Читать книгу Selbstjustiz - Susann Nocent - Страница 13

Kapitel 10 – Das Anwesen

Оглавление

Einige Tage später machten sie sich mit zwei Fahrzeugen auf den Weg. Im Mercedes Kombi saß Marc am Steuer, neben ihm Pablo, auf der Rückbank Sally und Maria. Im zweiten Fahrzeug saß José am Steuer, neben ihm Sandro und auf der Rückbank Roy. Alle waren sehr gespannt auf das neue Anwesen, das Sally gekauft hatte und das der Stützpunkt für die Organisation werden sollte.

Sie verließen Hamburg. Sally hatte eine Wegbeschreibung dabei, es sollte nicht leicht zu finden sein. Auf einer Bundesstraße Richtung Trittau fuhren sie ungefähr fünfundzwanzig Kilometer, dann bogen sie rechts ab. Hier begann ein großes Waldstück.

„Fahr bitte etwas langsamer, hier irgendwo soll ein kleiner, unscheinbarer Waldweg links abgehen.“ Sally schaute angestrengt aus dem Fenster. Maria saß auf der linken Seite und entdeckte ihn zuerst „Stopp, hier ist er!“

Marc trat auf die Bremse und setzte den Blinker, er hatte ihn jetzt auch gesehen. „Der Weg ist aber wirklich sehr schlecht zu erkennen! Bist du sicher, dass es hier richtig ist?“, fragte er.

„Sicher bin ich mir nicht, aber so wurde es in meinen Unterlagen beschrieben. Schauen wir mal, wo er hinführt. Ha, hier schau, ein Schild. Da steht „Privatweg“ drauf! Ja, hier sind wir richtig.“ Sally war irrsinnig gespannt.

Der Weg war uneben, sah eher wie ein Trampelpfad aus und fuhr sich auch so, aber nach der ersten Kurve war die Fahrspur schon mit Platten ausgelegt. Nach etwa sechshundert Metern kamen sie zu einer massiven roten Schranke, die den Weg versperrte. Daneben stand ein Schild mit der Aufschrift „Privatgelände, Betreten verboten“.

Es gab keine Chance, an dieser Schranke vorbeizukommen. Der Wald war sehr dicht und zu beiden Seiten standen große Bäume. Wenn man genau hinschaute, konnte man auch erkennen, dass sich ein hoher, stabiler Zaun durch den Wald zog. „Seht mal, in den Bäumen rechts und links sind versteckte Videokameras eingebaut, man kann sie kaum sehen!“ Sally deutete auf die Bäume und fummelte gleichzeitig an ihrem Schlüsselbund herum. Dann hatte sie endlich den kleinen Anhänger aufziehen können und drückte auf den Auslöser. Die Schranke öffnete sich. „Es funktioniert!“ Sally freute sich.

Nachdem beide Fahrzeuge die Schranke passiert hatten, schloss sie sich wieder. Kurz hinter der Schranke kam eine scharfe Rechtskurve und dann war die Straße auch asphaltiert. Die ganze Zeit fuhren sie durch einen dichten Wald. Das Grundstück muss wahnsinnig groß sein, dachte Roy. Nach einem Kilometer standen sie dann vor einem riesigen weißen Tor. Es musste über drei Meter hoch sein, genau wie die Mauer, die auf der rechten und linken Seite vom Tor abging. Ein Ende war nicht zu erkennen, sie verschwand in den dichten Bäumen. Alle waren sehr beeindruckt. Roy zwängte sich zwischen die beiden vorderen Sitze und schaute sich voller Staunen das Tor an.

„Meine Güte, wovor hatte dieser Mann Angst, vor King Kong?“ Sandro und Pablo mussten laut loslachen.

„Na ja“, meinte Sandro. „Er war halt ein bisschen verrückt, Sally hat es ja bereits angedeutet.“

„Ein bisschen verrückt halte ich da aber für stark untertrieben. Jetzt bin ich richtig gespannt, was uns noch so alles erwartet.“ Roy lehnte sich wieder in seinen Sitz zurück. Auf der linken Seite vor dem Tor war auf einem Metallpfeiler ein großer weißer Kasten angebracht. Sally deutete auf den Kasten. „Dort befinden sich ein Display und eine Zahlentastatur. Wir werden erst noch die Kombination und die Fingerabdrücke einspeichern müssen, jetzt werde ich das Tor erst mal mit der Fernbedienung öffnen.“ Sally betätigte die Knöpfe und das Tor verschwand rechts und links in der Mauer. Überall konnte man Videoüberwachungskameras erkennen.

