Читать книгу Layni - Herrin der Wächter - Stefanie Worbs - Страница 9

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Die Nacht war unruhig und Layni stand auf, als die ersten Strahlen der Sonne durch die Vorhänge drangen. In Alltagskleidung machte sie sich auf den Weg zum Bäcker der Stadt. Olrik bot zwar Frühstück an, doch nicht um diese frühe Uhrzeit. Bei ihm war es mehr ein Frühstück-Mittagessen.

Sie holte sich ein Honigbrot und ließ ihren Wasserschlauch mit Milch füllen. Mit der kleinen Mahlzeit setzte Layni sich auf den Rand vom Brunnen, der die Stadtmitte angab. Einige Händlerkarren standen hier, doch die Stände waren noch nicht aufgebaut. In Rabenwacht legte kaum jemand Wert auf die Morgenstunden. Am frühen Mittag begann das Treiben. Alles vorher war den Nachtschwärmern vorbehalten, die jetzt aus den spät schließenden Schänken nach Hause torkelten.

Layni schob sich gerade das letzte Stück Honigbrot in den Mund und wandte sich zum Brunnen, um die klebrigen Reste von den Fingern zu waschen, als ihr Blick auf jemanden fiel, der sie beobachtete.

„Ehrlich?“, murmelte sie leise und muffelig, doch der Fremde hatte sie gehört und lächelte.

Er setzte sich in Bewegung und kam zu ihr. „Guten Morgen, Lady Layni.“ Diesmal gab es keinen Unterton.

Besser für dich, dachte Layni, schluckte den Rest ihres Brotes runter und fragte laut: „Was in drei Teufels Namen willst du? Mir meinen freien Tag versauen?“

Er stoppte neben ihr und schaute auf sie herab. „Tue ich das denn? Falls ja, bitte ich um Entschuldigung.“

„Na noch geht’s.“

„Freut mich“, lächelte er ehrlich und ließ sich ungefragt neben ihr nieder. „Ein schöner Morgen, nicht wahr?“

„Mhh.“

Er schaute sie mit verengten Augen an. „Nicht?“

„Ich würde ihn lieber allein genießen, wenn’s recht ist.“

„Oh. Gut. Ich habe nur noch eine Frage, bevor ich gehe.“

„Ah ja.“

„Ja. Du bist Söldnerin?“

„Gut erkannt.“

„Ich habe einen Auftrag für dich.“

„Du wolltest eine Frage stellen. Von einer Bitte war keine Rede.“

Er kniff die Lippen zusammen, meinte aber: „Ich dachte, ihr Söldner seid scharf aufs Geld. Solltest du nicht netter sein, wenn dir jemand einen Auftrag anbietet?“

„Könnte ich. Muss ich aber nicht.“

„Du bist doch Söldnerin?“

„Noch mal, gut erkannt.“

„Mit dieser Einstellung bekommst du sicher sehr viele Gelegenheiten.“ Der Sarkasmus war hörbar.

„Ich bekomme genug, danke der Nachfrage.“

„Mhh. Wie auch immer. Dann möchte ich eben noch eine Bitte äußern. Beziehungsweise einen Auftrag aufgeben.“

„Der wäre?“

„Begleitschutz für eine längere Reise.“

„Wohin?“

„Nach Westen, ans Meer.“

„Quer durchs Land? Das wird teuer.“

„Am Geld soll es nicht scheitern“, gab er ihr lächelnd zurück.

„Alles klar. Und wann?“

„In drei Tagen ist Abreise.“

„Nur hin oder auch zurück?“

„Nur hin.“

„Nur ich oder noch andere Wachen?“

„Nur du.“

„Für wen oder was und wie viel davon?“ Es wurde immer besser. Wenn Layni allein war, bekam sie den ganzen Sold, ohne teilen zu müssen. Auf der Rückreise könnte sie sich Zeit nehmen und was es auch immer war, das Schutz brauchte, wenn nur eine Wache mitreisen sollte, konnte es nicht wirklich wichtig sein. Das wird leicht verdientes Geld.

