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Layni

„Layni!“ Der Ruf schallte quer durch die überfüllte Schänke und ging fast im Lärm der Masse unter. Trotzdem hörte Layni es und wandte sich in Richtung des Rufers. Olrik hatte das Kinn in die Höhe gereckt, um sich größer zu machen, was bei seiner Körperlänge und der Statur mehr Schau war, als dass es Nutzen hatte. Der Wirt des Falken, der bekanntesten Schänke Rabenwachts, war mit seinen sieben Fuß und den Schultern wie ein Schrank, kaum zu übersehen. Er hob eine Hand, in der er einen Lappen hielt und winkte sie heran.

Layni lächelte und ging zu ihm. „Ich bin noch gar nicht richtig angekommen“, beschwerte sie sich gespielt und ließ sich schwer auf ihren Stammplatz fallen.

Olrik grinste und schob ihr einen großen Krug Met hin. „Ich wollte dich nur willkommen heißen. Schön, dass du wieder zu Hause bist.“ Er streckte den Arm aus und schlug ihr unsanft auf die Schulter. Früher hatte sie diese Geste einknicken lassen und tagelange Schmerzen verursacht, heute setzte Layni zum Gegenschlag an und verpasste Olrik mit einem gezielten Fausthieb einen blauen Fleck am Arm.

„Hast du gedacht, ich versage?“ Sie ließ sich wieder zurücksinken. Sie hatte halb aufstehen müssen, um überhaupt in die Nähe von Olriks Oberarm zu gelangen.

„Das würde ich nie denken“, gab er ihr amüsiert lächelnd zurück.

„Nein. Niemals.“ Layni hob den Krug und trank ihn in einem Zug halb leer. Er knallte zurück auf den Tresen, ihr Blick traf Olriks. „Nur jedes Mal dann, wenn ich aufbreche und einen Tag zu spät zurückkomme. Aber sonst ...“

Der Wirt lachte tief und kehlig. „Ich werde mich eben nie daran gewöhnen, dass das kleine Mädchen, das so gern mit Strohpuppen gespielt hat, jetzt auf Leute eindrischt.“

Layni stimmte in sein Lachen ein. „Ich habe nicht mit den Puppen gespielt, wie ein Mädchen. Ich habe Hexe und Jägerin gespielt und die Hexen haben immer verloren.“ Sie hob den Krug erneut und leerte ihn komplett.

„Das ist wahr. Der Schrecken der braven Maiden am Hof“, hielt Olrik fest. Layni lächelte selbstsicher, denn er hatte vollkommen recht. Sie war nie das typische Mädchen gewesen. Hatte statt Kleidern lieber Hosen getragen und statt nähen zu lernen, wollte sie das Schwert führen. Allerdings hatte es auch niemanden gegeben, der sie nähen hatte lehren wollen oder die Kunst, sich in Gegenwart von anderen höflich zu benehmen.

Layni war im Waisenhaus von Rabenwacht aufgewachsen. Ihr Heimatdorf Thalsee, war von einem Unwetter heimgesucht und überschwemmt worden, als sie gerade drei oder vier Jahre alt gewesen war. Jetzt war das Tal wirklich ein See und alle Häuser Unterwasserruinen.

Laynis Mutter war in den Fluten ertrunken und ihr Vater an einer späteren Seuche gestorben. Viele ehemalige Einwohner von Thalsee waren von den Viren dahingerafft worden. Gelehrte gingen davon aus, dass die Krankheit durch das Wasser von den Bergen herab gespült worden war. Sämtliche Städte rings um Thalsee hatten ähnliche, wenn auch schwächere Einfälle der Krankheit gehabt.

Auch Layni war betroffen gewesen, doch sie hatte überlebt und war nach Rabenwacht gebracht worden, wo Schwester Gesa sie mehr oder weniger großgezogen hatte. Vor acht Jahren war Layni dreizehn geworden und hatte wählen dürfen, im Waisenhaus bleiben oder auf eigenen Beinen stehen. Sie hatte sich für die Freiheit entschieden und war gegangen. Allerdings nie weit weg. Rabenwacht blieb ihr Zuhause.

Anfangs war es schwer gewesen, denn sie hatte so gut wie keine Kenntnisse in frauentypischen Dingen wie Haushalt führen oder Ähnlichem gehabt. Ein paar Leute hatten sie als Magd angestellt, aber recht schnell wieder entlassen, weil Layni keine Hilfe war. Nicht, dass sie sich keine Mühe gegeben hätte. Sie hatte schlicht kein Talent für so was.