Pablo schüttelte den Kopf. „Der Mann, der hier gelebt hat, hatte wirklich ein Problem. Wie wohl seine Festung in Frankreich aussieht? Das hier kann man ja kaum noch toppen.“

Maria war so überwältigt, dass sie nichts sagen konnte. Mit großen Augen schaute sie sich um, so ganz geheuer war ihr das alles nicht.

„Derartige Sicherheitsvorkehrungen habe ich selten gesehen, allerdings sind die Drogenbosse in Südamerika ähnlich abgesichert.“ Auch Marc war sichtlich beeindruckt. Langsam fuhr er durch das Tor, der andere Wagen folgte und auch hier schloss sich das Tor wieder automatisch. Nun fuhren sie auf ein wunderschönes weißes Haus zu, es wirkte ein wenig wie eine Villa aus den Südstaaten. Vor dem Haus befand sich ein großes Rondell, dort blühten bereits Osterglocken und Krokusse. Marc fuhr um das Rondell herum und parkte direkt vor dem Eingang.

Zwei imposante weiße Säulen umrahmten die Eingangstür, die man von zwei Seiten über ungefähr zehn Stufen erreichen konnte. Das Gebäude schien sehr groß zu sein, im Erdgeschoss konnte man auf der rechten und linken Seite der Eingangstür je drei auffällige Fenster erkennen, im zweiten Stock jeweils sieben Fenster. José brachte seinen Wagen hinter Marc zum Stehen und alle stiegen aus.

„Wow, so was habe ich ja noch nie gesehen!“ Roy schaute sich erstaunt um. Im Übrigen wirkten alle beeindruckt, sowas sah man wirklich nicht alle Tage.

Neben dem Haus auf der rechten Seite waren fünf Parkplätze gekennzeichnet, auf der linken Seite stand ein Gebäude, das dem Anschein nach aus fünf Garagen bestand. Dazwischen führte ein breiter Weg hinter das Haus. Auch innerhalb dieses Grundstücks standen viele Bäume, sodass man die Mauern, die das Grundstück umschlossen, nicht erkennen konnte.

„Bevor wir uns die Nebengebäude anschauen, möchte ich erst das Haus sehen!“ Sally war total gespannt und aufgeregt.

Sie sprang die Treppen zur Eingangstür hinauf und schloss die Tür auf, dann betrat sie das Haus. Die anderen folgten ihr. Ein etwas muffiger Geruch kam ihnen entgegen und Maria machte sich sofort daran, die Fenster im Flur zu öffnen. Die Eingangshalle war komplett mit weißem Marmor gefliest, die Wände mit dunklem Holz vertäfelt, eine breite Treppe, ebenfalls aus Marmor, führte in den ersten Stock. Von der Eingangshalle gingen insgesamt vier Türen ab. An der Decke hing ein riesiger Kronleuchter und zwischen den einzelnen Türen standen Palmen, die durch die großen Fenster ausreichend mit Helligkeit versorgt wurden.

Was man auf den ersten Blick nicht erkennen konnte, was Sally aber wusste, war die Tür, die sich links unter der Treppe befand. Der Zugang zum Keller, auf den Sally besonders gespannt war.

„Hier geht es zum Keller, ich muss unbedingt zuerst dorthin!“ Sally lief auf die Tür zu, öffnete sie und schaltete das Licht ein. Eine gut ausgebaute breite Holztreppe führte in die Tiefe, Sally ging voran, die anderen folgten ihr. Maria schüttelte nur den Kopf, ihr war das alles zu viel. Trotzdem ging sie mit, denn neugierig war sie schließlich auch. Am Ende der Treppe befand sich ein weißgrau gekachelter, geräumiger Flur, von dem vier Türen abgingen. Sally öffnete die erste Tür. Hier befand sich die Heizungsanlage, Waschmaschine, Trockner, ein großer Raum, in dem auch Leinen, wahrscheinlich zum Trocknen von Wäsche, gespannt waren. In dem etwas kleineren Raum hinter der zweiten Tür sah sie leere Regale, hier war es merklich kühler.

„Das scheint der Vorratsraum zu sein, ich denke, hier hast du einiges zu tun, Maria. Die Regale auffüllen und so weiter.“ Sally lächelte Maria an.

