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2. Absatz 2 und Absatz 3
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Abs. 2 enthält bzgl. der von Soldaten zu erbringenden körperlichen Eignung eine Erleichterung für wehrdienstbeschädigte oder einsatzunfallgeschädigte Soldaten. Er erlaubt es, von den Kriterien des Abs. 1 und des Art. 33 Abs. 2 GG abzuweichen. Die Best. orientiert sich an den Regelungen über die Weiterbeschäftigung und Beförderung der schwerbehinderten Beamten (§§ 81 Abs. 2 SGB IX i.V.m. §§ 1, 7 und 24 Nr. 1 AGG [Schutz von Beamten wegen einer Behinderung], § 128 Abs. 1 SGB IX, § 5 Abs. 1 BLV).
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Abs. 2 war notwendig, weil § 81 SGB IX mit den daraus ableitbaren Pflichten des Dienstherrn gegenüber Schwerbehinderten für Soldaten nicht ohne Weiteres gilt (vgl. § 128 Abs. 4 SGB IX). Hier bietet schwerbehinderten Soldaten inzwischen allerdings § 18 SoldGG Schutz.[381]
Es wäre möglich gewesen, ohne ausdrückliche gesetzl. Ermächtigung über die bisher im Erlassweg[382] vorgegebene und interpretierbare Begrifflichkeit der Dienstunfähigkeit eine generelle Lockerung der Voraussetzungen zur Belassung körperlich geschädigter Soldaten im Dienstverhältnis zu erreichen. Zur inhaltl. Ausgestaltung der Dienst(un)fähigkeit insbes. im Hinblick auf die körperliche Eignung und die gesundheitlichen Voraussetzungen für bestimmte dienstl. Verwendungen steht dem Dienstherrn ein gewisser Spielraum[383] zu. Da der Gesetzgeber aber nicht alle schädigenden Ereignisse im selben Maße als privilegierend anerkennen wollte, hat er mit Rücksicht auf Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 eine gesetzl. Ausnahmeregelung bevorzugt. Als Folge der gesetzl. Regelungen in § 3 Abs. 2 und 3 sowie in § 7 Abs. 1 Satz 1 EinsatzWVG zur ausnahmsweisen Weiterbeschäftigung von (auch früh., s.u. Rn. 115) Soldaten, die aufgrund bestimmter schädigender Ereignisse ein derart verringertes Maß körperlicher Eignung vorweisen, das (truppen-)üblichen Anforderungen nicht mehr genügt und ohne Eingreifen des Gesetzgebers deshalb normalerweise ein Verbleiben im Dienst ausschließen müsste, ist allerdings der ursprüngliche weite Spielraum der Exekutive hins. der Grenzen der Dienstfähigkeit stark beschnitten worden.[384]
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Abs. 2 erlaubt es unter Rückgriff auf den Aufopferungsgedanken, einen durch bestimmte Ursachen wehrdienstbeschädigten oder einsatzunfallgeschädigten Soldaten (oder früh. Soldaten, s.u. Rn. 115), bei dem aufgrund der Schädigung begründete Zweifel an seiner Dienstfähigkeit bestehen, so zu behandeln, dass er wegen seiner Schädigung keinen status- und dienstrechtl. Nachteil erleidet. Von ihm kann bei der Prüfung einer Entlassung oder Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit sowie bei späteren förderlichen Maßnahmen ein herabgesetztes Maß an körperlicher Eignung verlangt werden. Abs. 2 befreit den Betroffenen nicht davon, sich – abgesehen von einer verringerten körperlichen Eignung – aufgrund des Leistungsprinzips einer Bestenauslese stellen zu müssen. Insgesamt besser qualifizierte Bewerber sind vorzuziehen. Zudem ist jede Wiedereinstellung nach Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 bedarfsabhängig.[385]
Die Bevorzugung für einen geschädigten Soldaten besteht darin, dass er, obwohl er in Bezug auf seinen körperlichen Zustand oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr allen Anforderungen gerecht werden kann, die ihm in seiner gegenwärtigen Dienststellung und in den wesentlichen Dienststellungen seines Dienstgrades abverlangt werden,[386] die Möglichkeit hat, im Dienst zu verbleiben. Es reicht aus, wenn er eine aus Sicht des Dienstherrn angemessen nutzbare Tätigkeit auf einem regulären Dienstposten in den SK ausüben kann. Bei der Bewertung, ob dies noch der Fall ist, hat der Dienstherr in den vom Gesetzgeber als Ausnahmen zugelassenen Fällen einer Schädigung einen weiten Spielraum.[387] Dabei kann je nach Verwendung (insbes. bei Stabstätigkeiten oder in Ämtern der SK) z.B. ein arm- oder beinamputierter oder ein Soldat im Rollstuhl eingesetzt werden. Bringt der Soldat auch die notwendige geringere körperliche Eignung nicht auf, ist er dienstunfähig i.S.d. gesetzl. Vorschriften, und sein Dienstverhältnis muss beendet werden.