Olrik hatte ihr schließlich ein festes Dach über dem Kopf gegeben. Im Gegenzug hatte sie in seiner Schänke ausgeholfen. Auch das war keine Arbeit gewesen, die Layni ihr Leben lang tun wollte, und das Schicksal hatte ihr zugespielt.

Eines Abends war eine Gruppe Söldner in den Falken gekommen und Layni hatte ihre Gespräche belauscht. Ihr hatte gefallen, was die Männer erzählt hatten. Also war sie auf die Gruppe zugegangen und hatte freiheraus darum gebeten, von ihnen ausgebildet zu werden. Die Männer hatten gelacht und sie verspottet, doch mit ihrem frechen Mundwerk hatte sie einen von ihnen überzeugen können.

Delian, damals ein Mann Mitte dreißig, hatte sich erbarmt und sie als Knappe angestellt. Auch diese Arbeit hatte Layni anfangs nur mit Mühe und vielen Fehlern bewältigt. Doch Delian hatte sie nicht aufgegeben und ihr Potenzial erkannt. Sie hatte sich gebessert, war stärker und geschickter geworden und schließlich hatte er ihr auch den Schwertkampf gezeigt. Das war dann die erste Sache gewesen, die sie auf Anhieb beherrscht hatte. Es fiel ihr so leicht, als hätte sie nie etwas anderes getan und schnell hatte sie großen Respekt unter den Söldnern gewonnen.

Es hatte nicht lange gedauert und der erste Auftrag war gekommen, bei dem Delian ihr gestattet hatte, mitzukämpfen. Layni war gerade siebzehn geworden und wollte endlich Lohn als Söldnerin verdienen. Allerdings tat sie das auch gleich mit dem ersten Mann, der ihrer Klinge zum Opfer gefallen war. Dass das Töten zum Beruf eines Söldners gehörte, war ihr bewusst gewesen. Dass es sie so traf, nicht. Sie hatte einige Zeit gebraucht und auch zeitweise gezweifelt, ob es wirklich ihr Berufswunsch war, doch Delian hatte sie aufgebaut und ihr klargemacht, dass es allein an ihr lag.

Als Söldner konnte man wählen, wem man diente. Einige dienten den Reichsten, andere den Ärmsten. Layni entschied sich für die Gerechten. Aufträge, die sie für falsch hielt, lehnte sie ohne Nachfragen ab. So verdiente sie nicht das meiste Geld, doch das war ihr nicht wichtig. Sie tat, was sie gern tat - den Menschen helfen, sie verteidigen, sich nützlich machen und das auf eine möglichst richtige Weise. Heute war Layni einundzwanzig und zog seit zwei Jahren allein durchs Land, denn Delian hatte sich zur Ruhe gesetzt und die Gruppe unter ihm hatte sich aufgelöst.

Allein komm ich auch gut klar, hatte Layni damals gedacht, mit den Schultern gezuckt und ging seither ihre eigenen Wege. Sie vermisste ihre Söldnerbande, doch zum Glück lebte wenigstens Delian nicht weit weg. Laynis Wege führten sie auch immer wieder nach Rabenwacht zurück. Wo andere Söldner im ganzen Land lebten, brauchte sie einen Ort zur Wiederkehr. Der Falke war dieser Ort und Olrik war ihre Familie geworden.

Der Wirt musterte sie nun aufmerksam. „Warst du erfolgreich?“, fragte er und meinte ihren letzten Auftrag. Ein Bauer hatte sie angeheuert, in den Wäldern um seinen Hof, eine Bande Viehdiebe aufzuspüren und zu zerschlagen. Layni hatte es wörtlich genommen und zweien von drei Männern, jeweils eine Hand abgetrennt. Den Dritten hatte sie dem Bauern übergeben, ihren Sold genommen und war gegangen, ohne zu erfragen, was der Mann mit dem Dieb anstellen würde. Sie ging davon aus, dass, wenn sie den Räuber wieder traf, ihm ebenfalls mindestens eine Hand fehlte.

Sie griff unter ihre Jacke, löste den Beutel vom Gürtel, stellte ihn auf den Tresen und schob ihn Olrik hin. Der zog das Säckchen näher und spähte hinein, bevor er es sich selbst unter das Wams schob und, wie immer, für Layni verwahrte.

