Читать книгу Palmer :Black Notice - Stephan Lake - Страница 16

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Im Büro des National Protection and Programs Directorate im Nebraska Avenue Complex in Washington D.C. drückte Dave Kurtz das Gespräch weg, behielt den Hörer aber in der Hand.

Dieser Palmer hatte also angebissen. Wahrscheinlich, wie Kristina formuliert hatte, aber Kristina formulierte immer vorsichtig. Auch, wenn sie sich sicher war.

Sie hatte Palmer herumgekriegt. Ihm gedroht, ihn bezahlt, verführt, wie auch immer. Es spielte keine Rolle. Sie hatte ihn herumgekriegt.

Kurtz nickte zufrieden. Mit Palmer haben wir eine Chance, diesen verdammten Li und diesen Wang zu schnappen. Vielleicht ist Palmer mittlerweile die einzige Chance.

Dann wählte er die Nummer, die er in den vergangenen Wochen so oft gewählt hatte, dass er sie auswendig kannte und von der er wusste, dass sie zu einem Telefon des Grenzschutzes in der Pennsylvania Avenue gehörte. Und der für Internationale Angelegenheiten zuständige Abteilungsleiter würde, wie immer in den vergangenen Wochen, persönlich antworten. Ein derzeit unter großem Druck stehender Anthony Matthew Torres II.

„Torres hier.“

„Ich bins“, sagte Kurtz. „Na, wie läufts bei der Customs and Border Protection?“

„Sind Sie das etwa, Kurtz?“

„Wer sonst?“

Er hörte Torres schnaufen. „Können Sie sich verdammt nochmal mit Ihrem Namen melden?“ Und als Kurtz nicht antwortete, „Ich hoffe, Sie haben wenigstens gute Nachrichten.“

Kurtz gefiel die Situation zwischen ihnen. Torres hasste ihn, konnte ihm aber nichts anhaben. Denn der Präsident persönlich hatte Kurtz für diesen Posten vorgeschlagen, der Senat hatte ihn bestätigt. Er stand nur zwei Positionen unterhalb der Ministerin für Homeland Security und würde sie eines Tages beerben. Vielleicht schon bald. Sofern ihm diese Sache nicht in den Weg kam.

Nein, Anthony Matthew Torres II. konnte ihm nichts anhaben, gar nichts, und das machte diesen Grenzschützer, der in seinem Leben schon allein wegen seines Namens immer nur die Nummer Zwei hinter seinem Alten sein würde, wahnsinnig. Und ihn machte das ein klein wenig glücklich.

„Easy, Torres, easy. Sie hören sich ja gar nicht gut an, so verbissen. Das ist ungesund. Sie müssen mal wieder entspannen.“

„Lassen Sie mal meine Gesundheit meine Sache sein, Kurtz. Was haben Sie für mich?“

Kurtz lehnte sich tief in seinen Ledersessel. Er liebte diesen weichen Sessel, der seinem Rücken mehr half als eine Deep-Tissue. Und er genoss, was er jetzt sagte: „Palmer hat angebissen.“

„Angebissen? Was heißt angebissen?“

„Das heißt, er wird vermutlich sofort nach Singapur fliegen und mit der Suche beginnen.“

„Vermutlich?“

Kurtz antwortete nicht.

„Wieso Singapur?“

„Weil wir Li zusammen mit dem Zeugen dort aus den Augen verloren haben, Torres. Sie haben doch meinen Bericht bekommen.“

Meine Güte, war dieser Kerl langsam im Kopf.

„Ich habe Ihren Bericht bekommen. Ich habe ihn sogar vor mir liegen. Was ich meinte, vielleicht haben sie Singapur ja bereits verlassen. Wie konnte es eigentlich passieren, dass diese beiden Chinesen unseren Leuten entwischt sind? Diese ...“, Kurtz hörte Blätter umschlagen, „Carolin Yu. Kennen Sie die?“

„Nein.“

„Hat praktisch neben den beiden gesessen. Und wir hatten noch zwei weitere Mitarbeiter in der Nähe, mein Gott. Und trotzdem sind diese beiden Chinesen uns entkommen. Unglaublich.“

„Regen Sie sich nicht auf, Torres. Das ist Vergangenheit. Ihr Team wird die beiden suchen. Und dieser Palmer wird unser Ass sein.“

Torres sagte, „Wie haben Sie das geschafft? Ich dachte, dieser Palmer wäre ein schwieriger Typ.“

