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Wie Sie sofort Vertrauen zum Leser herstellen

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Juwelendiebe, Masseure und der erste Satz Ihres Romans

Einen Roman zu beginnen erfordert Mut. Vor allem erfordert es Selbstvertrauen. Dieses Selbstvertrauen muss sich dem Leser mitteilen – weil er Ihnen vertrauen muss, damit er sich auf Hunderte von Seiten Ihrer Geschichte einlässt. Sie sind sein Führer, Sie nehmen ihn an der Hand. Sie wollen mit ihm durch ein Land, das ihm anfangs vollkommen fremd ist.

Mit wem würden Sie lieber durch einen unbekannten, finsteren Wald wandern? Mit einem stotternden, abgerissenen Männlein, das sich nicht mal traut, Ihnen in die Augen zu sehen? Oder mit einem aufrechten, bewaffneten Jägersmann mit scharfem Blick und beruhigendem Lächeln?

Ihnen gefällt das Bild nicht, weil Sie etwas gegen Leute haben, die Tiere töten? Wie wäre es damit: Das Verhältnis zwischen Autor und Leser ist wie das zwischen Masseur und Patient. Der Patient vertraut darauf, dass der Masseur weiß, was er tut. Der Patient erwartet, dass der Masseur warme Hände hat. Dass er beendet, was er anfängt, und nicht unvermittelt den Raum verlässt und den Patienten nackt auf der Liege zurücklässt, während von der Decke lulliger Ambient träufelt.

Dieses Vertrauen Ihren Lesern gegenüber etablieren Sie mit der Erzählstimme. Dem ersten Satz Ihres Romans kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Sie dürfen ihn sich tatsächlich wie einen Schlüssel vorstellen, denn er schließt Ihren Roman für den Leser auf.

Call me Ismael.

»Nennt mich Ismael.« So beginnt Herman Melvilles »Moby Dick«. Ein starker Satz, einfach und vertrauenswürdig. Da weiß einer, wovon er schreibt. Er hat es nicht nötig, sich aufzuplustern. Er verspricht nicht massivgoldene Wunder, von denen nach ein paar Seiten schon die gelbe Farbe blättert.

Der Anfang, idealerweise schon der erste Satz soll dem Leser zeigen, was ihn erwartet. Etwa ein witziges Buch.

Bisher passierte folgendes:

Am Anfang wurde das Universum erschaffen.

Das machte viele Leute sehr wütend und wurde allenthalben als Schritt in die falsche Richtung angesehen.

So mein Lieblingsanfang, der dem Roman »Das Restaurant am Ende des Universums« von Douglas Adams entstammt (Rogner und Bernhard 1981). Der Tonfall und die Art des Humors, die einen in dem Buch erwarten, werden etabliert.

Ein Thriller?

Jene rote Tür zu öffnen, das wusste ich, würde mein Leben zerstören.

Der erste Satz in Harlan Cobens Roman »Caught« (Orion 2010 / dt. »In seinen Händen« / eigene Übersetzung). Schon der erste Satz sagt: Hier geht es um alles. Schnall dich an. Die Fahrt wird schnell – und verdammt holprig.

Oder die Geschichte zweier halbkrimineller Brüder im Juwelier-Milieu, über die Clancy Martin in seinem Roman »How to sell« schreibt (Farrar, Straus und Giroux 2009 / dt. »Verkaufen« / eigene Übersetzung)?

Unser Vater erzählte, wie Jim beim Tragen der schwarzen Mikomotos meiner Großmutter erwischt worden war, kaum zwei Jahre alt, aber das erste Mal, dass ich mich mit Schmuck befasste, war an dem Morgen, als ich den Ehering meiner Mutter stahl.

Die Art, wie das erzählt wird, gibt den lakonischen Ton des ganzen Romans vor.

Der Satz schafft noch mehr: Dadurch, dass der Erzähler dem Leser eine Abweichung vom Schema zeigt, etwas Verbotenes, weckt er sofort sein Interesse. Humor klingt an bei der Vorstellung eines kleinen Jungen mit einer Kette schwarzer Perlen. Durch diesen Anfang schafft es der Autor oder, wenn Sie so wollen, der Ich-Erzähler, dass er dem Leser trotz seines verwerflichen Diebstahls nicht unsympathisch ist.