Die Lippen anerkennend geschürzt meinte er: „Das hat sich gelohnt, würde ich sagen.“

Layni grinste und schob ihren leeren Krug ebenfalls zum Wirt hinüber. Wortlos schenkte er nach und gab der Küchenhilfe ein Zeichen, dass sie Essen ranschaffen sollte. Wenig später stand ein ganzes gebratenes Huhn vor Layni und auch ihr Met wurde das dritte Mal nachgefüllt.

Sie genoss gerade einen Streifen der knusprig gebratenen Haut, als erneut ihr Name gerufen wurde. Sie wandte sich um und sah Holwart, den Schmied Rabenwachts, auf sich zukommen.

Er hielt hinter ihr an und neigte leicht den Kopf. „Lady Layni. Ich habe gehört, Ihr seid zurück.“

„Offensichtlich“, antwortete sie mit vollem Mund.

Abermals neigte der Schmied den Kopf. „Ich möchte ungern stören, da Ihr sicher erschöpft seid, aber ich habe getan, worum Ihr gebeten habt. Ihr wolltet doch sofort Bescheid bekommen.“

Sie nickte, leckte sich die Finger sauber und wischte den Rest an der Hose ab. „Richtig. Erledigen wir das gleich. Ich brauche es wieder.“

Ein drittes Nicken vom Schmied und Layni erhob sich. „Ich bin gleich wieder da. Wehe, jemand packt mein Hühnchen an“, warnte sie ihren Freund und zweiten Ziehvater, Olrik. Der grinste und ließ ihren Teller hinter dem Tresen verschwinden.

Layni folgte dem Schmied hinaus auf die Straße. Seine Werkstatt lag unweit, und schon vor dem Haus, spürte man die Wärme des Ofens drinnen. Als die Tür aufschwang, wogte eine Welle heißer Luft zu ihr. Sie folgte Holwart durch den Hauptraum und beide gelangten zum Verkaufstresen rechts hinten. Eine Reihe Waffen hing und lehnte an der Wand dahinter. Holwart verschwand im Hinterzimmer, kam aber schon kurz drauf mit einem langen Bündel zurück. Er bettete es auf dem Tisch und schlug die Enden der Decke zur Seite. Zum Vorschein kam ein Schwert, das Layni sofort die heimelige Wärme von Geborgenheit im Bauch bescherte.

Die Waffe auf dem Tisch warf den Schein des Feuers vom Ofen zurück wie ein Spiegel, so glatt war ihre Schneide. Feine Verzierungen schlängelten sich, trotz des Alters des Schwertes, noch immer wie neu und hauchzart von der Spitze über die Schneide und bis zur Parierstange. Diese war leicht zur Schneide gebogen und ihre Enden liefen spitz zu, wobei sie sich in entgegengesetzte Richtungen wanden und wie jeweils ein Sichelmond geformt waren.

Der Griff war jetzt nach Laynis Wünschen überarbeitet worden und mattschwarzes Leder umwandt ihn. Der Knauf am Ende des Anderhalb-Händers wirkte nach wie vor durchscheinend, warf aber im richtigen Winkel das Licht zurück, wie die Schneide es tat. Der klare Bergkristall hatte bis heute keinen einzigen Kratzer bekommen, obwohl Layni oft auch mit dem Knauf zuschlug.

Sie streckte die Hand aus und strich mit den Fingerspitzen über die flache Seite der Klinge, während ihr Blick auf Holwarts Arbeit geheftet blieb, den Griff. „Sehr gute Arbeit.“ Sie nahm das Schwert und hob es ins Licht. Zufrieden stellte sie fest, dass es wie angegossen in ihrer Hand lag. Probehalber schwang und drehte sie es, um alle Griffstellungen zu testen. Es schmiegte sich an sie, als sei es die Verlängerung ihres Armes.

„Freut mich, wenn alles zu Eurer Zufriedenheit ist.“

Sie wandte sich wieder zu ihm und legte die Waffe zurück auf die Decke. „Das ist es tatsächlich. Aber was anderes hab ich auch nicht erwartet, vom besten Schmied im Norden.“ Sie lächelte und Holwart schien etwas an Anspannung zu verlieren. Er neigte dankbar den Kopf, während Layni ihr Schwert noch mal betrachtete und es schließlich in die Scheide schob, die der Schmied ihr reichte.