„Ich habe eine Mitarbeiterin, die auf schwierige Typen spezialisiert ist.“

„Gut, ich werde meine Leute informieren.“

„Wer wird das Team aussuchen?“

Torres sagte, „Murray.“

„Murray? Rob Murray etwa? Der von der Border Patrol? Don't-fuck-with-me-Murray?“

„Nennen Sie ihn mal so ins Gesicht“, sagte Torres. „Die Border Patrol hat uns diese Scheiße eingebrockt, der Chef der Border Patrol wird sie wieder ausbrocken. Da sind sich hier alle einig. Jedenfalls, Kurtz, ich hoffe, Sie haben sich das sehr genau überlegt mit diesem Palmer. Palmer kennt sich aus. Was alles in Ihrem Bericht über ihn steht, der hat sogar Geiseln befreit. Abu Sayyaf, Philippinen. Er allein. Abu Sayyaf, Kurtz, fuck me. In Ihrem Bericht steht, der hat vermutlich mehr als einhundert Einsätze absolviert, und wir wissen nicht einmal, für wen der arbeitet. Wir haben nicht einmal eine Vermutung. Und solch einen Mann haben Sie kontaktiert und wollen ihn für Ihre Sache benutzen?“

„Für unsere Sache, Torres. Nicht für meine.“

„Ich halte das für einen Fehler. Palmer hat offensichtlich Fähigkeiten in Bereichen, die für uns gefährlich sein können. Und er hat Zugang zu Informationen. Und darüber hinaus ist er ein Einzelgänger, er arbeitet immer alleine, steht hier. Solche Typen, Kurtz, ich habe oft genug mit Einzelgängern zu tun, die lassen sich nicht kontrollieren. Was also ist, wenn Palmer es nicht dabei belassen will, Li zu finden? Wenn er der Sache auf den Grund gehen will? Ich betone es noch einmal, fürs Protokoll, sozusagen, ich halte es für ein enormes Risiko, diesen Palmer mit ins Boot zu nehmen. Für einen Irrsinn geradezu.“

„Fürs Protokoll?“, sagte Kurtz. „Lassen Sie etwa das Band mitlaufen, Sie kleiner Scheißkerl?“

„Ich lasse kein Band mitlaufen, Kurtz, und passen Sie auf, was Sie zu mir sagen.“

Kurtz atmete durch. Palmer war ein Risiko, das stimmte. Aber er konnte der entscheidende Faktor sein.

„Wir nehmen Palmer nicht mit in irgendein Boot, Torres“, sagte er, ruhiger jetzt. „Wir müssen Li und den Zeugen finden, schnellstens, bevor etwas an die Öffentlichkeit gerät. Dafür müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen. Ihr Team ist der eine Hebel, Palmer ist der andere. Wir haben keine Wahl. Aber wir werden Palmer auf Schritt und Tritt im Auge behalten. Sobald er in Singapur einreist, werden wir es wissen. Und fangen Sie nicht damit an, mir meinen Job erklären zu wollen.“

„Ich hoffe, dass ich das nicht muss“, sagte Torres. „Sagen Sie, Ihre Mitarbeiterin ...“

„Agent Azone.“

„Agent Azone. Welche Erfahrungen hat sie?“

„Erfahrungen? Was meinen Sie, Erfahrungen?“

„Terrorismus, ausländische Geheimdienste. Hat sie damit Erfahrung? Hat sie Kontakte in Singapur?“

„Terrorismus? Sicher nicht. Und Kontakte? Agent Azone ist nie aus den Staaten herausgekommen. Nicht im Job. Sie sitzt an einem Schreibtisch und macht Papierkram.“

„Clearance?“

„Clearance? Torres, Sie können in jeder Highschool-Zeitung größere Geheimnisse lesen, als Azone sie jemals kennen wird. Sie hat nicht mit Geheimsachen zu tun, nie. Ich hab sie nur deshalb für Palmer ausgesucht, weil ich weiß, wie Männer auf sie reagieren.“

„Gut. Gut. Dann schicken Sie Agent Azone auch nach Singapur. Möglicherweise brauchen wir sie dort, damit sie Palmer an der Leine hält. Und dann will ich nicht auf sie warten müssen. Wir können uns in dieser Angelegenheit keine Fehler erlauben. Verstanden?“

Torres legte auf, ohne eine Antwort abzuwarten. Dann schaltete er das Band ab. Kurtz' Stimme wie eine ungeölte Autotür tat ihm in den Ohren weh.

Er würde über dieses Problem keine schlaflosen Nächte verbringen. Er wollte der nächste Leiter der Customs and Border Protection werden, und diese Angelegenheit würde ihn verdammt nicht davon abhalten.

Torres griff zum Hörer und wählte die Nummer von Rob Murray, dem Leiter der Border Patrol.

