Читать книгу Layni - Herrin der Wächter - Stefanie Worbs - Страница 7

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17 Jahre später

Der Mann, der ihm am Tisch gegenübersaß, wirkte überaus argwöhnisch. Sein Blick war nachdenklich auf den Krug mit Honigwein gerichtet, den er am Griff hin und her drehte.

Dáire war zu dem Schluss gekommen, dass er bei Delian ehrlich sein musste. Andernfalls bekäme er entweder nicht, was er wollte oder, was sehr viel schlimmer war, er würde durch Delians Hand sterben.

Als Dáire den Söldner auf das Mädchen angesprochen hatte, war Delian sofort grimmig und abweisend geworden. Nur mit viel gutem Zureden hatte Dáire den Mann überzeugen können, ihm zuzuhören. Erst hatte er gedacht, der Söldner wäre schlecht auf das Mädchen zu sprechen, doch es hatte sich schnell herausgestellt, dass er sie schützte. Den Hintergrund dazu erfuhr Dáire nicht, auch wenn es ihn brennend interessierte.

Trotzdem, sein Auftrag als Botschafter war es, junge Elfen im Land zu finden und nach Tau zu bringen, damit sie dort ausgebildet werden konnten. Das hatte er Delian zumindest so gesagt. Er war auch ganz und gar ehrlich gewesen, bis auf eine Sache. Die konnte und würde er dem Söldner lieber nicht anvertrauen. Dessen Reaktion könnte Dáires Kopf, vom Hals getrennt, sein.

Sein zweiter Auftrag, und auch der aller anderen Botschafter Königin Sháinés, war es nämlich noch immer, die Eine zu finden. Natürlich wusste bis heute keiner, wer sie war. Nur dass es sich um eine Elfe handelte. Niemand kannte ihren Namen oder ihr Aussehen. Ganz zu schweigen von ihrem Aufenthaltsort oder überhaupt irgendwas. Vielleicht war sie auch noch immer nicht geboren. Dennoch wusste jeder um die Wichtigkeit dieser einen Nachfahrin des Elfenvolkes.

Das war der Hauptgrund, warum die Königin wirklich alle Jungelfen in Tau wissen wollte und weshalb sich viele Botschafter hauptsächlich um die Rekrutierung kümmerten. Wenn die Prophezeiung sich erfüllte, sollte diese eine Elfe in Tau sein. Deshalb saß auch Dáire hier. Er suchte jedoch nicht wahllos, wie viele seiner Zunftgenossen. Dáire suchte gezielt, denn er hatte Pläne, für die er sie brauchte.

Er war in den Osten gereist, weil er von einigen Altelfen hier gehört hatte. Er suchte speziell nach Alten, denn die waren etwas aufgeschlossener, als jeder Mensch es bei seinen Fragen gewesen wäre.

„Du willst sie nur nach Tau bringen?“, fragte der Söldner mit seiner rauen, ruhigen Stimme und brach damit eine lange Stille.

„Ja.“

„Sie wird dir nicht folgen“, gab Delian schlicht an, ohne den Blick von seinem Krug zu heben.

„Lass das meine Sorge sein. Verrate mir nur, wo ich sie finden kann.“

„Warum sollte ich das tun? Sie ist ...“, der Altelf ließ den Satz mit einem verzerrten Gesicht enden.

„Du würdest ihr helfen“, entgegnete Dáire. „Sie könnte von ihrem Volk lernen. Sie könnte etwas werden, was sie sich nie erträumt hat.“ Insgeheim dachte er schon an die Möglichkeit, sie wäre die, die er suchte. Allerdings hoffte er das bei jeder Elfe, die er fand, und bisher war keine die Herrin der Wächter gewesen.