„Kommt noch mal mit zu Olrik, damit ich Euch bezahlen kann.“

Gemeinsam verließen sie die Schmiede und liefen zurück zum Falken. Es schien noch voller zu sein als zuvor, doch die Leute machten Platz, sobald sie sahen, wer kam. Einen gewissen Respekt zu genießen, hatte Vorteile. Layni stoppte jedoch abrupt, sodass Holwart in sie hineinlief.

„Lady Layni?“, fragte er verwirrt, schien ihrem Blick dann aber zu folgen, denn er verstummte.

Ihre Augen waren auf ihren Hocker gerichtet, der nun besetzt war. Das kam schon mal vor, doch wenn Olrik wusste, dass sie in der Stadt war, war der Platz stets frei für sie. Jetzt saß da aber jemand. Olrik warf ihr nur einen entschuldigenden Blick zu.

Sie lief weiter und stoppte hinter dem Mann. „Wie sieht’s aus? Gehst du freiwillig?“, fragte sie und erwartete, dass der Fremde sich zu ihr umwandte. In dem Glauben, er habe sie nicht gehört, tippte sie ihm auf die Schulter und wiederholte ihre indirekte Aufforderung.

Der Fremde rührte sich nicht. Layni warf Olrik einen Blick zu. Er stand unweit und beobachtete die Szene, ohne einzugreifen.

„Ey. Aufstehen!“, forderte sie jetzt direkt und verpasste dem Fremden einen unsanften Klaps auf den Oberarm. Der Mann senkte den dunklen Schopf, als resignierte er und wandte sich endlich zu ihr um. Sein Blick traf sie, Belustigung stand in den sturmgrauen Augen. Sie hob die Hände und machte eine Geste, die sagen sollte, na was jetzt? Steh auf, du Hans! Doch er lehnte sich lediglich an den Tresen und hielt ihren Blick fest.

Genervt verdrehte Layni die Augen, hob die Hand und winkte Olrik heran. „Mein Geld“, forderte sie und der Wirt gab ihr den Beutel, den er vorhin für sie in Gewahrsam genommen hatte. Sie wandte sich Holwart zu, zählte dessen Lohn ab und packte ein Obolus obendrauf. Der Schmied verneigte sich und ging.

Sie wandte sich zurück und sah den Blick des Fremden auf den Beutel in ihrer Hand gerichtet. „Denk nicht mal dran“, warnte sie ihn und reichte Olrik das Geld zurück, der es wieder sorgsam unter sein Wams schob. „Jetzt schwing deinen Arsch von meinem Platz oder es passiert was.“ Mit verschränkten Armen wartete sie, dass er tat, was sie wollte.

Der Fremde lachte kurz auf, wandte den Blick aber nicht von ihr. „Wie vornehm“, meinte er, wobei er noch immer lässig am Tresen lehnte. „Aber ich muss dich enttäuschen, Kleine. Ich schwinge meinen Arsch nirgendwohin.“

Layni verengte die Augen und Olrik zog die Brauen erstaunt nach oben. Der Fremde hatte Kleine gesagt. Ein Kosename, den sie überhaupt nicht abkonnte, außer er kam von Olrik, und jeder wusste das. „Heb deinen Schmalhanskörper von meinem Stuhl und mach, dass du aus meinem Sichtfeld kommst, sofort!“

Erneut lachte der Fremde. „Ich hab von deiner Kinderstube gehört. Ich dachte aber, es seien nur gemeine Gerüchte, da alle von Lady Layni sprachen.“

„Du solltest vielleicht nicht so viel denken. Jetzt verschwinde endlich. Noch mal bitte ich dich nicht.“

„Du hast auch die ersten sechs Male nicht gebeten, Lady Layni“, gab er ihr zurück und dem Lady einen spöttischen Unterton.

Ohne weitere Diskussionen zog sie ihren Dolch aus dem Gürtel und schnellte vor. Eine Hand auf seiner Brust, hielt sie den Dolch an seine Kehle und raunte: „Steh auf und verfrachte dein Skelett ans andere Ende des Raumes oder besser noch ganz raus. Sofort.“ Layni sprach leise und ruhig, doch alle um sie herum hatten mitbekommen, was vor sich ging. Es war deutlich leiser im Falken geworden.

