Читать книгу Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren - Steffen Stern - Страница 78
II. Todeseintritt
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Die Grenzen zwischen Leben und Tod scheinen angesichts intensivmedizinischer Möglichkeiten zunehmend zu verschwimmen. Der Strafjurist kommt deshalb nicht umhin, sich mit dem Todesbegriff zu befassen. Es finden sich die unterschiedlichsten Todesbegriffe: Individualtod, Hirntod, klinischer Tod, endgültiger Tod, Scheintod. Die Existenz des Menschen endet mit dem Individualtod, der mit dem Hirntod, d.h. mit dem irreversiblen Verlust sämtlicher Hirnfunktionen, eintritt.
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Sichere Todeszeichen: | Unsichere Todeszeichen: |
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• Totenflecken (Livores) • Totenstarre (Rigor mortis) • Autolyse und Fäulnis • mit dem Leben unvereinbare Verletzungen oder Zerstörungen des Körpers | • Hautblässe • sinkende Körperwärme • Atemstillstand • Herz-Kreislauf-Stillstand • keine Pupillenreaktion • keine Reflexe • Muskelatonie |
bei isoliertem Hirntod: (Null-Linien-EEG, Angiographie) |
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In den ersten 20 bis 30 Minuten nach Herzstillstand und mithin vor Ausbildung der ersten sicheren Todeszeichen kann im Einzelfall die Feststellung des Todes schwierig sein.
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Für die einer Organentnahme zu Transplantationszwecken vorausgehende Todesfeststellung gelten Besonderheiten: Maßgeblich ist zwar auch das Kriterium des Hirntodes (vollständiges und bleibendes, d. h. irreversibles Fehlen jeglicher Hirntätigkeit); dieser muss aber durch zwei vom Transplantationsteam unabhängige ärztliche Spezialisten festgestellt und dokumentiert werden[5].
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Der sog. Scheintod kennzeichnet einen Zustand tiefer Bewusstlosigkeit mit klinisch nicht oder kaum nachweisbaren Lebenszeichen und gleichzeitigem Fehlen sicherer Todeszeichen. Entsprechende Erscheinungsbilder sind mitunter anzutreffen beim Vorliegen einer Vita minima nach Badeunfällen, Epilepsien, Alkoholintoxikation, Stromschlag, Schädeltrauma, Betäubungsmittel- oder Tablettenmissbrauch, Unterkühlung, CO-Vergiftung.
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Kennzeichen des klinischen Todes | Bei Scheintod sind nicht oder kaum wahrnehmbar |
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• Pupillen lichtstarr • Pupillen oft erweitert • Muskelerschlaffung • fehlende Reflexe • keine Spontanatmung • keine Herz-Kreislauf-Tätigkeit | • Atmung • Puls • Körperwärme • Reflexe • Fehlen sicherer Todeszeichen EKG bringt Klarheit |
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Dem endgültigen Tod mit irreversiblem Stillstand von Atmung und Kreislauf sowie dem Auftreten sicherer Todeszeichen vorgelagert ist mitunter der sog. klinische Tod mit der Chance einer erfolgreichen Reanimation. Reanimationsbedarf kann bei Eintritt eines Kreislaufstillstands oder eines Atemstillstands bestehen; häufig wird beides gleichzeitig vorliegen. Ein Kreislaufstillstand liegt vor, wenn ein zur Aufrechterhaltung des Lebens erforderlicher Minimalkreislauf nicht mehr besteht, gleichgültig, ob dies auf einem Herzstillstand (Asystolie) oder einem Kammerflimmern beruht.
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Herkömmlicherweise erfolgt die Reanimation (nach Freilegen der Atemwege) durch Beatmung (Mund-zu-Mund, Intubation), kardiale Kompression (sog. externe Herzmassage) und – soweit möglich – durch medikamentöse Therapie. Unter Umständen bedarf es der inneren (direkten) Herzmassage, die eine operative Brustkorberöffnung voraussetzt. Kammerflimmern erfordert den Einsatz des Defibrillators.
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Die sog. Wiederbelebungszeit beschreibt das Zeitintervall zwischen Herz-Kreislauf-Stillstand und dem Eintritt irreversibler Organschädigung infolge Sauerstoffmangels.
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Wiederbelebungszeiten Quelle: Forster | |
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Gehirn | 8 – 10 Min. |
Herz | 15 – 30 Min. |
Leber | 30 – 35 Min. |
Lunge | 60 Min. |
Niere | 90 – 120 Min. |
Muskulatur | 2 – 8 Std. |
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Als Kriterium für eine erfolglose Reanimation gilt das Scheitern der Wiederbelebung des Herzens. Die Herz-Lungen-Wiederbelebung kann im Allgemeinen dann abgebrochen werden, wenn nach 30 Minuten kein Erfolg (keine Spontanatmung, keine spontane Herztätigkeit) erkennbar ist und die Irreversibilität des Kreislaufstillstandes durch ein Null-Linien-EKG über einen längeren Zeitraum belegt ist[6]. In Ausnahmefällen sind, insbesondere bei klinischer Effektivität der Maßnahmen, Verlängerungen der Reanimationszeit angezeigt. Bei Kindern, Säuglingen, bei Intoxikation, Beinahe-Ertrinken sowie bei Unterkühlten (z.B. Lawinenopfern) ist von einer verlängerten Wiederbelebungszeit auszugehen.
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Natürlicher Tod ist nach allgemeiner Ansicht ein Tod infolge von Krankheiten, Missbildungen oder Lebensschwäche. Von einem nicht natürlichen Tod ist zu sprechen, wenn Fremdverschulden vorliegt, eigenes Verschulden wie Unfall (ohne Fremdeinwirkung) oder Suizid.
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Hilfsmittel zur Todeszeitbestimmung finden sich in Teil 20 C[7].
Teil 2 Der Tod und seine strafrechtliche Zurechnung › A › III. Selbsttötung im Strafrecht