Das dritte Zimmer war eine Art Aufenthaltsraum mit zwei Kabinen, die durch einen Vorhang abgetrennt waren. Vor diesem Raum lag die Sauna. Eine hochmoderne Sonnenbank stand in einer Ecke, ein kleines Badezimmer mit Dusche gab es auch. Durch eine Glaswand konnte man ein nicht gerade kleines Schwimmbecken erkennen. Der vierte Raum war der interessanteste, ein Weinkeller, in dem sich sogar noch einige Flaschen Wein befanden.

„So, das hier ist der wichtigste Raum überhaupt!“ Sally hatte hektische Flecken im Gesicht, ihr Haar hatte sich wieder mal aus dem Zopf gelöst und kringelte ihr in einzelnen Strähnen auf die Schulter. Sie konnte die Spannung kaum noch ertragen. „Ich dachte, du trinkst nur Corona? Dass dir der Wein so wichtig ist, hätte ich nicht gedacht.“ Roy grinste Sally an. „Ach, du hast ja keine Ahnung.“

Sally ging bis zum Ende des Raumes und stand vor einer Wand, bis zur Decke mit gefüllten Weinregalen verdeckt. Sie drehte an ihrem großen Ring, den sie seit einiger Zeit trug, wie bei einer Tresorkombination, in einem bestimmten Rhythmus nach links und rechts und dann schwang die Wand nach innen auf! Gleichzeitig flammten Neonröhren an der Decke des dahinterliegenden Flures auf.

„Was in Gottes Namen ist das hier?“ Sandro war platt.

„Ich habe es euch doch erzählt. Das hier ist unser kleines privates Krankenhaus.“

Aber auch Sally war ziemlich überwältigt. Der Fußboden des Flurs war mit hellem Linoleum ausgelegt, die Wände weiß gestrichen wie in einem Krankenhaus. Sie gingen der Reihe nach alle Räume ab. Es gab einen Lagerraum, dort befanden sich Mullbinden, Spritzen, Medikamente und Ähnliches sowie ein großer Kühlschrank mit diversen kleinen Fläschchen. Eine volleingerichtete Küche, ein WC mit Dusche, ein Schwesternzimmer, ein Ärztezimmer, zwei Krankenzimmer mit je zwei sauber bezogenen Betten, ein voll ausgestattetes Labor und ein hochmoderner Operationssaal. Sally konnte das beurteilen, sie kannte sich durch die Firma ihres Vaters in diesem Bereich sehr gut aus.

Am Ende des Ganges gab es noch einen Notausgang, über eine Treppe konnte man das Haus verlassen. Der Ausgang befand sich, versteckt auf der Hinterseite des Hauses, hinter einer großen Hecke in einer Bodenplatte. Von dort aus führte ein Feldweg vom Anwesen fort.

Der Operationssaal wurde von einem kleinen Raum abgetrennt, der mit einer großen Glasscheibe versehen war. So war es möglich, bei der Operation zuzuschauen, ohne den sterilen Bereich zu betreten.

„Was für ein Verrückter hat hier bloß gewohnt?“ José schüttelte den Kopf, er konnte nicht fassen, was er in den letzten Minuten alles gesehen hatte. Den anderen ging es nicht besser, nur Sally war aufgedreht wie ein Kind zu Weihnachten. Sie schaute ihre Leute an.

„Nun, er war eben ein exzentrischer Milliardär, der vor allem und jedem Angst hatte. Er wollte von niemandem abhängig sein und er hatte das Geld, um das alles zu bezahlen und nur das Beste und Modernste zu kaufen. Aber was für uns wirklich das Wichtigste ist, es weiß so gut wie kein Mensch, was der Mann hier im Wald gebaut hat!“

„Das sieht alles gut aus, für unsere Organisation wie geschaffen, nur leider fehlt uns noch das Wichtigste“, Marc brachte die Sache auf den Punkt „Wir brauchen dringend Krankenhauspersonal.“

Da hatte er bei Sally einen wunden Punkt getroffen, das lag ihr noch schwer im Magen. „Ja, Marc, du hast recht, wir müssen so schnell wie möglich daran arbeiten. Denn ich denke, unsere ersten Patienten werden nicht lange auf sich warten lassen.“

Draußen angekommen gingen sie den Weg zwischen dem Haus und den Garagen entlang und kamen auf ein größeres zweistöckiges Gebäude zu. Darin befanden sich zehn geräumige Zimmer mit Bad, eine Gemeinschaftsküche und ein Fitnessraum.