Der alte Elf gegenüber sah nachdenklich aus. „Ich dachte früher auch schon mal an einen Ausflug mit ihr in die Wälder ...“, er brach ab, verzog das Gesicht und fügte an: „Layni verabscheut Magier aller Art.“

„Aber ... du ...“

„Das spielt hier keine Rolle. Sicher ist nur, dass sie niemals nach Tau gehen wird, um dort eine Ausbildung, oder sonst was anzufangen, was mit Magie zu tun hat. Deine Mühen werden vergebens sein, Botschafter. Wäre die Krone eine andere ...“

„Sie müsste keine Magie studieren. Jeder Kreis ist in Lavé vertreten. Die Königin befahl mir nur ...“

„Die Königin kann mich mal gepflegt am Arsch lecken“, unterbrach Delian ihn, was Dáire auch prompt verstummen ließ. „Sháiné ist skrupellos. Ihre Macht beruht auf ihrer Ignoranz der Meinung anderer gegenüber, wenn diese nicht mit ihrer konform geht. Es mag in Tau funktionieren, wo alle etwas überheblich sind. Da fällt das einfach nicht auf. Hier ist das nicht so. Die Menschen sind emotionaler und lassen sich mehr von ihren Gefühlen leiten.

Layni wuchs als Mensch auf. Sie ist quasi einer. Ihre Eltern gaben ihr besonderen Schutz. Sie weiß selbst nicht mal, dass sie eine Elfe ist. Auch wenn Sháiné keine Elfe wäre, die Magie beherrscht, würde Layni sie nicht leiden können. Ganz zu schweigen davon, dass sie dortbleiben wollen würde.“

„Wie kannst du dir so sicher sein? Hast du ihr je von Tau erzählt?“

„Natürlich nicht. Warum sollte ich? Wie erwähnt, stand die Idee eines Besuches, sie wurde verworfen. Punkt.“

„Es ist auch deine Vergangenheit oder täusche ich mich? Willst du ihr nicht die Wahrheit sagen?“

„Auch das tut hier nichts zur Sache.“

Dáire unterdrückte ein Murren. Der Mann vor ihm war stur und verbittert, was sein Volk anging. Er erlebte das nicht zum ersten Mal. Viele der Alten hatten sich abgewandt und zogen ein Leben unter den Menschen vor. Die Geschehnisse in der Geschichte hatten gezeigt, dass es gewaltig schiefgehen konnte, wenn zu viele Elfen an einem Ort lebten. Aber diese Geschichte hatte auch den größten Wandel in eben jenem Volk geschaffen.

Seit sie sich selbst fast gänzlich ausgelöscht hatten, hatte es bedeutende Änderungen gegeben und die hatten dafür gesorgt, dass das Elfenvolk langsam, aber sicher wieder wuchs. Auch das war ein Ziel der Königin, wie es schon das Ziel ihrer Vorfahren gewesen war. Ihr Volk wieder zu altem Glanz zu bringen. Es war ein schweres Unterfangen, doch Sháiné verfolgte es überaus ehrgeizig.

„Ich würde sie trotzdem gern besuchen und mir selbst ein Bild machen“, versuchte Dáire einen neuen Anlauf. „Auch wenn sie am Ende nicht mitkommt.“

Delian lachte auf und hob endlich den Blick zu ihm, wobei seine weißgraue Iris im Dunkel der Schänke zu leuchten schien. „Du hast ja keine Ahnung, Junge. Aber gut. Du willst dir ein Bild von Lady Layni von Thalsee machen? Dann helfe ich dir. Vielleicht bringt dich das von deinem dummen Vorhaben ab. Also hör genau zu. Layni ist Söldnerin mit Herz, Blut, Seele und ganzem Leib. Ihr Titel ist Lady, aber du wirst feststellen, dass sie keine dieser possierlichen Hofdamen ist.

Sie setzt sich für die Gerechten ein und lässt alle anderen ihre Klinge spüren. Magier verabscheut sie zutiefst. Also auch dich, Botschafter, genau wie dein Vorhaben. Sie wird dir nicht folgen. Erst recht nicht, wenn du ihr sagst, was sie ist und was deine Aufgabe ist. Du sagst, du hast ein Abkommen mit Sháiné? Bring ihr noch eine Elfe und du darfst die Alchemie studieren? Mit Magie? Wenn du sie schief ansiehst, wird Layni dich dafür töten.

Vielleicht kannst du es ihr verheimlichen, aber irgendwann kommt es raus und was sie am wenigsten leiden kann, ist der Verrat, Botschafter. Wenn du bis dahin überlebt hast, ist es gut möglich, dass du spätestens dann ihr Schwert an deinem Hals spürst. Wenn nicht schon ein Pfeil in deinem Kopf steckt.