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Bis zur Neufassung des Abs. 2 und der Anfügung des Abs. 3 durch Art. 4 Nr. 2 des Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetzes[388] unterfielen nur geschädigte („aktive“) Soldaten dem Geltungsbereich des Abs. 2. War der Geschädigte zwischenzeitlich aus dem Wehrdienstverhältnis ausgeschieden, gab ihm Abs. 2 keinen Anspruch auf Wiedereinstellung auf der Grundlage einer verringerten körperlichen Eignung. Durch die Umformulierung des Abs. 2 und durch Abs. 3 wird nunmehr klargestellt, dass Abs. 2 auch bei Wiedereinstellungsanträgen angewendet werden kann, soweit nach dem EinsatzWVG kein vorrangiger Anspruch auf Einstellung in ein Wehrdienstverhältnis besteht. Auf Ausnahmen nach dem EinsatzWVG wird verwiesen (vgl. zu diesem G und Rn. 120 ff.).
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Die Regelung zur Möglichkeit der Absenkung der Eignungsanforderungen bei einer WDB in Abs. 2 ist durch das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz redaktionell gestrafft worden.[389] Insbes. die Bezugnahmen auf das SVG wurden verkürzt. Zudem wird als Bezugsperson aus den in Rn. 115 genannten Gründen nicht mehr ein Soldat genannt; die Neufassung ist vielmehr offen formuliert.
Die Fälle der gesundheitlichen Schädigungen, die nach Abs. 2 privilegiert werden, sind durch Verweisungen auf das SVG konkretisiert. Dies führt dazu, dass die Vorschrift weder aus sich heraus verständlich noch anwenderfreundlich ist. War ursprünglich das erweiterte Aufgabenspektrum der SK, d.h. der vermehrte Auslandseinsatz, Anlass für die Neuregelung in Abs. 2, wurde dieser enge Ansatz zu Gunsten der Einbeziehung bestimmter Inlandsdienste aufgegeben. Außerdem ist anzumerken, dass die Aussage in der amtl. Begr.[390], die Neufassung des Abs. 2 habe – mit Ausnahme der Härtefallregelung (s.u. Rn. 118) – die bisherige Rechtslage nicht geä., unzutr. ist. Denn durch Abs. 2 Nr. 1 a.F. war nur eine WDV durch eine Wehrdienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des Wehrdienstes i.S.d. § 81 Abs. 1 SVG erfasst, nicht aber eine WDB, welche durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Diese wird durch die pauschale Verweisung in der Neufassung des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 auf eine WDB „im Sinne des § 81 Absatz 1“ jetzt (berechtigterweise[391]) einbezogen.
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Erfasst werden folgende Fallgestaltungen:
– | Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 1. Alt.: Der Soldat hat (auch im Inland) eine WDB durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen Unfall während der Ausübung des Wehrdienstes oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse nach § 81 Abs. 1 SVG erlitten. Nach der Rspr. des BSG sind Wehrdienstverrichtungen Handlungen des Soldaten, die er zur Verrichtung des Wehrdienstes aufgrund besonderer Befehle oder allg. Dienstvorschriften oder ungeschriebener soldatischer Pflichten und mil. Grds. ausführt.[392] Die WDB ist nicht schon dann durch die Wehrdienstverrichtung entstanden, wenn ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der gesundheitlichen Schädigung und der Wehrdienstverrichtung besteht. Nötig ist insofern vielmehr ein ursächlicher Zusammenhang. Für das Erleiden eines Dienstunfalls (eines auf äußerer Einwirkung beruhenden plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren, einen Körperschaden verursachenden Ereignisses, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist, vgl. § 27 Abs. 2 Satz 1 SVG) während der Ausübung des Wehrdienstes ist nicht erforderlich, dass die Schädigung mit dem Wehrdienst ursächlich zusammenhängt. Es reicht ein zeitlicher Zusammenhang des Unfalls mit der Ausübung des Wehrdienstes aus, wobei allerdings tatsächlich mil. Dienst ausgeübt worden sein muss. Es genügt nicht, dass der Unfall während der Dienstzeit oder innerhalb des mil. Dienstverhältnisses eingetreten ist. Eine gesundheitliche Schädigung, die durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist, erfasst schon nach dem Wortlaut alle Umstände, welche die Lebensumstände eines Soldaten von denen der Zivilbevölkerung unterscheiden. Die AVV zu §§ 80–84 und 88 SVG[393] spricht von „besonderen, von den Verhältnissen des zivilen Lebens abweichenden und diesen i.d.R. fremden Verhältnissen des Wehrdienstes“. Das BSG stellt auf Umstände ab, „die der Eigenart des Dienstes entsprechen und im Allgemeinen eng mit dem Dienst verbunden sind“.[394] Erfasst sind damit alle Einflüsse des Wehrdienstes, die aus der besonderen Rechtsnatur dieses Verhältnisses und insbes. der damit verbundenen Beschränkung der persönlichen Freiheit des Soldaten herrühren. Letztere erlangt etwa bei der Kasernierung nach § 18 oder bei der Pflicht zur Kameradschaft gem. § 12 praktische Bedeutung.[395] Wehrdiensteigentümliche Verhältnisse können sich auch außerhalb der Ausübung des Wehrdienstes in der Freizeit, in Dienstpausen oder während privater Verrichtungen ergeben. |
– | Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt.: Der Soldat erleidet eine WDB i.S.d. § 81 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 SVG. Das sind zum einen die Fälle (Nr. 1), in denen er die gesundheitliche Schädigung aufgrund eines Angriffs a) wegen seines pflichtgemäßen dienstl. Verhaltens, b) wegen seiner Zugehörigkeit zur Bw oder c) bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen, denen er am Ort seines dienstl. angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war, erlitten hat. Zum anderen (Nr. 3) sind Situationen erfasst, in denen der Gesundheitsschaden durch die gesundheitsschädigenden Verhältnisse, denen der Soldat am Ort seines dienstl. angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war, herbeigeführt worden ist. Zu Nr. 1 Buchst. a (Angriff auf den Soldaten wegen pflichtgemäßen dienstl. Verhaltens) sind Zweifel angebracht, ob dieser Fall bereits durch die in § 81 Abs. 1 SVG enthaltene, durch eine Wehrdienstverrichtung herbeigeführte gesundheitliche Schädigung erfasst wird, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen gesundheitlicher Schädigung und einer dienstl. angeordneten Verrichtung i.S.d. Rspr. des BSG wohl zu bejahen wäre. Dann läge versorgungsrechtl. eine unnötige Doppelregelung vor. Der Fall der Nr. 3 ist verständlich (Beispiel: Der Soldat erkrankt während eines Auslandseinsatzes an Malaria; diese Gesundheitsschädigung ist eine WDB), wobei diese Regelung nicht nur für besondere Auslandsverwendungen[396] und ähnlich gefährliche Verwendungen, sondern für jede Dienstleistung im Ausland, z.B. als Militärattaché, gilt. |
– | Abs. 2 Satz 1 Nr. 2: Der Soldat erleidet eine gesundheitliche Schädigung durch einen Einsatzunfall i.S.d. § 63c Abs. 2 SVG.[397] Der Einsatzunfall erfasst dienstbedingte gesundheitliche Schädigungen aufgrund eines Unfalls oder einer Erkrankung während der besonderen Auslandsverwendung[398] oder gesundheitliche Schädigungen, die auf Erkrankungen und Unfälle aufgrund der besonderen vom Inland wesentlich abweichenden Verhältnisse zurückzuführen sind. Darüber hinaus liegt ein Einsatzunfall vor bei gesundheitlichen Schädigungen bei dienstl. Verwendung im Ausland, die im Zusammenhang mit einer Verschleppung, einer Gefangenschaft o.Ä. stehen.[399] |
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Bisher war Voraussetzung in allen Fällen, dass die gesundheitliche Schädigung nicht auf grobes Verschulden (grob fahrlässiges oder sogar vorsätzliches Fehlverhalten) zurückzuführen sein durfte.[400] Zu dieser grds. auch jetzt noch geltenden Einschränkung (vgl. Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1) ist in Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 jedoch eine (dem Gedanken der Fürsorge geschuldete) Härtefallregelung aufgenommen worden, die § 63c Abs. 6 SVG und § 31a Abs. 4 BeamtVG entspricht.
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Die Möglichkeit in Abs. 2, den Soldaten bei verringerter körperlicher Eignung zu privilegieren, ist als Ermessensregelung („kann . . . verlangt werden“) angelegt. Die Vorschrift gibt dem Dienstherrn notfalls die Handhabe, aus Gründen der Ersatzbereitschaft der SK von einer Weiterverwendung von tatbestandsmäßig nach Abs. 2 zu bevorzugenden Soldaten abzusehen. Auf der anderen Seite stellt die amtl. Begr.[401] zu Abs. 2 klar, dass die Exekutive sicherzustellen hat, dass ein Soldat, der aufgrund seiner Schädigung nicht mehr den wesentlichen Anforderungen seines Dienstgrades gerecht wird und nach bisheriger Regelung als dienstunfähig anzusehen ist, nicht zum Verbleiben im Dienstverhältnis gezwungen werden kann. Wenn sich dieser Soldat wegen ihm zustehender Versorgungsansprüche ausreichend finanziell abgesichert sieht, soll er – wie jeder andere Soldat auch – wegen Dienstunfähigkeit aus dem Dienstverhältnis ausscheiden können.