In Rabenwacht gab es zahlreiche Söldner und sicher wusste der Fremde das. Das hieß also, er musste, trotz des vergangenen Abends, Layni verpflichten. Sicher hatte ihn jemand beauftragt. Warum sonst sollte er sie erneut ansprechen?

Dass er explizit sie nehmen sollte, bedeutete ebenso, sie konnte auch den Preis etwas höher als sonst ansetzen. Gut, Layni hatte auch einen guten Ruf. Aber sie hätte sich selbst nicht gefragt, nachdem was sie ihm gestern an den Kopf geworfen hatte.

Er riss sie aus ihren Überlegungen. „Es geht um eine Person, sonst nichts.“ Ihre Blicke trafen sich. Wie er das sagte, verhieß nichts Gutes.

„Wen?“ Bitte lass ihn im Auftrag von jemandem fragen, flehte sie innerlich.

„Mich.“

Sie lachte auf. „Nein. Tut mir leid. Ich bin raus.“

„Aber ...“

„Nein“, unterbrach sie ihn. „Du bist mir suspekt. Du kommst her, weißt, wer ich bin, und scherst dich trotzdem nicht um Respekt. Du stellst mir nach, während ich nackt bin, und verfolgst mich anscheinend auch sonst. Ganz ehrlich. Ich bin nicht blöd. Von wegen Geleitschutz. Die Bordelle sind da hinten.“ Sie wies mit dem Kinn auf die Freudenhäuser in einer abzweigenden Gasse. „Dort findest du deinen Geleitschutz.“

Er schwieg und sah sie eine ganze Weile nachdenklich an. „Ich habe von dir gehört und dass du gut bist. Du wurdest mir empfohlen, also fiel meine erste Wahl auf dich. Ich brauche Geleitschutz bis zum Westmeer. Nicht mehr und nicht weniger. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich den Eindruck gemacht habe, dir nachzustellen. Das lag nicht in meinem Sinn. Ich wollte nur einen guten Zeitpunkt abpassen, dich zu fragen, ob du den Auftrag übernimmst.“

„Wie gestern? Beim Duschen?“

„Das war ein Versehen. Ich hatte nicht erwartet, dich in dieser Situation anzutreffen.“

„Und du bist trotzdem geblieben. Du hättest gehen und später wiederkommen können.“

„Ich hatte die Seife“, gab er ihr neckisch zurück. „Außerdem hat mir gefallen, was ich gesehen hab. Ich konnte sozusagen begutachten, was ich vorhabe, in meine Dienste zu nehmen.“

„Ich bin keine Metze!“, ging sie ihn an.

Er hob beschwichtigend die Hände. „Das weiß ich.“

„Was tut es dann zur Sache, wie ich unter meinen Kleidern aussehe?!“

„Meine Quelle hätte übertreiben können. Vielleicht wärst du ein mageres, schwaches Ding gewesen, das nur Sprüche klopft. Immerhin sind Frauen in deinem Gewerbe eher selten bis einzigartig. Und deine Statur haben die Wenigsten von den Wenigen.“

„Es gibt reichlich Söldnerinnen“, merkte Layni an. Allerdings sahen die meisten auch so aus. Bullig, grobschlächtig und teilweise sehr maskulin. Layni selbst wirkte ausgesprochen weiblich in ihrer Rolle und hatte sich ihren Ruf dadurch hart erkämpfen müssen.

