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3. Letter of Intent[7]
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Der aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammende Letter of Intent[8] ist aus dem deutschen Rechts- und Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Sein Zweck ist es, den Stand von Verhandlungen zu fixieren und die Absicht zu bekunden, vorbehaltlich der Einigung über noch zu verhandelnde Punkte sowie des Eintritts sonstiger Ereignisse (z.B. Zuführung von Informationen, Sicherstellung der Finanzierung) einen Vertrag abzuschließen.[9] Hierdurch wird bei dem Erklärungsempfänger das Vertrauen in die Ernsthaftigkeit der Verhandlungsabsichten gestärkt. Damit kommt dem Letter of Intent vor allem verhandlungspsychologische Wirkung zu, die zu einer faktischen Bindung führen kann. Zudem kann er als Grundlage für die Entscheidung zustimmungspflichtiger Gremien (z.B. Gesellschafterversammlung oder Aufsichtsrat) dienen.
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Der Letter of Intent kommt häufig als einseitige Absichtserklärung in Form eines Briefes vor. Dieser kann von der anderen Partei gegengezeichnet werden, um den beiderseitigen Willen zum Vertragsschluss auszudrücken. In einem zweiseitigen Letter of Intent können bindende ein- oder wechselseitige Leistungs- und Unterlassungspflichten vereinbart werden.
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In Bezug auf das Hauptgeschäft hat der Letter of Intent regelmäßig noch keine rechtliche Bindungswirkung. Er löst weder den Zwang zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen noch zum Abschluss eines Vertrages aus.[10] Ein Vertrauenstatbestand i.S.d. § 311 Abs. 2 BGB wird erst dann begründet, wenn sich die Erklärungen derart konkretisieren (z.B. bei Verhandlungen über die Einräumung einer Option, eines Vorvertrages oder bereits über den Unternehmenskaufvertrag selbst), dass der Vertragsabschluss nur noch aus bestimmten Gründen verweigert werden kann.[11] Schafft eine Partei erhöhtes Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages, stellt dessen Abschluss als sicher dar und bricht die Verhandlungen später dennoch grundlos ab, können Schadensersatzansprüche aus c.i.c. (gem. §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 311 Abs. 2 und 3, 241 Abs. 2 BGB) entstehen, wenn der Letter of Intent diese nicht ausdrücklich ausschließt.[12]
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Gegen eine Haftung wegen grundlosen Abbruchs der Vertragsverhandlungen können sich die Parteien am besten durch Vorbehaltserklärungen absichern. Danach erfolgen die Verhandlungen nur unter dem erklärten Vorbehalt, dass über den Vertragsschluss erst nach vollständiger Einigung über einen unterschriftsreifen Vertragsentwurf entschieden werden soll.[13] Allerdings vermag auch ein solcher Vorbehalt nicht in allen Fällen den haftungsrechtlich relevanten qualifizierten Vertrauenstatbestand zu beseitigen.
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Der Bezeichnung eines Schreibens als Letter of Intent kommt wenig Bedeutung zu. Sie ist allenfalls ein widerlegbares Indiz dafür, dass eine vertragliche Bindung in Bezug auf den Abschluss des Hauptvertrages gerade noch nicht gewollt war.[14] Die rechtliche Wirkung der Erklärung ist durch Auslegung vom Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Es kommt dann auf den Willen des Erklärenden an, ob und in welcher Weise er sich binden will. Somit kann der Letter of Intent eine unverbindliche Absichtserklärung sein oder der erklärenden Partei – bei Gegenzeichnung durch die andere auch beiden Parteien – Pflichten auferlegen. Zur Vermeidung von Missverständnissen empfiehlt es sich, das Gewollte klar zu definieren und eine noch nicht gewollte Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrages ausdrücklich klarzustellen (sog. „Non Binding Clause“).[15]
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Grundsätzlich bedarf der Letter of Intent, soweit er lediglich die unverbindliche Kundgabe der Absicht zum Vertragsschluss enthält, keiner Form. Dies gilt auch für in ihn aufgenommene Vorfeldvereinbarungen. Ist der Letter of Intent jedoch ausnahmsweise als Vorvertrag ausgestaltet, so sind die gesetzlichen Formvorschriften (z.B. § 15 GmbHG) zu beachten.[16]
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Der Inhalt eines Letter of Intent ist vielfältig: Häufig enthält er die Absichtserklärung, zu einem bestimmten rechtsgeschäftlichen Ergebnis, also zur Unternehmensübertragung zu kommen. Üblicherweise werden der Kaufgegenstand konkretisiert und der Fortgang der Verhandlungen festgelegt. Auch der Umfang der Due Diligence, die zu involvierenden Gesprächspartner sowie der Zeitplan für die Durchführung der nötigen Schritte werden in der Regel benannt. Des Weiteren können Kaufpreisvorstellungen und Fragen der Kostentragung im Letter of Intent enthalten sein.
