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Die Blonde saß bereits wieder an ihrem Tisch, Beine übereinander geschlagen, Zigarette in der einen, Glas in der anderen Hand. Während Palmer vorbeiging, lächelte sie ihm zu. Er lächelte nicht zurück.

Sein Glas stand unberührt. Er schob es weg, winkte, drückte der jungen Chinesin im schwarzen Shirt die zusammengerollte Zeitschrift in die Hand, bestellte Kaffee und die Rechnung. Dann nahm er die Shanghai Daily.

Seite vier, Metro. Nur eine Zeile Text, der Rest Foto.

Hochhäuser im Hintergrund, Asphalt vorne und in der Mitte eine Gruppe Menschen vor einer Polizeiabsperrung. Chinesinnen und Chinesen, westliche Männer und Frauen. Businesstypen. Anzug, Hemd, Krawatte die Männer, ausnahmslos die Jacketts ausgezogen und in der Hand oder auf dem Arm. Bluse und Rock die Frauen. Ihre Blicke auf die Absperrung.

Hinter der Absperrung Polizisten und ein Krankenwagen.

Die eine Zeile Text: Deutscher Expat totgeprügelt.

Auf der nächsten Seite der Bericht. Palmer überflog ihn. Demzufolge war der deutsche Expat Robert B. am Tag zuvor während der Mittagspause, die er zusammen mit Arbeitskollegen draußen vor dem Gebäude verbrachte, von einem Mann mit mindestens zehn – manche Zeugen sagten fünfzehn, einer sagte über zwanzig – Schlägen mit einem Bambusstock getötet worden. Der Täter, ein Chinese, wäre auf die Gruppe zugekommen, hätte sofort zugeschlagen, dann geschrien, der Deutsche hätte eine Affäre mit seiner Freundin und weiter zugeschlagen, obwohl sich Robert B. nicht mehr bewegte. Der Täter hätte dabei auf eine der Chinesinnen aus der Gruppe gezeigt.

Die Chinesin hätte später bei der Polizei ausgesagt, dass sie den Täter nicht kannte und nie zuvor gesehen hätte, geschweige denn seine Freundin wäre. Und der Deutsche wäre zwar ihr Kollege, aber sie hätten erst seit kurzem im selben Team gearbeitet und sich nie privat gesehen. Sie wüsste von ihm nicht viel mehr als seinen Namen. Der Deutsche hätte auch den verrückten Vorschlag gemacht, die Mittagspausen draußen in der Hitze zu verbringen. Alle in der Firma hätten darüber gelacht.

Der Deutsche hätte seit einem Jahr bei der Firma in Pudong gearbeitet, hieß es in dem Bericht weiter, zuvor drei Jahre in Peking für eine andere Firma. Er hinterließe seine chinesische Frau und das gemeinsame Kind. Die Polizei würde seine Leiche so bald wie möglich zur Überführung nach Deutschland freigeben. Der Leichnam wäre kein schöner Anblick, wurde ein Polizeisprecher zitiert, der Schädel des Opfers wäre nicht mehr zu rekonstruieren und sein Gesicht zusätzlich vom heißen Asphalt völlig verbrannt. Es wäre alles sehr bedauerlich.

Keiner der Zeugen wäre so geistesgegenwärtig gewesen, den Täter zu filmen oder zu fotografieren. Der Mann wäre unerkannt entkommen.

Die Zeugen stimmten in ihren Beschreibungen nur darin überein, dass er Chinese und glatzköpfig war. Ansonsten? Palmer lächelte, als er weiterlas. Zwischen dreißig und fünfzig Jahren alt, zwischen einem Meter sechzig und einem Meter fünfundsiebzig groß, zwischen schlank und dick. Nach ihm würde gefahndet, schrieb die Zeitung, wer den Mann auf dem Phantombild kannte, sollte die Polizei kontaktieren.

Palmer schaute sich das Phantombild an. Es war wertlos. Ein männliches, chinesisches Gesicht, wie jeder, der in China lebte, es unzählige Male gesehen und sofort wieder vergessen hatte. Ohne besondere Merkmale. Durchschnittlich in jeder Hinsicht.

Kaffee und Rechnung kamen und Palmer bezahlte und blätterte zurück und ließ die Zeitung sinken. Die beiden Kerle hatten der Blonden diese Seite gezeigt und ins Gesicht geschlagen. Was hatten sie mit dem toten Deutschen zu tun? Und was die Blonde?

Palmer sah zu ihr hin.

Sie hatte ihn beobachtet und lächelte schon wieder. Nahm jetzt Handtasche, Zigaretten, Glas und kam, Blicke auf ihre Beine ignorierend, an seinen Tisch und sagte, „Darf ich?“, auf Deutsch.

Palmer sah sie sich setzen.

Er sagte, „Sie haben Ihre Flasche vergessen.“

„Die ist leer“, sagte sie, „Und Sie ... Guinness und Kaffee?“ Als konnte sie nicht glauben, dass er sie siezte.

„Nur Kaffee.“

„Das Glas ist voll.“

„Das Bier ist schal“, sagte er. Was nicht stimmte, aber er trank nie aus einem Glas, das einmal unbeaufsichtigt stand.

Er nickte auf die Zeitung. „Kannten Sie den Mann?“

Sie schüttelte den Kopf. „Schlimme Sache, das.“

„Und diese beiden Rüpel? Kennen Sie die?“

Sie lachte, „Rüpel“, zog an ihrer Zigarette und blies den Rauch an ihm vorbei in Richtung der beiden Chinesinnen, die immer noch aßen und rauchten zugleich und jetzt auch in ihre Telefone tippten. Ihre Hand zitterte nicht mehr.

„Sie kennen die beiden“, sagte Palmer.

Ein weiterer Zug, sie drückte den Stängel aus, ihre Fingernägel im selben Rot wie ihr Kleid und sagte, „Ja, ich kenne die beiden. Flüchtig. Sie hingegen ...“, legte ein Bein über das andere, nahm die nächste Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an, „würde ich gerne näher kennenlernen.“

Palmer :Shanghai Expats

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