„Wie auch immer. Meine Wahl fiel eben auf dich. Die Umstände unseres Kennenlernens waren ungünstig. Aber was die Sache mit dem Respekt angeht ... deine Beleidigungen waren ebenfalls nicht sehr nett.“

„Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich meine Gewohnheiten habe. Und jeder respektiert sie. Du hast das nicht getan.“

„Ich kenn dich auch nicht.“

„Du hast es nicht mal getan, als ich dich darauf aufmerksam gemacht habe.“

Er kicherte. „Aufmerksam gemacht? Warte, wie waren deine Worte? Wie sieht’s aus? Gehst du freiwillig? Und heb deinen Schmalhanskörper von meinem Stuhl.“

„Gut gemerkt.“

„Wie auch immer“, wiederholte er. „Nimmst du den Auftrag an? Ich bezahle sehr gut und meine Gesellschaft wird sicher angenehmer sein, als sie es bisher war.“

„Nein. Ich nehme nicht an.“ Layni stand auf und schaute auf ihn hinab. „Tut mir leid. Aber ich bin ausgebucht.“ Sie drehte ab und lief los.

Es war nicht mal gelogen. Sie hatte tatsächlich einen Auftrag, allerdings nur einen kleinen, der gerade mal zwei Tage in Anspruch nahm. Seinen könnte sie also locker dranhängen. Trotzdem war der Typ seltsam. Sie hatte ein komisches Gefühl, was ihn anging und ihr Gefühl betrog sie nie. Schritte erklangen hinter ihr und er erschien an ihrer Seite. Sie beachtete ihn nicht weiter, während sie zum Falken zurücklief.

„Darf ich fragen, warum?“

„Ich habe schon einen Auftrag.“

„Hab ich verstanden. Aber ich zahle gut. Sicher besser als der andere.“

„Vielleicht. Ich will trotzdem nicht.“

„Deine Einstellung zu Geschäften ist nicht sehr erfolgversprechend.“

Sie stoppte. „Meinst du?“

„Meine ich. Andere Söldner würden ohne Zögern zusagen.“

„Dann frag sie doch. Es gibt genug hier. Der alte Loren hat sicher Zeit. Oder Elmar. Du könntest auch Arnor fragen. Soweit ich weiß, ist er sehr gern auf Reisen. Eine quer durch Teneth würde ihm sicher gefallen.“

„Ich will aber dich.“

„Ich will aber nicht. Nimm’s hin.“ Sie hatten den Falken erreicht, Layni schob die Tür auf, trat ein und ließ das Holz hinter sich zufallen, ohne dass der Fremde ihr folgte. Himmel, der war vielleicht hartnäckig.

Der nächste Morgen kam und abermals war Layni früh wach. Sie machte sich daran, ihre Sachen zu packen, und stand schon wenig später im Stall bei ihrem Pferd. Sie hatte es sich abgewöhnt, ihnen Namen zu geben, denn häufig ritt sie ein anderes. Wenn sie nicht gerade eins gestellt bekam, hatte sie zwar ein eigenes im Stall, doch leider kamen die Tiere oft in Gefechten um, und immer wenn sie ihnen Namen gab, entstand eine zu tiefe Bindung.

Das machte es umso schwerer, ihre toten Leiber zu verbrennen. Nicht dass ihr das Schicksal der Pferde egal war, sie bemühte sich um jedes einzelne Tier, doch es war schwer, unausgebildete Pferde in Kämpfen am Leben zu halten. Und bisher hatte Layni einfach keine Zeit gehabt, sich eines richtig anzulernen.

Sie sattelte ihren derzeitigen Hengst und band das Gepäck fest. Die Sonne stahl sich gerade über den Horizont, als sie das Pferd aus dem Stall führte und aufsaß. Ohne einen Blick auf den Falken zu werfen, ritt Layni los. Es war ein Ritual, das sie sich von Delian abgeschaut hatte. Wer zurückschaute, wollte zurück und wurde unachtsam im Kampf, um möglichst schnell zurückzukehren.

Natürlich wollte auch Layni immer heimkommen, doch Nachlässigkeit war einer der größten Fehler, und Fehler sollte man bekanntlich vermeiden.