„Ja?“

Torres atmete durch. Dass sich niemand mit seinem Namen melden konnte. Er sagte, „Rob?“

„Jeesus, Torres, Sie haben meine Mobilnummer gewählt. Wen erwarten Sie dann am Telefon? Ihre Mama?“

„Meine Mutter ist tot“, sagte Torres. „Und wir standen uns sehr nahe. Sprechen Sie nie wieder von ihr.“ Er machte eine Pause. Bei ihrem Tod hatte seine Mutter weniger als einhundert Pfund gewogen. Verdammter Krebs. Verdammte Ärzte. Verdammter Murray. Er sagte, „Ich habe gerade den Anruf bekommen. Palmer hat angebissen.“

„Sehr gut“, sagte Murray. „Und das ist sicher?“

„Vermutlich sicher.“

„Vermutlich sicher? Was soll das denn heißen?“ Murray schnaufte.

„Vermutlich, so war der Ausdruck. Was wollen Sie hören?“

Sicher will ich hören, ohne vermutlich. Vermutlich ist nicht gut genug.“

„Mehr haben wir nicht. Aber ich denke trotzdem, wir können fest davon ausgehen, dass Palmer nach Singapur fliegt und dort-“

„Wir sind sicher, dass sie noch in Singapur sind?“

„Deshalb fliegen Sie hin, um das herauszufinden. Nicht?“

„Natürlich, Anthony“, sagte Murray.

Anthony. Torres wurde bewusst, wie sehr er es hasste, von Rob Murray beim Vornamen genannt zu werden. Und dass er nichts dagegen tun konnte, hasste er noch mehr. „Also, Sie und Ihre Leute finden Li. Oder Palmer findet ihn für uns“, sagte er. „Und haben wir Li, dann haben wir auch den Zeugen. Aber uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Wir müssen den Zeugen ausschalten, bevor er mit jemandem reden kann. Und Li ebenfalls.“

„Ich weiß das.“

„Soweit ich mich erinnere, haben wir gute Kontakte in Singapur, nicht?“

Ich habe gute Kontakte, ja“, sagte Murray.

„Na gut, Sie eben.“ Fuck you, Murray. „Falls Palmer erfolglos ist, brauchen wir diese Kontakte. Seien Sie nicht geizig. Bezahlen Sie die Leute also gut, wir brauchen verlässliche Informationen.“

Murray sagte, „Wollen Sie mir jetzt erklären, wie ich meinen Job machen soll?“

Torres atmete tief ein. Er sah Murray vor sich, das Telefon am kahlgeschorenen Schädel, Füße hoch, Zigarillo zwischen den Zähnen. Wollen Sie mir jetzt erklären, wie ich meinen Job machen soll? Verdammter Murray. Er atmete aus, langsam und leise. Waren seine Ratschläge denn gar nichts wert? „Sie haben den Bericht gelesen, Rob. Also denken Sie daran, Palmer ist gefährlich. Vielleicht findet er heraus, um was es hier geht. Dann wäre auch er ein Zeuge. Und damit ein Risiko. Also, keine losen Enden in Singapur.“

„Was meinen Sie damit, keine losen Enden?“

„Sie wissen, was ich meine. Tun Sie es, klar? Schicken Sie Ihre besten Leute.“

„Ich fliege selbst. Mit drei meiner Männer.“

„Es geht hier um verdammt viel. Nehmen Sie also nur Ihre besten Leute mit, verstanden? Nur die besten.“

„Alle meine Männer sind die besten, Anthony.“

Rob Murray legte den Hörer auf und zog tief an seinem Zigarillo. Der Rauch breitete sich in seiner Lunge aus und schickte eine warme Welle durch seinen Körper. Ein gutes Gefühl.

Vermutlich.

Vermutlich war nicht gut genug. Bei weitem nicht. Vermutlich war für Verlierer. Verlierer wie Torres.

Er hingegen hatte eine Versicherung abgeschlossen. Und es war an der Zeit, dass Palmer von der Versicherung erfuhr.

Murra wählte eine Nummer. Ein Mal nur klingelte es, dann meldete sich der Angerufene.

„Ich bin da.“

Ja, so waren seine Leute. Zuverlässig. Schnell. Effektiv. Die besten.

Murray nahm die Füße vom Tisch und lehnte sich nach vorne.

„Griffin. Palmer. Grünes Licht.“

„Alles klar.“

„Wie sieht es aus bei dir?“

„Dunkel. Kalt. Wüste. Eine gottverlassene Gegend. Ich frage mich, warum der hier wohnt. Oder warum irgendjemand hier wohnt.“

„Nicht unser Problem.“

„Ja.“

„Report, sobald es erledigt ist.“

„Natürlich.

„Dann los.“

„Alles klar“, sagte Griffin wieder.

Griffin trank noch einen Schluck und stieg aus und ging los, in die Dunkelheit hinein.

Er fluchte, als er das erste Mal strauchelte.

Palmer :Black Notice

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