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WIE EIN KARPFEN IM SCHLAMME SCHWELGT

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Die großen Romane der Ming-Zeit bestätigen den hohen Stellenwert von Erotik und Sex im alten China. Jin Ping Mei (Die Pflaumenblüte in der goldenen Vase) oder Li Yus Rou Pu Tuan (Andachtsmatten aus Fleisch) schildern das erotische und sexuelle Leben ihrer Protagonist_innen und weibliche Sexualflüssigkeiten en détail. Auch in diesen Romanen wird deutlich zwischen zwei vaginalen Flüssigkeiten unterschieden: der Lubrikation, die mit Beginn der erotischen Begegnung einsetzt, und einer zweiten Flüssigkeit, die zum Höhepunkt reichlich strömt oder spritzt, der Ejakulation.

Jin Ping Mei ist einer der großen klassischen Romane der chinesischen Literatur. Obwohl die Handlung des Romans im 12. Jahrhundert angesiedelt ist, gilt er als so umfangreiche wie exakte Darstellung des Lebens in der späten Ming-Zeit und als wichtige soziokulturelle Quelle für diese Zeit. Der Roman erzählt in 100 Kapiteln vom Leben und den erotischen Abenteuern eines Apothekers und Seidenhändlers in der Provinz Shandong. Xīmén Qìng ist reich. Er hat sechs offizielle Frauen und unterhält zahlreiche außerhäusliche Beziehungen. In den über 100 detaillierten Sexszenen fließen die Säfte, ergießen und vereinen sich Ströme. Yün-yü, das Spiel von Wolken und Regen, beschreibt zum Beispiel diese Passage: »Bald darauf kam es aus ihrem Munde brünstig wie der heisre Schrei des Kakadus, während er es mit Fleiß dem bunten Falter gleichtat, der lüstern in die süßen Tiefen des duftenden Blumenkelches taucht. Zwei wiederversöhnte Gatten labten sich in dieser Nacht an erquickendem Naß, das reichlich aus angesammeltem Gewölk strömt.«63 Die weiblichen Säfte werden gefeiert. Hier nimmt der Penis sie nicht zikadengleich in sich auf, sondern durchschwimmt sie wie ein Fisch: »Als er sich so bewegt, fließen die Säfte ihrer Lust frei, dick und weiß in stetigem Fluß. Sein Glied ist wie eine Schmerle (ein Karpfen), die im Schlamme schwelgt.«64 Der Roman Jin Ping Mei verdeutlicht aber auch, dass die hohe Position der Frau beim Sex keinesfalls ihrer sozialen Stellung entspricht. Sie muss sich dem Mann unterordnen und ist, insbesondere wenn sie nicht Teil der Oberschicht ist, sexueller Ausbeutung und Gewalt ausgesetzt. Auch davon erzählt der Roman eindrucksvoll. Die erotischen Abenteuer eines Mannes stehen auch im Mittelpunkt der Geschichte eines zügellosen Lebens (Langshi). In vierzig Kapiteln erzählt der Roman von Playboy Mei Susheng. Der Müßiggänger begegnet auf einem Friedhof der schönen Li Wenfei und verliebt sich augenblicklich. Sie lernen sich kennen und verbringen schließlich eine erste Nacht miteinander: »Er kam gut voran, so glitschig und feucht wie es in ihrem Unterkörper war, denn Wenfei hatte bereits bei seinen ersten Bewegungen einen weißlichen Lusttau abzusondern begonnen. (…) Dem Höhepunkt nahe, stieß Wenfei unentwegt Schreie der Lust aus und empfing dreißig Stöße in einer Serie. Der Lusttau, den sie nun absonderte und mit dem sie das Lager unter sich benetzte, war nicht mehr weißlich, sondern zunächst so durchsichtig wie Eiweiß und nahm schließlich einen rötlichen Schimmer an. (…) Die beiden wollten und wollten nicht zu einem Ende kommen. Samen und Sekrete flossen in Strömen und bildeten einen kleinen See unter den Körpern des Paares. Erst jetzt ließen sie voneinander ab (…).«65 Blumenschatten hinter dem Vorhang (Ge Lian Hua Ying), ein erotischer Roman aus dem 17. Jahrhundert, erzählt von den beglückenden Liebesnächten eines jungen lesbischen Paares. Als die Vulva der einen beim nächtlichen Liebesspiel besonders nass wird, hält ihre Geliebte die Flüssigkeit für Urin, wird von ihrer erfahrenen Freundin jedoch rasch eines besseren belehrt: »This is women’s sexual secretion, and tomorrow when I play with you, you will get as wet as I am.«66

Die Verwechslung von Ejakulat und Urin ist ungewöhnlich, denn die chinesischen Sexhandbücher und erotischen Romane lassen keinen Zweifel aufkommen, welche Flüssigkeit im Zusammenhang mit Sex exklusiv im Spiel ist. Allerdings fragt hier auch ein sehr junges und sexuell unerfahrenes Mädchen, ob ihre Geliebte womöglich gepinkelt haben könnte. Die Unsicherheit im Hinblick auf Ejakulat und Urin und die Angst der Frauen, beim Sex versehentlich zu pinkeln, werden im 19. und 20. Jahrhundert zu einem festen Topos werden. Insbesondere die europäische und US-amerikanische Medizin und Sexualwissenschaft werden die weibliche Ejakulation immer wieder als Inkontinenz interpretieren, bis auch viele Femmes-Fontaines, leider bis heute, ihrer Ejakulation mit großer Verunsicherung begegnen.

Spritzen. Geschichte der weiblichen Ejakulation

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