Читать книгу Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren - Steffen Stern - Страница 83
b) Abgrenzung zur strafbaren Fremdschädigung
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Grundsätzlich ist zwischen der – generell straflosen – Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstschädigung oder Selbstgefährdung und der – grundsätzlich strafbaren – Fremdschädigung eines anderen zu unterscheiden. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist die Tatherrschaft.
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Die eigenhändige Vornahme einer zum Tode führenden Handlung, die Tatherrschaft begründet, steht der Annahme bloßer (strafloser) Förderung einer Selbstgefährdung oder einer straflosen Teilnahme am Suizid entgegen[15]. Liegt die Tatherrschaft über die Gefährdungs- bzw. Schädigungshandlung nicht allein beim Gefährdeten bzw. Geschädigten, sondern zumindest partiell auch bei dem sich hieran Beteiligenden, liegt eine eigene Tat des „Teilnehmers“ vor, sodass dieser nicht aus Gründen der Akzessorietät mangels einer Haupttat des Geschädigten straffrei ausgeht[16]. So kann selbst die Beteiligung am „an sich“ straflosen Suizid zur Strafbarkeit des Beteiligten führen, wenn er das tödliche Geschehen beherrscht und/oder den sich selbst Tötenden als sein Werkzeug gegen sich selbst richtet[17]. Das Problem der eigenverantwortlichen Selbsttötung hat in der Diskussion um den sog. „Assistierten Suizid“[18] und die Grenzziehung zwischen strafloser Sterbehilfe[19] und gem. § 216 StGB strafbarer Fremdtötung auf Verlangen[20] große Aktualität erlangt. Es spielt auch im Bereich der Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 227 StGB[21] eine nicht unbedeutende Rolle.
Grobe Hinweise, die auf Mord oder Selbstmord hindeuten, sind den nachfolgenden Übersichtstafeln zu entnehmen.
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Unnatürlicher Tod I | |
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I. Erhängen | |
Indizien für Selbstmord | Indizien für vorgetäuschten Selbstmord |
• Ansteigen der Strangulationsfurche gegen die Schlaufe oder zum Knoten • weder der Fundort selbst noch die Kleidung oder etwaige Verletzungen bieten Anhaltspunkte für eine Gegenwehr • Vorhandensein und Erreichbarkeit von Behelfsmöglichkeiten zur Anbringung des Aufhängewerkzeugs (Leiter, Tisch, Stuhl, Fensterbank, Truhe) • echter Abschiedsbrief • vertikale Speichelabrinnspur | • zweite Strangfurche • Kampfspuren am Fundort (umgeworfene Vasen und Lampen etc.) • Verletzungen (Unterblutungen) • abgebrochene Fingernägel • Injektionsstellen • Kleidungsdefekte • frei hängende Leiche ohne erreichbare Behelfsmöglichkeiten zur Anbringung des Aufhängewerkzeugs |
II. Erdrosseln | |
Indizien für Selbstmord | Indizien für Mord |
• um den Hals liegendes, mit einem Gegenstand zugedrehtes Drosselwerkzeug, das sich auch bei Verlust der Besinnung nicht eigenständig lockern oder lösen konnte • Leichenfundort aufgeräumt und unauffällig • Kleidung geordnet und intakt • keine Verletzungen an Händen oder Armen • plausibles Selbstmordmotiv | • Schürf- oder Würgespuren am Hals • zweite Strangfurche • fest verknotetes Drosselwerkzeug • Kampfspuren am Fundort (umgeworfene Vasen und Lampen etc.) • Abwehrverletzungen • Kleidungsdefekte • fehlender Nachlass |
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Unnatürlicher Tod II | |
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III. Scharfe Gewalt (Stich, Schnitt und Hieb) | |
Indizien für Selbstmord | Indizien für vorgetäuschten Selbstmord |
• Lage der Schnitte oder Stiche in vom Menschen selbst gut erreichbaren Körperregionen mit lebenswichtigen Blutgefäßen (Herz) • Einstichstelle auf entblößter Haut • Probierschnitte oder -stiche • Parallelschnitte (Pulsaderschnitte) • Fehlen typischer Abwehrverletzungen • geringe Schnitt-Tiefe • blutige Stich- oder Schnitthand des Toten • Blutabrinnspur vertikal • Abschiedsbrief • plausibles Selbsttötungsmotiv | • schwer erreichbare Körperregionen • große Schnitttiefe • Schnittrichtung unterschiedlich • weit auseinander liegende Areale, unterschiedliche Körperseiten • Kampfspuren am Fundort (umgeworfene Vasen und Lampen etc.) • Kleidungsschnitte • Abwehrverletzungen bzw. -schnitte • Blutabrinnspur horizontal • Fehlen von Wertgegenständen (Raubmord) • Tatwerkzeug fehlt • Fehlen eines Suizidmotivs • Tatwerkzeug gereinigt |
IV. Erschießen | |
Indizien für Selbstmord | Indizien für Mord |
• Schläfe (rechts bei Rechtshändern), Herz, Mundhöhle • aufgesetzter Schuss • Nahschuss • Schmauchanhaftungen an Schusshand • Blut- und Gewebespritzer an Schusshand • entblößte Haut • Zugang von innen versperrt | • mehrere Schüsse • Bekleidung durchschossen • Schusswunde an nicht erreichbarer Stelle • Fernschuss • Wertgegenstände fehlen (Raubmord) • Schussgerät nicht auffindbar • Schusswaffe in der Hand des Toten |