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EIN »SCHWELLENDES RÖHRCHEN«, EINE »FLUT VON WOLLUSTWASSER«

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Die Kamashastra-Texte nutzen ein üppiges Vokabular, um Vulva und Vagina zu beschreiben und zu benennen. Wie sonst könnten sie deren Vielfalt sprachlich abbilden? Die Vagina ist der »Wohnsitz des Liebesgottes«, ihr »vorzüglichster Körperteil«, die »Spalte des Liebesgottes«. Die Wände sind zart und weich, »mit zarten Knötchen versehen«, faltig oder »rau wie eine Kuhzunge«. Die Klitorisperle ist der »Schirm des Liebesgottes«, der einer Nase gleiche. Die Texte berichten auch von einer Stelle in der Mitte der Vagina, die im Hinblick auf das weibliche Spritzen besonders interessant ist. Dort sei ein »Röhrchen«, das anschwelle und eine »Flut von Wollustwasser«87 ausstoße, wenn es stimuliert werde. Diese außergewöhnliche Stelle wird auch madanagamanadolā genannt, »Schaukel für das Gehen/den Weg des Liebesgottes/der Lust«. Die Texte erklären, wie diese Fläche mit dem Penis stimuliert werden kann, und ermuntern zum »Hand-Erschütterungsspiel«, bei dem sie mit zwei Fingern geschickt gedrückt und gestreichelt wird.88 Auch das Ratirahasya, ein außerordentlich populäres Liebeshandbuch, das ins Arabische, Persische, Türkische, Englische und Deutsche übersetzt wird, berichtet von diesem Punkt in der Vagina: »eine penisähnliche Röhre, die Schaukel für den Weg des Liebesgottes. Mit zwei Fingern erschüttert, läßt sie eine Menge Brunstwasser sich ergießen«89. Dieses Röhrchen bereitet Indolog_innen später einiges Kopfzerbrechen. Der bereits erwähnte Richard Schmidt bittet einen Mediziner, die indischen Beschreibungen weiblicher Genitalanatomie zu prüfen. Die »liebenswürdigen Bemühungen« dieses Professors ergeben, »daß sich die meisten Angaben der indischen Autoren als falsch und die von ihnen genannten Organe innerhalb der Vulva [Schmidt meint hier die Vagina; S. H.] als nicht zu identifizieren ergeben haben (…).«90 Die Münchner Indologin Renate Syed kommt knapp hundert Jahre später (1999) in einer ausführlichen und spannenden Studie zu einem ganz anderen Ergebnis: Der in den Texten beschriebene Bereich in der Mitte der Vagina entspreche dem, was heute als G-Fläche bezeichnet werde. Das beschriebene Röhrchen schwelle wie die G-Fläche an, werde fest, richte sich auf und gleiche so »nach indischer Vorstellung dem Penis«.91 Frauen, die diese Stimulation angenehm finden, verspritzen außerdem eine Flüssigkeit, die nicht die normale Lubrikation der Vagina sei und die Syed als weibliche Ejakulation identifiziert. Den altindischen Autoren seien, schreibt Syed, »die Phänomene der ›Gräfenberg-Zone‹ und der weiblichen Ejakulation«92 bekannt. Damit wissen die indischen Erotiker wie auch die chinesischen Autoren der Liebeshandbücher aus dem vorherigen Kapitel, die die G-Fläche als »Milch-Frucht« bezeichnen und ihr Anschwellen und die damit kausal verbundene Ejakulation beschreiben, deutlich mehr über den weiblichen Körper als der deutsche Professor hunderte Jahre später.

Spritzen. Geschichte der weiblichen Ejakulation

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