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I. Menschenleben

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Gegenstand des Kapitalstrafrechts sind gegen das geborene Menschenleben gerichtete bzw. verabredete Verbrechenstatbestände in vollendeter oder versuchter Form. Bei pränatalen Einwirkungen auf die Leibesfrucht scheiden Mord- und Totschlag (in Bezug auf den Fötus) aus. Maßgebender Zeitpunkt für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs zwischen den Abtreibungs- und Tötungsdelikten ist das tatsächliche Einsetzen der Eröffnungswehen[1].

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So bleibt etwa ein Arzt selbst bei postnataler Todesfolge mangels tatbestandsmäßiger Handlung im Sinne der Tötungsdelikte straflos, der fahrlässigerweise pränatale schwangerschaftsbegleitende Untersuchungen und die womöglich in Bezug auf den Fötus lebensspendende bzw. lebenserhaltende frühzeitige Entbindung per Kaiserschnitt unterlässt[2]. Wer eine Hochschwangere kurz vor der Niederkunft durch Schüsse oder Stiche in den Unterleib tötet, ist nicht etwa wegen zweifachen Totschlags zu bestrafen. Überlebt die Schwangere die Messerattacke, verstirbt jedoch das durch notoperativen Kaiserschnitt gerettete Kind nach 16 Tagen aufgrund seiner Frühgeburtlichkeit und eines infolge der Stichverletzungen seiner Mutter erlittenen Herz-Kreislauf-Stillstandes, ohne den das Kind eine sehr hohe Überlebenschance gehabt hätte, ist der Täter wegen des Tötungsdelikts zum Nachteil der Mutter in Tateinheit mit Schwangerschaftsabbruch zum Nachteil des Kindes zu bestrafen[3].

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Die schwangere Frau ist ihrerseits vom Einsetzen der Geburtswehen an (als Garantin) verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, um das Leben des Kindes zu erhalten. Ist für die Schwangere im Hinblick auf bekannte Vorerkrankungen oder sonstige Risiken absehbar, dass bei der Geburt Gefahren für Leib oder Leben des Kindes entstehen können, hat sie (ggf. ärztliche) Hilfe in Anspruch zu nehmen. Anderenfalls droht ihr – (bedingten) Tötungsvorsatz vorausgesetzt – schlimmstenfalls sogar die Verurteilung wegen Totschlags durch Unterlassen[4].

Teil 2 Der Tod und seine strafrechtliche ZurechnungA › II. Todeseintritt

Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren

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