Wenn Sie einen Helden einführen, der negative Eigenschaften hat oder etwas, was ihn unsympathisch macht, sorgen Sie unbedingt für Ausgleich. Durch, wie hier bei Martin, Humor. Oder durch eine andere positive Eigenschaft.

Am besten, Sie machen den Helden zuerst sympathisch, bevor Sie uns seine Schattenseiten zeigen. Sie wissen ja, der erste Eindruck zählt. Auch beim Roman.

Stellen Sie sich vor, Martins erster Satz lautete so:

Das erste Mal, dass ich mich mit Schmuck befasste, war an dem Morgen, als ich den Ehering meiner Mutter stahl.

Der Satz ist interessant, er weicht von unseren Erwartungen ab. Aber bemerken Sie, wie unser Eindruck des Erzählers sofort ein anderer wird als eben? Der Satz klingt wie der Anfang einer Verbrecherkarriere. Selbst der leichte Humor darin, den wir als Leser eben noch sympathisch fanden, wirkt nun überheblich. Als Leser denken wir: Wie kann man der eigenen Mutter so etwas antun? Schlimmere Verbrechen als nur der Diebstahl eines Rings werden in Aussicht gestellt.

Unterschätzen Sie nicht die Wirkung des ersten Satzes. Er kann Ihnen den perfekten Einstieg in den Roman ermöglichen und die Leser sofort binden. Schlimmstenfalls aber wendet er sich gegen Sie. Feilen Sie so lange daran, bis Sie ein Juwel in Händen halten. (Dann brauchen Sie es schon mal nicht Ihrer Mutter zu klauen.)

Hier noch zwei Beispiele für Einstiege, die durch ihren Ton den Leser unverzüglich mitnehmen. [Vielen Dank dafür an Evelyn.]

An dem Abend, als sie ausgeraubt wurden, speisten Roxy Palmer und ihr Mann Joe mit einem afrikanischen Kannibalen und seiner ukrainischen Hure.Blutiges Erwachen« von Roger Smith, Tropen 2010).

Wer kann schon einem Kannibalen widerstehen?

Lange Sätze zum Einstieg sind grundsätzlich problematischer. Manche Leser nehmen sie für das Buch ein, andere schrecken sie ab. Wie reagieren Sie auf den folgenden ersten Satz (aus »Tsotsi« von Athol Fugard, Klett-Cotta 1989)?

Stille war eingetreten wie immer um diese Zeit, eine lang anhaltende Stille, in der sich keiner von ihnen rührte, oder vielleicht nur, um ein Glas hoch über den Kopf zu heben und die letzten Reste in den offenen Mund tropfen zu lassen oder um zu gähnen, die Beine zu strecken und sich rückwärts auf den Stuhl sacken zu lassen, wobei sich vielleicht einer von ihnen kratzte, ein anderer in den Hinterhof horchte, wo die alte Frau, deren Stimme wie Kiesel in einer Blechbüchse rasselte, schimpfte, während sie alle zu dieser ihrer Zeit auf die Straße hinaussahen und sich fragten, ob die Schatten da draußen jetzt wohl schon lang genug wären.

Mich zieht die Poesie darin in den Roman, sprich: Ich vertraue dem Autor sprachlich. Während sich Blog-Leserin Evelyn für die Schatten interessiert und für das, was darin lauert.

Was lauert in Ihrem Einstiegssatz?

Schneller-Bestseller-Trick: Wovon lassen Sie sich in Romane hineinziehen? Analysieren Sie Ihre zehn Lieblingsromane. Wie gehen die Autoren dort vor? Gibt es Parallelen oder Muster? Was hätten Sie anders oder sogar besser gemacht?

Es ist vermutlich eine gute Idee, wenn Sie auf die Dinge in Ihrem eigenen Roman setzen, die Sie selbst an anderen Romanen faszinieren. Denn nur dann legen Sie das Maximum an Gefühl in Ihren Text.

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