Am Stadttor passierte sie die Wachen und nickte ihnen zum Gruß zu. Die Männer nickten zurück und schlossen das Gitter hinter ihr. Ein Kribbeln im Nacken verriet Layni, dass noch jemand anderes sie beobachtete. Sie ließ den Blick schweifen, doch niemand war zu sehen. Ihre Neugier siegte, sie wandte sich um und tadelte sich im selben Moment dafür. Egal, dachte sie und hielt Ausschau. Unweit hinter den Wachen erkannte sie den Fremden und seufzte. Prima. Für den hatte sie ihre Prinzipien vergessen. So ein Arsch. Sie wandte sich wieder nach vorn und trieb ihr Pferd an.

Der Auftrag verlief fast ohne Probleme. Eine kleine Rangelei mit dem Vater des Schuldners und eine noch kleinere Drohung, dem Alten das Leben zu nehmen, und schon hatte Layni, was ihr Auftraggeber wollte. Zwar in Sachleistungen, aber das war egal. Die Schulden waren eingetrieben.

Am nächsten Abend war sie, wie erwartet, zurück in Rabenwacht, ging zu Olrik, gab ihm ihren Sold, trank ihren Met und legte sich schlafen. Die Stelle, die der Alte bei der Rangelei getroffen hatte, färbte sich dunkel und das Zentrum der Verletzung schmerzte bei jeder Berührung.

Eine weitere fast schlaflose Nacht später, rollte Layni sich aus dem Bett und tappte müde in die Küche vom Falken. Mit etwas Brot und verdünntem Wein ließ sie sich kurz darauf schwer auf die Stufen zur Eingangstür der Schänke fallen und lehnte sich an die kühle Mauer des Hauses.

Die Stadt war still und nichts störte die friedliche Ruhe am Morgen. Nichts, bis auf das Hufgeklapper zweier Pferde auf den Steinen der Straße. Sie kamen näher. Layni hob den Kopf, um zu sehen, wer die Tiere ritt. Eines hatte keinen Reiter, auf dem anderen saß der Fremde.

„Aufbruch nach Westen?“, fragte sie und musterte das Packpferd.

„Guten Morgen, Lady Layni. Ja, wie erwähnt. Heute ist Abreise.“

„Ohne Geleitschutz?“ Sie ließ es spöttisch klingen.

„Mit. Wie von dir empfohlen, habe ich den Söldner Loren aufgesucht. Er ...“

„Echt jetzt? Bei allen Göttern bist du dämlich.“

Sein Blick wurde argwöhnisch verwirrt. „Hast du nicht gesagt, ich soll ihn fragen?“

„Der Mann ist fast achtzig! Es würde mich nicht wundern, wenn er mehr Schutz braucht als du.“

„Mir kam er sehr robust vor.“

Layni erhob sich und sah den Fremden abschätzend an. „Du lügst. Du hast ihn gar nicht gefragt.“

„Habe ich. Ich ...“

„Loren und robust?“ Sie lachte. „Du bist so ein schlechter Schauspieler. Loren geht am Stock. Er mag ein hervorragender Söldner gewesen sein. Bis vor vielleicht zwanzig Jahren.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. „Wen hast du gefragt?“,

Wieder schaute er sie eine Weile abschätzend an. „Niemanden“, gab er schließlich zu und wandte den Blick kurz ab, bevor er sie wieder ansah. „Ich wollte dich.“

„Also reist du lieber ganz ohne Schutz?“

Er nickte knapp.

„Warum überhaupt ich?“

„Du wurdest mir empfohlen.“

„Von wem?“ Der Empfehler musste ihn beeindruckt haben, sonst wäre der Fremde sicher nicht so halsstarrig.

