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1. Das öffentliche Wirtschaftsrecht als Motor einer Verwaltungsrechtsmodernisierung

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Das Wirtschaftsverwaltungsrecht lässt sich in mehrfacher Hinsicht als „Referenzgebiet“ für das allgemeine Verwaltungsrecht und das Verfassungsrecht bezeichnen. Reformentwicklungen beginnen immer häufiger nicht mehr im Umwelt-, sondern im Wirtschaftsverwaltungsrecht. Dies zeigt sich an der Diskussion um Privatisierung und Deregulierung, um neue Formen der Kooperation von Staat und Privaten und vor allem am Einsatz von Marktinstrumenten als Ausdruck einer „Ökonomisierung“ des Verwaltungsrechts[146]. Privatisierung darf also gerade nicht mit einem Abschied vom (Wirtschafts-)Verwaltungsrecht gleichgesetzt werden. Ganz im Gegenteil werden gerade durch die Privatisierung dem Wirtschaftsverwaltungsrecht neue, praktisch bedeutsame und auch aus anwaltlicher Sicht interessante Bereiche erschlossen.

Die Entstehung des Telekommunikationsrechts steht für den wohl wirtschaftlich bedeutsamsten Fall eines Abbaus staatlicher Monopole bzw ihrer Überführung in einen privaten, aber eben staatlich beaufsichtigten Markt (s. Rn 23). Genauso anerkannt ist seine Bedeutung für die verwaltungsrechtliche Systembildung[147]. Aber auch über das Telekommunikations- bzw „Regulierungsrecht“ hinaus stellt das öffentliche Wirtschaftsrecht das allgemeine Verwaltungsrecht vor neue dogmatische Herausforderungen. Dies gilt für die Public Private Partnership (s. Rn 621 ff) genauso wie für die rechtlichen Anforderungen an staatliche Allokationsentscheidungen, für die die Versteigerung von Frequenzen nur das prominenteste und keinesfalls genuin „telekommunikationsrechtliche“ Beispiel darstellt (s. unten Rn 554 ff). Dieser Einsatz von Marktmechanismen für staatlich gelenkte Verteilungsentscheidungen findet im Emissionshandel eine konsequente Fortsetzung. Insoweit muss auch das Verwaltungsverfahrensrecht auf die neuen Kooperations- und Handlungsformen reagieren, nicht zuletzt zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen „Grundrechtsschutzes durch Verfahren“[148].

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Selbst „klassische“ Materien des öffentlichen Wirtschaftsrechts sehen sich gezwungen, auf technische Veränderungen zu reagieren. Die Verbreitung des Internet verschärft viele traditionelle Probleme bis hinein in den Bereich des Datenschutzes. Die Gewerbetätigkeit mittels Internet, der „Electronic Commerce“, wirft nicht nur die Frage nach der Anwendung wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Normen zB auf Internetversteigerungen, Internetglücksspiel etc. auf[149], sondern erweist sich zunehmend als dogmatische Herausforderung für das traditionell vom territorialen Denken geprägte öffentliche Recht. So bedarf es der Begründung, warum eine niederländische Internetapotheke an die deutschen Vorschriften über den Arzneimittelhandel gebunden sein soll. Diese Fragen setzen sich fort im Bereich der internationalen Wirtschaftsaufsicht, wo sich im Kapitalmarktrecht unter dem Einfluss des Europarechts ein „transnationales Verwaltungsrecht“ entwickelt hat (s. Rn 500) und sich insbesondere im Telekommunikationsrecht Strukturen eines Kooperationsverwaltungsrechts herausbilden (s. Rn 182). Neben dem Umweltrecht ist damit das öffentliche Wirtschaftsrecht auch das wichtigste Referenzgebiet für die Europäisierung des Verwaltungsrechts. Es illustriert ferner die zunehmende Bedeutung der Rechtsvergleichung (s. Rn 18).

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