Die Klinge von Laynis Waffe streifte die Haut des Fremden nur minimal, doch das reichte, um einen haarfeinen Schnitt zu hinterlassen. Ein einzelner Tropfen Blut quoll hervor. Layni zog die Waffe ein Stück zurück, löste den Zeigefinger vom Griff und wischte über den Tropfen am Hals des Fremden. Sie hob den Finger in sein Sichtfeld. Er erstarrte, als er das Blut daran sah.

„Steh auf, sonst finden wir raus, wie viel davon in dir ist“, sagte sie vollkommen ruhig und ließ von ihm ab.

Er schluckte und rutschte seitlich von ihrem Platz.

Sie machte einen Schritt vor, wandte sich um und setzte sich provokativ. „Geht doch.“ Sie drehte sich Olrik zu und bedeutete ihm, das Hühnchen wieder hervorzuholen. Hinter sich hörte sie die Menge murmeln, doch niemand sprach gegen sie. Alle bewunderten den Fremden, tadelten ihn jedoch gleichermaßen einen Vollidioten, weil er sich mit der besten Söldnerin Rabenwachts angelegt hatte.

Nach einer Weile stellte sich die übliche Betriebsamkeit wieder ein und bald verlor keiner mehr ein Wort über das Geschehene. Der Fremde war aber nicht gegangen. Er hatte sich an einen Tisch am anderen Ende des Schankraumes zurückgezogen und beobachtete Layni. Sie spürte seine Blicke im Rücken, doch sie waren nur neugieriger Natur. Layni erkannte den Unterschied zwischen beispielsweise abschätzend neugierigen oder einfach nur registrierenden Blicken.

In ihrem Beruf musste man einfach ein Gespür für die Schwingungen anderer haben. Es ging niemals nur ums Kämpfen und gewinnen. Oft hatte sie auch Aufträge, bei denen es um Informationsbeschaffung ging. Ihr Schwert brauchte sie längst nicht bei allen Einsätzen. Eine gute Menschenkenntnis und Empathie waren die besten Eigenschaften, die ein Söldner haben konnte, und Layni besaß beides.

Nach dem dritten Krug Met verspürte sie endlich die ersehnte Leichtigkeit, die der Alkohol mit sich brachte. Nach jedem Auftrag freute sie sich auf diese Auszeit, denn nun fiel auch die ganze Anspannung von ihr ab.

Ihr erster Weg, wenn sie heimkam, war stets zu Olrik in den Gastraum. Erst dann suchte sie ihre Bleibe auf und legte auch die sichtbaren Merkmale des Söldnerseins ab. Jetzt war es an der Zeit dafür.

Sie gab ihrem Freund ein Zeichen und stand auf. Ihr Blick flog über die verbliebene Menge, stoppte aber bei dem Fremden, der noch immer hier war. Er verfolgte ebenso noch immer, was sie tat. Layni zog kurz die Brauen zusammen, machte sich dann aber auf den Weg nach draußen. Durch die Hintertür der Schänke und die schmale Holztreppe in den ersten Stock hinauf.

Hier lagen die Gästezimmer und Olrik hatte zwei davon fest an Layni vermietet. Eines, in dem sie schlief und eines, in dem sie arbeitete und wohnte. Sie ging in ihr Schlafzimmer, legte ihre Waffen ab, holte frische Sachen und verließ es wieder. Die Treppe runter, um die Ecke, war ein kleiner Verschlag, wo sie sich und ihre Kleider waschen konnte. Sie trat hinter die schulterhohe Wand, die das Spritzwasser zurückhielt und zog sich aus.

Mit einem winzigen Eimer schöpfte sie Wasser aus einem größeren über sich und schrubbte den Dreck des Waldes von ihrer Haut. Für ihre langen Haare brauchte Layni etwas mehr Zeit. Obwohl es unpraktisch war, wenn es ums Kämpfen ging, war das eine Sache, die sie nicht ändern wollte. Sie mochte ihre lange schwarzbraune Mähne. In einer Männerdomäne gab ihr das wenigstens ein bisschen das Gefühl, als Frau gesehen zu werden.

Layni benahm sich selten sehr fraulich, zumindest legte sie nicht viel Wert auf Manieren und diese Dinge. Doch sie war eine Frau und wollte als solche gesehen werden. Auch deshalb bestand sie auf den Titel Lady, selbst wenn ihr Verhalten oft dem Gegenteil entsprach.