Layni lässt sich nicht an der Nase herumführen und kichert es weg, als wäre es nur ein Späßchen gewesen. Ich muss zugeben, ihr Benehmen ist auch mir und meinen Männern geschuldet. Wir waren ein rauer Haufen und haben uns nicht darum bemüht, sie in Etikette zu unterweisen. Es hätte weder ihr noch uns gestanden.

Wenn du also wirklich vorhast, Lady Layni von Thalsee nach Tau zu bringen, dann solltest du dir einen verdammt guten Grund zurechtlegen, warum sie dich begleiten soll. Und vor allem solltest du mit nicht zu viel Sanftmut rechnen.“

Dáire hatte die Stirn gerunzelt und musterte Delian einen Augenblick. „Du sagst, sie duldet keinen Verrat und straft ihn mit dem Tod. Aber was ist mit dir? Sie weiß nicht, was du bist, richtig? Du hast sie genauso verraten. Würde sie dich auch töten?“

Delian zuckte mit den Schultern. „Was sie tun würde, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich nichts gesagt habe, um sie zu schützen. Niemand hier weiß, was ich bin. Außer dir und einem meiner Männer. Für deine Gesundheit hoffe ich, du behältst es, wie alle anderen, denen meine Magie auffiel, für dich. Egal bei wem.

Da Layni nie gelernt hat, mit Magie umzugehen, sieht sie meine wahre Natur nicht. Ich hatte auch nicht vor, es ihr zu sagen, denn Laynis Eltern wollten nichts mehr mit ihrer Familie zu tun haben. Schon als sie das erste Mal vor mir stand und ich erkannte, wer sie war, beschloss ich, den Wunsch ihrer Eltern, meiner Freunde, zu respektieren und das Kind als Mensch groß werden zu lassen. Ich ließ den Zauber auf ihr und sagte ihr auch nichts von meinem oder dem meines Freundes. Es war nie wichtig.“

„Jetzt könnte es aber wichtig werden“, rutschte es Dáire heraus.

„Was meinst du?“ Delian zog die Brauen zusammen.

Dáire lehnte sich zurück, öffnete und schloss den Mund. Der Blick des Alten blieb auf ihn geheftet und forderte stumm eine Antwort.

Er seufzte. „Es gibt eine Prophezeiung“, erklärte er halblaut.

„Was für eine?“, hakte Delian nach, beugte sich vor und stützte die Arme auf den Tisch. „Wie lautet sie?“ Der Elf wusste von den Worten, die damals für Königin Sháiné gesprochen worden waren, das hörte man heraus. Doch offensichtlich wollte er es von Dáire hören.

Nach einem weiteren kurzen Zögern wiederholte Dáire, was er von der Prophezeiung selbst kannte. Den genauen Wortlaut wusste nur Sháiné, doch jeder Botschafter bekam die wichtigsten Details.

Delians Blick wurde von Wort zu Wort düsterer. Nachdem Dáire geendet hatte, stellte sich eine lange, unangenehme Stille ein. Dáire wagte kaum, zu atmen, während die Augen des Alten seine festhielten und ihn buchstäblich durchleuchteten.

Schließlich wandte Delian den Blick ab, trank seinen Krug in einem Zug leer und stand auf. „Du findest Layni im Falken in Rabenwacht. Das liegt etwas nördlich von hier. Versuch dein Glück, aber sei nicht zu euphorisch. Wenn du willst, nenne ihr meinen Namen, aber erzähle ihr nicht ein Wort unserer Unterhaltung. Ich schwöre, dass ich dich töten werde, wenn ich es erfahre und ich werde es erfahren. Und um deiner Gesundheit willen, sprich sie mit Lady an.“ Ohne sich zu verabschieden oder ihm eine Erklärung seines Sinneswandels zu geben, ließ Delian ihn allein.

Dáire starrte ihm eine ganze Weile nach und versuchte, zu verstehen, was die Meinung des Alten so plötzlich geändert hatte. Schließlich schüttelte er den Kopf, trank seinen Wein aus und erhob sich ebenfalls. Bis Rabenwacht war es nur ein kurzer Ritt, er würde schon heute Abend dort sein und vielleicht war Lady Layni von Thalsee ja doch nicht so verschlossen, wie Delian behauptete.

Layni - Herrin der Wächter

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