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Oft enthält der Letter of Intent verbindliche Vorfeldvereinbarungen, um die im vorvertraglichen Verhandlungsstadium bestehenden Interessen der Parteien zu schützen und notwendige Vorleistungen zu regeln. Wesentlicher Bestandteil jedes Letter of Intent ist die Vertraulichkeitsabrede zwecks Geheimhaltung der beabsichtigten Transaktion sowie der ausgetauschten Betriebsinterna. Eine Geheimhaltungspflicht wird nicht selten bereits vor Aufnahme der Verhandlungen in einer separaten Vereinbarung („Confidentiality Agreement“) festgelegt.[17] Auch die Vereinbarung eines Verbots, Arbeitnehmer der anderen Partei abzuwerben, kann sich im Einzelfall empfehlen.
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Exklusivitätsabreden werden in den Letter of Intent aufgenommen, nach denen bis zum Abschluss des Hauptvertrages oder bis zum Scheitern der Verhandlungen keine Parallelverhandlungen mit Dritten geführt werden dürfen. Ein schuldhafter Verstoß hiergegen stellt eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung dar. Konkret kann hierzu vereinbart werden, dass die Partei, die gegen die Exklusivitätsabrede verstößt, die im Zusammenhang mit der beabsichtigten Transaktion entstandenen Kosten der anderen Partei übernimmt, falls der Hauptvertrag mit dem Dritten abgeschlossen wird. Während die Geheimhaltungspflicht auch im Falle des Scheiterns der Verhandlungen fortbesteht, gilt die Exklusivitätsabrede regelmäßig nur für deren Dauer.
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Bei Vorbereitung und Durchführung des Unternehmenskaufs entstehen oft erhebliche Kosten: Technische und betriebswirtschaftliche Prüfungen müssen durchgeführt, Anwälte, Wirtschaftsprüfer und andere Fachleute beauftragt, behördliche Verfahren eingeleitet, Mitarbeiter abgestellt und Reisekosten aufgebracht werden. In der Regel trägt dabei jede Partei die ihr entstehenden Kosten, was jedoch häufig nicht sachgerecht ist. In Kostenaufteilungsabreden kann der Käufer die Kosten des Veräußerers als Gegenleistung für die Ausschließlichkeit übernehmen bzw. der Veräußerer die Kosten des Erwerbers, falls dieser die Exklusivität bricht.[18] Mit Hilfe einer Vereinbarung über die Kostentragung kann bei Scheitern der Verhandlungen die zumeist streitige Frage einer Haftung für die aufgewendeten Kosten aus c.i.c. gem. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3, 280 BGB im Vorfeld geklärt werden.[19] Darin sollten Schadensersatzansprüche aus c.i.c. ausdrücklich ausgeschlossen werden. Ein vertraglicher Haftungsausschluss ist jedoch nur mit der Einschränkung des § 276 Abs. 2 BGB möglich, wonach dem Schuldner die Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus erlassen werden kann.
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Neben der Kostenregelung oder damit verbunden räumen sich die Vertragspartner mit einer Break-up Fee das Recht ein, im Falle des Scheiterns der Transaktion bzw. des Abbruchs der Verhandlungen die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages (der im Verhältnis zur Transaktion und den zu kompensierenden Kosten stehen muss) zu verlangen.[20] Interessengerecht ist eine solche Verpflichtung z.B. dann, wenn eine Partei Zeit etwa für interne Entscheidungsprozesse benötigt und die andere sich gegen einen daraus drohenden Abbruch der Verhandlungen finanziell absichern will.
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Neben dem Letter of Intent gibt es noch die Heads of Agreement und die Instructions to Proceed. Diese Begriffe werden im anglo-amerikanischen Rechtskreis oft synonym verwandt. Unter Heads of Agreement versteht man üblicherweise rudimentäre Diskussionsentwürfe eines Vertrages. Instructions to Proceed dokumentieren die Verständigung über die Art und Weise des weiteren Vorgehens. Schließlich ist der Letter of Intent von dem sog. Side Letter zu unterscheiden: Dieser hängt in der Regel mit einem bestehenden Hauptvertrag zusammen, während der Letter of Intent vor einem noch zu schließenden Hauptvertrag vereinbart wird.[21]