„In diesen Räumen haben die Bodyguards gewohnt“, sagte Sally. „Wir werden hier einiges umbauen müssen. Schauen wir uns auch das letzte Gebäude an.“ Sie ging schon einige Meter weiter und betrat die Halle, die leer war.

„Was kann das bloß gewesen sein? Ich habe keine Informationen über diesen Raum bekommen.“ Sally wanderte in der Halle umher.

„Sieht fast wie ein kleiner Hangar aus“, überlegte Marc. „Ein Hubschrauber würde hier reinpassen und der Platz vor der Halle ist ideal zum Starten und Landen. Vielleicht hat dieser abgedrehte Kerl ja seinen Hubschrauber hier geparkt?“

Sally ging immer noch in der Halle hin und her. „Ja, das könnte sehr gut sein. Vielleicht schaffen wir uns auch einen an. Kannst du einen Hubschrauber fliegen, Marc?“ Sally drehte sich um. Marc stand genau hinter ihr.

„Ja, das ist kein Problem.“ Er schaute Sally direkt in die Augen, sie standen dicht voreinander und ihr wurde ganz heiß. Schnell ging sie nach draußen, wo auch die anderen warteten. Wieder im Haus angekommen, erkundeten sie alle weiteren Räume und trafen sich später in der großen Küche, wie erwartet auch sehr modern ausgestattet. Eine große Sitz- oder Essecke hatte genügend Platz für alle. Pablo hatte die Verpflegung geholt, während Maria immer noch die Küche inspizierte, von der sie sehr angetan zu sein schien.

Zwei Flaschen Champagner wurden geöffnet, Maria brachte die Gläser und schenkte mit Pablo zusammen ein. Sally hob ihr Glas „Auf unsere hoffentlich erfolgreiche Organisation ‚Gerechtigkeit für die Opfer!’“

Jeder prostete ihr zu, die Stimmung war gut und alle redeten aufgeregt durcheinander. Nach einer Weile übernahm Sally wieder das Wort. „Nun gibt es aber noch eine Menge zu tun, ich möchte jetzt gerne die Aufgabenverteilung bestimmen. Maria, bitte gib mir erst einmal etwas Vernünftiges zu trinken.“ Maria zauberte ein kaltes Corona aus der Tasche, öffnete die Flasche und gab sie Sally. Marc schaute besorgt zu Sally. Anscheinend hatte sie Probleme, die sie nicht in den Griff bekam. Er merkte, dass sie ihm von Tag zu Tag mehr bedeutete, aber er wusste ja, dass sie einen Freund hatte.

Sally band sich ihre Haare im Nacken neu zusammen, was ihr mal wieder nicht gelingen wollte, einzelne Strähnen hingen ihr in die Stirn. „So, jetzt kann es weitergehen. Also Roy, Pablo und José, wie wir festgestellt haben, ist in dem Raum neben der Küche das Herzstück des Hauses. Das ganze Überwachungssystem wird von diesem Raum aus gesteuert. Wir hatten vorhin kurz reingeschaut. Ich möchte, dass ihr euch damit vertraut macht. Es müssen verschiedenen Daten neu eingegeben und gespeichert werden und die Technik muss gecheckt werden. Es befinden sich dort auch noch Schlüssel und Fernbedienungen für die Schranke und das Tor, die verteilt ihr bitte. Des Weiteren gibt es dort ein Computersystem, Roy, ich möchte, dass du das überprüfst und Pablo eine Liste von den Dingen zusammenstellst, die du brauchen wirst. Und denk daran, dass du dich im Netz schützt, wir wollen doch nicht, dass du wieder Spuren hinterlässt, die auf dich oder uns schließen lassen könnten.“ Sie lächelte Roy an.

„Sei unbesorgt, ich weiß, welche Fehler ich gemacht habe. Wenn ich die Technik bekomme, die ich brauche, dann kann nichts passieren. Ich werde sehr vorsichtig sein, versprochen!“ Roy grinste Sally an.