Als endlich alle Knoten aus ihren Haaren verschwunden und auch ihre Nägel wieder vorzeigbar waren, zog Layni das Leinentuch von der Wand und band es sich um. Es reichte ihr bis über den Po und bedeckte alles Wichtige. Jetzt waren ihre Kleider an der Reihe. Sie füllte Wasser in den Bottich mit dem Waschbrett und ließ den Blick schweifen, auf der Suche nach der Seife.

„Suchst du die hier?“, fragte jemand und Layni erkannte den Fremden, wie er lässig an die Wand der Schänke gelehnt stand, das Stück Waschseife von einer in die andere Hand werfend.

Sie wandte sich ihm zu und verschränkte wieder die Arme. „Du legst es drauf an, eine Tracht Prügel zu beziehen, oder?“, fragte sie, die Brauen missbilligend zusammengezogen. „Was sonst könnte dich veranlassen, mich schon das zweite Mal an diesem Abend zu reizen?“

„Das erste Mal war keine Absicht. Ich wusste nicht, dass die Lady ihren höchst eigenen Stammsitz an der Bar hat“, bekam sie als sarkastische Antwort. „Und es ist wohl auch sehr unangebracht, als Lady so leicht reizbar zu sein.“ Wieder betonte er den Titel mit einem gewissen Witz, der überhaupt nicht bei Layni ankam.

„Willst du was Bestimmtes?“, fragte sie grimmig. Der Mann, nicht viel älter als Mitte zwanzig, zeigte einen gewissen Schalk, der ihn übel was kosten konnte. Besonders, wenn er Layni weiterhin aufzog.

„Dich.“

Ihre Brauen fuhren nach oben. Auch wenn er nicht unbedingt schlecht aussah und gepflegter war als die meisten, die sie kannte, ging das doch ein wenig zu weit. Vor allem wegen seiner Vorstellung in der Schänke vorhin.

„Bitte?“, entfuhr es ihr empört. Sie ließ die Arme sinken. „Du bist ja wohl nicht ganz sauber!“

Er grinste und warf die Seife weiter von einer in die andere Hand. Seine Augen funkelten amüsiert.

„Ich glaube, wir missverstehen uns hier“, begann er, wobei er sie von oben bis unten musterte.

Die Nässe ihrer Haut hatte dafür gesorgt, dass das Leinentuch teilweise an ihrem Körper klebte und so gab es gewisse Stellen, die leichter auszumachen waren. Es störte Layni nicht. Im Gegenteil gefiel es ihr, wie seine Augen versuchten, einzelne Partien unter dem Tuch genauer auszumachen.

Sie entschied, seine Dreistigkeit zu ihrem Vorteil zu nutzen. Ohne ein Wort ging sie auf ihn zu und stoppte sehr nah bei ihm. Er hatte die Hände sinken lassen und drückte sich unauffällig gegen die Wand hinter sich, als wolle er einen anständigen Abstand wahren.

Layni hob ihre Hände und legte sie federleicht auf seine Brust. „Tun wir das?“, fragte sie leise und ließ ihre Hände wandern. Hinauf zu seinen Schultern, dann beide Arme hinab zu seinen Händen. „Mhh. Ist eigentlich auch egal, wie wir es meinen“, raunte sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um seinem Gesicht näherzukommen. „Du hast etwas, das ich will und ich bekomme immer, was ich will.“

„Aha“, presste er hervor und lehnte den Kopf zurück. Seine lässige Haltung war verschwunden.

„Mhm“, bejahte sie. Ihre Rechte glitt von seiner Hand zu seinem Schritt. Sie packte zu, was ihn zusammenzucken ließ, doch zurückweichen konnte er nicht weiter. Ihr Griff wurde fester, bis sich sein Gesicht vor Schmerz verzerrte. Ihre andere Hand tippte gegen seine Faust, in der noch immer die Waschseife lag. Unter Mühen öffnete er die Finger und das Stück Seife fiel in Laynis Hand.

Sie ließ von ihm ab und trat zurück. „Danke. Für beides“, lächelte sie, hielt die Seife hoch und nickte zu seinem Schritt hin. Sein Kiefer mahlte ein wenig, als Layni sich kokett abwandte und zum Waschzuber zurückging. Hinter sich hörte sie die Tür zur Schänke auf- und wieder zugehen. Kopfschüttelnd machte sie sich daran, ihre Kleider zu waschen.

Layni - Herrin der Wächter

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