„Ein Mann namens Delian unweit dieser Stadt hier.“

Layni ließ sie Arme sinken und vergrub sie in den Taschen ihrer Hose. „Delian?“

„Richtig.“

„Was hat er denn über mich gesagt?“

„Nur, dass du fähig bist und sehr wahrscheinlich genau das, was ich suche. Ich hab dich gesehen und stellte fest, er hat recht.“

Layni seufzte und senkte den Blick. Kurz herrschte Stille, dann entschied sie und schaute auf. „Zweihundert Drachen für den Geleitschutz bis zum Westmeer. Du zahlst die Unterkünfte bis dahin und die Grundverpflegung. Sollte ich aufgrund des Auftrags Mehrausgaben haben, wirst du sie aufwiegen. Das betrifft meine Ausrüstung. Meine privaten Sachen zahle ich selbst und ich stelle die Grundausstattung. Ich habe ein Pferd. Sollte es verletzt oder getötet werden, sorgst du für gleichwertigen Ersatz und dieses Tier geht nach Ende des Auftrags in meinen Besitz über. Sollte ich verletzt werden, sorgst du dafür, dass ich ordnungsgemäß behandelt werde, insofern ich nicht selbst in der Lage dazu bin.

Du zahlst ein Drittel des Soldes sofort und den Rest unmittelbar nach Ende der Reise. Keine Ersatzleistungen, nur Geld. Ich muss anmerken, dass ich gestern verletzt wurde. Eine Prellung, die mich aber nicht einschränkt. Laut Gesetz bin ich verpflichtet, es dir zu sagen. Ich stehe für den Schutz in deinem Dienst, wenn du annimmst. Keine weiteren Verpflichtungen. Da ich Ruhezeiten brauche, wirst du akzeptieren müssen, dass es Stunden gibt, in denen du schutzlos bist. Was in dieser Zeit passiert, ist dein Bier. Ich melde mich aber an und ab, damit du Bescheid weißt.“ Sie verstummte und Stille trat ein, in der der Fremde über ihr Angebot nachdachte.

Schließlich sagte er: „Zweihundert? Ich zahle hundertfünfzig.“

„Du willst mich? Für zweihundert Drachen und keine Krähe weniger, stelle ich mich in deinen Dienst.“

„Ist die Dauer der Reise beschränkt?“

„Nein. Es ist weit. Wir können schlecht abschätzen, wie lange wir brauchen werden. Vielleicht einen Monat, je nachdem wie das Wetter ist. Allerdings dulde ich keine absichtlichen Verzögerungen. Tust du es doch, werde ich extra Sold berechnen, vier Drachen pro Tag, um meine Verluste auszugleichen. Auch das kündige ich rechtzeitig an, damit du wählen kannst.“

„Welche Grundausrüstung stellst du? Welche Waffen hast du?“

Sie lächelte, weil diese Frage immer kam. Keiner ihrer neuen Auftraggeber ging davon aus, dass ihre Waffen viel wert waren und sie befürchteten, dass Layni auf ihre Kosten neue beschaffen wollte. „Ich stelle ein ausreichend wertiges Schwert, mehrere Dolche und einen Bogen für die Jagd. Dazu ein Zelt für mich und ein paar Dinge zum kochen am Feuer für uns beide, wenn es sein muss. Und eben mein Pferd mit Sattelzeug. Es steht im Stall, wenn du es ansehen willst.“ Sie deutete schräg hinter sich auf den Stall vom Falken. „Ich zeige dir auch gern meine Waffen, wenn du mir nicht glaubst, dass es gute sind.“

Wieder herrschte kurz Stille, bis er meinte: „Warum nimmst du meinen Auftrag jetzt an?“

„Wegen Delian.“

„Freut mich. Schön. Dann würde ich sagen, wir brechen auf.“

„Gib mir eine halbe Stunde“, bat sie und er nickte. Layni hob ihren Wein und den Rest vom Frühstück auf und machte sich daran, ihre Sachen zu packen. Ganz wohl war ihr noch immer nicht.

Eine halbe Stunde später führte sie ihr Pferd aus dem Stall, auf den Fremden zu. Sie hielt bei ihm, hob die Hand und machte eine auffordernde Geste. Er zog einen Beutel aus seiner Satteltasche und zählte siebzig Drachen ab, die er ihr reichte. Es waren drei mehr als veranschlagt, aber wenn er es freiwillig gab, warum nicht?