„Pablo, bitte geh mit Marc unseren Fuhrpark durch, ich möchte, dass die neuen Fahrzeuge hier abgestellt werden. Maria, du kümmerst dich bitte darum, dass der Vorratsraum gefüllt wird. Und kontrollier die Küche, was du noch so alles brauchen wirst. Sandro kann dir später dabei helfen. Zuerst möchte ich, dass er die Organisation für den Umbau der Nebengebäude übernimmt, sodass dort so ungefähr sechs gemütliche Wohnungen entstehen für unsere Leute. Frag die Männer, wie sie es gern eingerichtet hätten. Ach ja, Maria und Pablo, wenn ihr die anliegende Wohnung bezieht, richtet euch ein, wie ihr wollt, ihr werdet die meiste Zeit hier wohnen. Und versucht das alles so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen, damit wir uns bald heimisch einrichten können. So, jetzt kann sich jeder noch mal in Ruhe umschauen, wenn er will, wir fahren dann später wieder nach Hamburg zurück.“

Nach einer Woche waren das Überwachungssystem gescheckt, die erforderlichen Daten eingespeichert und die Fernbedienungen verteilt. Jedes Mitglied der Organisation konnte das Anwesen nun eigenständig betreten. Die Umbauarbeiten wurden von Sandro vorangetrieben und sollten in einer Woche abgeschlossen sein. Die Möbel waren bestellt. Sally hatte für ihre Räume im Haupthaus schon alles geliefert bekommen und sich eingerichtet, sie fühlte sich hier sehr wohl. Maria hatte den Vorratsraum aufgefüllt und Roy noch einige Computerteile bestellt, die er dringend benötigte. Unter anderem auch bei der Firma von Sally Vater. Der hatte so einige spezielle Teile, die es auf dem freien Markt noch nicht zu kaufen gab. Darüber freute sich Roy besonders. Sally ging zu Roy in den Technikraum, dort hielt er sich meistens auf. „Hallo Roy!“

Er drehte sich zu ihr um. „Hallo Sally! Das ist einfach traumhaft hier, diese Möglichkeiten, die ich habe, nicht zu glauben…“ Roy war in seinem Element.

„Roy, du musst dich dringend um eine Recherche kümmern. Wir brauchen Personal für unsere Klinik. Suche bitte nach einem Arzt, der für unsere Organisation infrage kommt. Der in der Lage ist, die Operationen durchzuführen, die wir uns vorstellen. Das wird nicht einfach werden. Es könnte zum Beispiel ein Arzt sein, der seine Zulassung verloren hat, der durch Schicksalsschläge nicht mehr praktizieren kann oder in der Öffentlichkeit unangenehm aufgefallen ist. So was in der Art. Wir brauchen auch eine Krankenschwester, die vielleicht sogar über ihre Tätigkeiten hinaus noch andere Aufgaben im Krankenbereich übernehmen kann. Du weißt, um was es geht?“

„Natürlich. Ich mache mich gleich an die Arbeit, so einige Ideen habe ich schon im Kopf, ich werde bestimmt etwas finden.“ Roy merkte, dass es Sally wirklich Sorgen machte. Er nahm sich vor, alles zu tun, um ihr die erforderlichen Informationen zu besorgen.

Sie ging in die Küche. “Na, wie sieht’s bei dir so aus?“ Sie ging auf Maria zu und nahm sie in die Arme.

„Alles bestens!“ Maria schaute sie schmunzelnd an. „Ich habe noch eine Überraschung für dich, das wird dich freuen!“

Sally wirkte erstaunt, aber sie liebte Überraschungen, solange sie angenehm waren. Von Maria konnte eigentlich nur etwas Angenehmes kommen. Maria ging zum Schrank, holte ein Päckchen heraus und reichte es Sally „Hier. Öffne es.“

Sally nahm das Päckchen und schaute hinein. „Wow, das ist ja fantastisch, die Anhänger mit den Ketten!“ Sie nahm einen Anhänger mit der dazugehörigen Kette heraus, legte ihn in ihre Handfläche und strahlte. “Die sehen toll aus, genau so hatte ich sie mir vorgestellt!“ Sally zählte nach, es waren zwanzig Anhänger mit Ketten.

„Kann deine Bekannte noch mehr Anhänger herstellen?“ „Klar, kein Problem, sie hat so etwas wie eine Schablone. Jetzt würde es auch schneller gehen.“

Sally ließ sich eine Kette von Maria umbinden, zwei andere nahm sie aus dem Päckchen und reichte sie Maria. „Die sind für dich und Pablo, die anderen werde ich heute Abend beim Essen austeilen. Bin gespannt, was die Männer dazu sagen werden.“

Abends trafen sich alle im Speisezimmer. Sie hielten sich zurzeit fast ausschließlich auf dem neuen Anwesen auf, da es hier noch sehr viel zu tun gab, bevor sie endgültig einziehen konnten.

