Читать книгу Palmer :Black Notice - Stephan Lake - Страница 5
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Оглавление„Măkè, nin hăo ma?“
Mark, wie geht es Ihnen?
Die Begrüßung nicht auf Kantonesisch sondern in seiner Muttersprache Mandarin und wie früher mit dem respektvollen ’nin’. Ein gutes Zeichen. Andrew Wang wollte offensichtlich seinen Respekt zeigen.
Mark stand auf. „Wo hen hăo, wo hen hăo, Āndélu. Nin bàba māma hăo ma?“
Mir geht es gut, mir geht es gut, Andrew. Wie geht es Ihrem Vater und Ihrer Mutter?
Wang streckte ihm die Hand hin und quittierte seine höfliche Frage nach den Eltern mit einem Kopfnicken. „Tāmen dōu hen hăo. Xièxie.“
Beiden geht es gut. Danke.
Mark griff die Hand seines früheren Mitarbeiters und drückte sie. Er spürte, wie Wang zuckte.
„Setz dich“, sagte Mark, auf den Stuhl gegenüber deutend. „Was trinkst du?“ Er winkte dem Kellner.
Wang verlangte einen Eiskaffee. Der Inder ging, ohne Wang die gefüllten Nudeltaschen zu empfehlen und brachte kurz darauf den Eiskaffee und ein Glas Wasser, von dem Wang sofort trank.
Mark schaute nach der jungen Kellnerin und sah sie immer noch schlafend auf ihrem Stuhl neben der Theke.
Die Chinesin mit der Reisetasche blätterte wieder in ihrem Heft.
„Es ist gut, dich zu sehen, Mark.“
Mark sah Wang an und nickte. „Dich auch.“
Wie Wang vor ihm saß, dünner als früher, fast mager, das Gesicht zerfurcht, die Augen tief in ihren Höhlen, der Kopf jetzt völlig kahl. Der Oberkörper gebeugt, die Ellbogen auf den Tisch gestützt. Sein Handschlag war schwach gewesen wie der eines Kindes. Beim Trinken hatte das Glas gezittert.
„Wie geht es dir, Andrew?“
Wang zog ein Päckchen Zigaretten aus der einen Hosentasche, fingerte einen Stängel heraus, mühsam und umständlich, zog ein Feuerzeug aus der anderen Tasche. Erst nach mehreren Versuchen kam die Flamme. Dann lehnte er sich zurück und atmete tief den Rauch ein, legte Zigaretten und Feuerzeug nebeneinander auf den Tisch, deutete um sich und nickte, „Du hattest recht. Ein Sandkorn am Strand.“ Beugte sich dann nach vorne, „Hast du mir einen Unterschlupf besorgt?“
Mark nickte.
„Ist der Unterschlupf sicher?“
Lis Augenbraue zuckte nach oben.
Er sah Wang verlegen lächeln.
Neun Jahre hatten sie sich nicht gesehen, aber in diesem Moment fühlte sich Mark, als hätten sich diese neun Jahre nicht ereignet. Als hätte er in Wirklichkeit Hong Kong nie verlassen und würde, wie hunderte Male zuvor, nur ein weiteres Mal in einem der kleinen Straßenrestaurants auf Hong Kong Island sitzen oder in Kowloon. Und Wang würde ihm Informationen weitergeben und hätte dabei etwas Dummes gesagt oder etwas Selbstverständliches und wäre dafür von ihm mit einer hochgezogenen Augenbraue gerügt worden.
Mark sagte, „Es ist lange her, Andrew.“
„Zu lange“, sagte Wang.
Wie Wang beim Sprechen stoßweise Rauch aus Nase und Mund entwich, er hatte das noch nie ausstehen können. Mark fächelte mit der Hand und schüttelte den Kopf. „Nicht lange genug“, sagte er. „Freund?“
Wang nickte. „Freund.“
Mark nahm einen Schluck von seinem Tee. Wang hatte mit seiner Antwort nicht gezögert, das war gut. Aber mit Wang war etwas passiert, das war nicht zu übersehen. Wang schien an den alten Zeiten zu hängen, oder vielleicht wollte er ihn auch nur an seine Schuld erinnern.
Als ob er diese Erinnerung brauchte.
Aber er glaubte Wang, dass der ihn noch als Freund betrachtete. Er war sich nur nicht sicher, ob er Wang auch vertrauen konnte.
Er sagte, „Okay, Freund, dann erzähle mir, um was es geht und was du von mir willst.“
Und sah Wang den nächsten tiefen Zug nehmen. Asche fiel auf sein Hemd, seine Augen suchten den Tisch ab, kein Aschenbecher, aber sein Blick blieb für einen Moment auf dem No-Smoking-Aufkleber. Wang zog noch einmal und ließ die Zigarette auf den Boden fallen und trat sie aus. Wischte die Asche vom Tisch, trank von seinem Eiskaffee. Knetete dann seine Hand, die immer noch zitterte.
Was war bloß mit ihm los?
„Es geht um mein Leben, Mark. Es gibt Leute, die es mir nehmen wollen. Verstehst du? Mein Leben. Weil ich alles gesehen habe. Ich brauche deine Hilfe.“
„Was für Leute? Profis?“
„Profis, natürlich.“ Wang nickte. „Weshalb sonst wäre ich denn hier? Ich brauche deine Hilfe, Mark.“
„Und um was geht es? Was hast du gesehen?“
Er beobachtete, wie Wang nach den Zigaretten greifen wollte, sein Blick wieder auf den Aufkleber fiel und es dann ließ und damit begann, die andere Hand zu kneten. Dann antwortete Wang, so leise, dass Mark sich weit zu ihm hinüber beugen musste.
„Es geht um ... Es geht um Amerika. Amerika. Und um unschuldige Tote. Viele unschuldige Tote.“
Mark lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Er ließ seinen Blick schweifen.
Die Chinesin blätterte in ihrem Heft.
Er legte einen Geldschein auf den Tisch, beugte sich wieder nach vorne und sagte, ebenfalls leise, „Wir müssen gehen.“
Wang griff nach seinen Zigaretten. „Warum?“
„Wir sind keine Sandkörner mehr“, sagte Mark.