzweigten. Welchen Weg sollte ich nehmen? Ich ließ mich von meinem Gefühl leiten.

Nach einer Weile des Umherirrens in einem Gang gelangte ich an eine Öffnung. Ich blieb stehen und schaute in einen dunklen Raum. Ein Sog, genährt aus einem süßen Verlangen, saugte mich in die Finsternis. Die anfängliche Gelassenheit wich einem aufsteigenden Gefühl der Beklemmung.

Ich wollte fliehen. Es gelang mir nicht, den Ausgang zu erreichen, so sehr ich mich auch bemühte; es war so, als würde ich unter Wasser laufen. Verzweifelt strampelte ich und wurde fast ohnmächtig vor Angst. Mit letzter Kraft erreichte ich den rettenden Gang und konnte dem Strudel entkommen.

Auf der Suche nach Wärme betrat ich weitere Räume, in denen ich jedoch nicht das fand, wonach ich mich sehnte. Ich wurde von verschiedenen Emotionen übermannt. Manchmal fühlte ich mich gedemütigt, dann war ich starr vor Schreck, empfand Schuld oder verfiel in Selbstzweifel.

Nach einiger Zeit begegnete ich anderen Menschen. Sie schienen nervös, unruhig und liefen seltsam gehetzt. Waren auch sie auf der Suche? Ich wollte sie fragen, doch niemand schenkte mir Beachtung, so sehr ich auch versuchte, mich bemerkbar zu machen. Ich konnte nicht glauben, daß Menschen, die mir so nah waren, mich nicht sahen.

Sie kamen mir irgendwie bekannt vor, wie Bezugspersonen aus meiner Vorzeit. Sie würdigten mich nicht eines Blickes, so als wollten sie mit ihrer Gleichgültigkeit zum Ausdruck bringen, daß ich nichts zählte und wertlos war.

Später entdeckte ich eine Frau, die eine Zuneigung in mir weckte, doch auch sie schaute mich nur stumpf und starr an. Aus ihren Augen sprach tiefe Verachtung.

Mir wurde bewußt, daß mich niemand liebte. Von allen Menschen war ich unweigerlich getrennt. Ein zerstörerischer Schmerz über längst Vergangenes nagte an mir. Mein Verlangen, an das imaginäre Ziel zu kommen, wurde immer verzweifelter. Gefühle von Scham und Wut stiegen in mir auf, die mich vorwärts trieben.

Nach einer Spanne, die ich nicht in Stunden oder Tagen ausdrücken konnte, da ich keinerlei Zeitgefühl hatte, nach langem Gehen in dunklen Gängen, kam ich an eine Öffnung, aus der ein starkes Licht drang. Es war ein glühender Schein, der in mir eine verlangende Neugierde weckte. Interessiert näherte ich mich diesem Gluthaufen. Wohlbehagen stieg in mir auf, und ich glaubte, gefunden zu haben, wonach ich suchte.

Die Glut hatte menschliche Züge, und ich konnte auf unerklärliche Weise mit ihr kommunizieren. Von dieser sonderbaren Erscheinung ging ein Gefühl des Vertrauens aus. Sie lächelte und verlegen lächelte ich zurück. In mir regte sich der Wunsch, mich niederzulassen. Von der langen Suche war ich müde und erschöpft, zweifelte aber. Die Glut lud dazu ein, mich ihr hinzugeben. So, als habe sie meine Zweifel erraten, fragte sie mich, wovor ich Angst hätte. Gerade als ich mich abwenden wollte, sagte die Glut: »Vertrau mir, ich werde dich nicht enttäuschen.« Immer wieder sprach sie weich und freundlich diesen Satz. Ich entschloß mich zu bleiben. Die Gefühle des Wohlbefindens und der Ruhe gewannen an Kraft und Raum, und ich war erleichtert, eine Quelle des Glücks gefunden zu haben. Erschöpft aber selig fiel ich in einen lang ersehnten tiefen Schlaf.

Als ich wieder erwachte, war die Glut verschwunden. Nur ein Häufchen verbrannter Asche lag an der Stelle. Erschreckt fuhr ich hoch. Ich drehte mich um, doch wohin ich auch blickte, nirgends war die Glut auszumachen. Ich rief nach ihr, doch meine Stimme verhallte ungehört. Was war geschehen? Warum hatte sich dieser Schein verflüchtigt? Ich schrie immer verzweifelter, doch nichts geschah.

Ich war von Mauern umgeben, in denen es keine Öffnungen gab. Ein unsichtbarer Ring legte sich um meine Brust. Das Atmen bereitete mir zunehmend Mühe, und meine Angst wurde immer stärker. Die Raumtemperatur fiel rapide ab. Ein Zittern durchzog meinen ganzen Körper. Ich ließ mich auf den Boden fallen, strampelte und schrie. Es half nichts.

Die Kälte breitete sich immer stärker aus, bis der Kälteschmerz meinen ganzen Körper durchdrungen hatte. Meine Kräfte schwanden. Ich erfror.

Suicide

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