Wortlos steckte Layni das Geld weg und saß auf. „Ich habe mehreren Leuten über diese Reise Bescheid gegeben“, ließ sie ihn wissen, damit er die Information hatte, lieber keine krummen Dinger zu drehen. Immerhin war er ein Mann und - wenn auch offensichtlich kein Kämpfer - trotzdem noch größer und sicher mindestens so stark wie sie selbst.

Er nickte. „Vorbildlich.“

Layni zog die Brauen zusammen und erklärte: „Nur gut ausgebildet. Wollen wir?“

Erneutes Nicken und auch er saß wieder auf. Sie verließen die Stadt zum Westtor hinaus und ritten eine Weile schweigend vor sich hin.

Der Fremde brach die Stille. „Ich bin übrigens Dáire. Nur falls du es wissen willst.“

„Wollte ich nicht. Aber da wir eine ganze Weile unterwegs sein werden, ist es wohl ganz praktisch, zu wissen.“

Er grinste breit. „Hättest du nicht mal gefragt? Ich bin dein Auftraggeber.“

„Irgendwann sicher.“ Sie warf ihm einen Blick zu und lächelte ebenfalls, jedoch spöttisch. Sie hätte gefragt, wenn es an der Zeit gewesen wäre. Namen waren ihr nicht wichtig und ein simples ey tat es oft auch.

„Wir werden bestimmt eine gute Gesellschaft bilden“, meinte er und wandte den Blick wieder nach vorn.

„Wenn du meinst.“

„Erzählst du mir ein bisschen was über dich?“, fragte Dáire, mit erneutem Blick zu ihr.

„Nein. Ich denke nicht.“

„In Ordnung. Dann erzähle ich dir etwas über mich.“

„Wenn es sein muss.“

Wieder grinste er, was sie mit einem Augenrollen quittierte. „Dein Pferd ist schön. Wie heißt es?“, wollte er wissen, anstatt von sich zu erzählen.

„Pferd.“

Er stutzte. „Wirklich? Das ist nicht sehr einfallsreich.“

„Wie heißt denn deins?“

Er betrachtete sein Reittier. „Ich weiß nicht. Es ist neu. Wie würdest du es nennen?“

„Pferd.“

Er lachte. „Alles klar. Kreativität ist nicht deine Stärke.“

Auch Layni musste lachen. „Nicht bei Namen, nein. Aber dir scheint das Thema zu liegen.“

„Tut es tatsächlich. Ein Name gibt den Dingen, Menschen und Tieren eine Bedeutung.“

„Ah ja? Ich dachte immer, man vergibt Namen, damit man Dinge, Menschen und Tiere auseinanderhalten kann.“

Er grinste breit. „Auch. Weißt du, was dein Name bedeutet?“

„Nein. Ist das wichtig?“

„Für dich vielleicht nicht. Für andere vielleicht schon.“

Sie musterte ihn einen Moment und fragte schließlich: „Wo kommst du her? Aus dem Westen?“

„Themawechsel? Alles klar. Nein, ich wurde im Süden geboren. Am Maipass. Weißt du, wo das ist?“

Sie nickte. „Der Pass bei den Meereswäldern an der Küste. Das ist ein weiter Weg. Was willst du im Westen? Und warum hast du den Umweg über den Norden gemacht?“

„Tau ist meine Heimat. Ich bin Botschafter und meine Herrin hat mich hierher geschickt.“

„Ohne Wachen?“

„Ja. Auf dem Weg hierher war es nicht nötig.“

„Warum jetzt? Du hast gesagt, es geht um Geleitschutz, keine Ware.“

„So ist es auch. Allerdings habe ich jetzt etwas bei mir, was Schutz erfordert.“ Er tippte sich an den Kopf und Layni nickte. Vermutlich eine wichtige Nachricht, die niemand anderes bekommen sollte.

„Führst du eine Waffe?“ Sie wollte wissen, ob er sich im Notfall wenigstens etwas verteidigen konnte.

„Nein“, war seine knappe Antwort.

Layni ritt zu ihm, band einen ihrer Dolche vom Bein los und reichte ihn an Dáire. „Hier. Ich denke, zustechen kannst du?“

Er hielt die Waffe in den Händen und beäugte sie mit gerümpfter Nase. „Es gibt einen Grund, warum ich Botschafter geworden bin. Mit scharfen Sachen kann ich nicht wirklich umgehen.“ Sein Blick traf sie und er verdrehte die Augen. Sicher hatte er ihre Gedanken erraten. „Ich meine Waffen.“

„Kein Grund zur Rechtfertigung“, grinste sie. „Außerdem hast du Glück, was das angeht. Auftraggeber sind tabu.“

„Schade“, gab er ihr schamlos zurück und lächelte.

„Pff. Du hältst dich wohl für unwiderstehlich, was?“

„Womit wir wieder beim Thema Namen wären. Meiner bedeutet unter anderem fruchtbar.“

„Oha. Und was ist das andere?“

Stürmisch. Diese Eigenschaft würde ich mir sogar zuschreiben. Eine Weitere wäre gewalttätig. Aber keine Sorge. Ich sagte ja bereits, Waffen sind nicht meine Spezialität.“

Layni kicherte nur.

Erst am Abend machten sie halt, um die Nacht in einem kleinen Hain zu verbringen. Layni suchte eine passende Stelle und stieg ab. Dáire war ihr gefolgt und sah sich um.

„Wir rasten hier bis Sonnenaufgang“, erklärte sie. „Ich werde sehen, dass ich einen Hasen oder so was schießen kann. Wir essen und dann schläfst du. Ich halte Wache und wecke dich, wenn es weitergeht.“

„Wann schläfst du?“

„Morgen auf dem Pferd.“

„Nicht nachts?“

„Nein. Nachts sind die meisten Diebe unterwegs. Auch wenn sie Wissen nicht aus Köpfen stehlen können, können sie unser Hab und Gut nehmen. Wir sind noch zu nah an den Städten und Dörfern. Weiter im Land wird es ruhiger.“

„In Ordnung.“

Während Dáire sich daran machte, sein Lager zu bauen, sattelte Layni die Pferde ab und kümmerte sich darum, ihr Abendbrot zu fangen. Sie kehrte recht schnell zurück, denn unweit war ein Hasenbau gewesen.

Sie seufzte. „Kein Feuer?“

Dáire schaute fragend auf. Er hatte an seiner Satteltasche herumgefummelt und sah jetzt schuldbewusst aus.

„Wir brauchen Feuer für das Essen. Außerdem wird es nachts schon ziemlich kalt. Ich dachte, das war klar“, tadelte sie und ließ den Hasen fallen.

„Entschuldige. Ich war abgelenkt.“

„Ich bin nicht deine Dienerin, merk dir das. Du musst dich einbringen. Wir sind nur zwei.“

„Ja. Entschuldige.“ Er stand auf, um Holz zu suchen.

Layni schaute ihm kurz nach, schüttelte den Kopf und zog dem Hasen das Fell ab, um ihn für das Essen auszunehmen. Dáire kehrte mit dem Arm voller Holz zurück und begann, es aufzuschichten.

Layni sah seinen Fehler sofort. „So wird es ewig brauchen, bis es zündet. Da kommt keine Luft dran.“

Er schaute von ihr zu seinem Werk und zurück. „Ich mache das immer so.“

„Und du hast tatsächlich die Reise allein vom Westen hierher überlebt?“, fragte sie sarkastisch.

„Ich gehe richtig in der Annahme, dass du es besser kannst?“, seufzte diesmal er.

„Gehst du. Hier, mach weiter.“ Sie reichte ihm den Hasen, damit er ihre Arbeit beendete, und tauschte den Platz mit ihm. Wenig später brannte ein kleines Feuer und der Hase steckte auf einem Spieß nah bei den Flammen.

Layni - Herrin der Wächter

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