Die Stirnseite des Tisches hatten die Männer für Sally frei gelassen. Rechts neben ihr saßen Marc, Pablo und Maria, links neben ihr Roy, José und Sandro. Drei Plätze waren noch frei, wer weiß wie lange noch. Zumindest hatte nun jeder seinen Platz gefunden, denn es war das erste gemeinsame Essen, an dem alle teilnahmen.

Sally trug eine enge, verwaschene Jeans und Cowboystiefel, dazu eine weiße Bluse, die einen Ausschnitt hatte, der ihre Kette mit dem Anhänger besonders zur Geltung brachte. Mit ihren Haaren hatte sie sich auch Mühe gegeben, wild sahen sie aber irgendwie immer aus. Marc musterte sie von oben bis unten, sie spürte seine Blicke und ihr wurde ganz heiß, dieser Mann konnte sie total durcheinanderbringen. Außerdem sah er heute wieder unverschämt gut aus. Sein Haar schien er ständig im Nacken zusammenzubinden, das war sogar so gewesen, als sie sich nachts in der Küche getroffen hatten. Zufällig trugen sie fast Partnerlook, auch er hatte eine Jeans und ein weißes Hemd an. Im Übrigen war eigentlich egal, was er trug, seine tolle Figur war immer zu erkennen.

„Hallo, schön, dass wir alle hier zusammen sind! Ich denke, wir essen erst einmal gemeinsam, danach habe ich noch einiges mit euch zu besprechen. Also guten Appetit!“

Maria war eine ausgezeichnete Köchin, aus diesem Grunde wurde auch kaum gesprochen, denn alle konzentrierten sich auf das leckere Essen.

„Maria, du kochst einfach traumhaft! Ich kann mich nicht erinnern, jemals so gut wie bei dir gegessen zu haben!“ Marc lächelte Maria an und die anderen bestätigten seine Aussage. Man sah Maria an, dass sie sich sehr über das Lob freute. Nach dem Essen räumte sie den Tisch ab und brachte noch Getränke. Sally holte das kleine Paket und legte es vor sich auf den Tisch. „Ist euch aufgefallen, dass ich eine neue Kette mit einem ausgefallenen Anhänger trage?“ Sally schaute fragend in die Runde. Marc war es natürlich aufgefallen, da er sie ja sehr eingehend gemustert hatte. Er sagte aber nichts.

„Nun, ist ja auch egal“, Sally öffnete das Päckchen und verteilte die Anhänger mit den Ketten. „Das ist das Symbol unserer Organisation ‚Gerechtigkeit für die Opfer’, die Buchstaben G f d O sind in diesen Anhänger eingearbeitet. Schaut ihn euch genau an, dann könnt ihr es erkennen.“Sally ließ ihnen Zeit. „Jeder, der sich mit der ‚GfdO‘ identifizieren kann, der sich mit unseren Tätigkeiten einverstanden erklärt, soll diesen Anhänger tragen, egal, ob es aktive Mitglieder sind oder passive.“

„Mensch, Sally, das ist eine tolle Idee. Ich finde diesen Anhänger super und ich bin sehr stolz darauf, dass ich einer der Ersten bin, der ihn tragen darf!“ Man sah Sandro an, dass er es ernst meinte. Roy pflichtete ihm bei und band seine Kette schon um den Hals. Alle waren sich einig, das war ihr Zeichen. Maria ging um den Tisch und half, die Ketten anzulegen. Sally packte das Päckchen wieder weg und gab Pablo ein Zeichen, er holte daraufhin ein weiteres Paket. „Noch mehr Geschenke!“ Roy schaute gespannt zu Pablo.

„Ja, noch mehr Geschenke!“ Sally lächelnd Roy an und ging zu Pablo. Sie nahm ein kleines Päckchen aus dem Paket und hielt es hoch. „Das ist eines der modernsten Hightech Handys, die es auf dem Markt gibt. Offiziell sind sie aber noch nicht im Handel, ich habe sie mir aus Amerika von der Firma meines Vaters schicken lassen.“

Pablo verteilte die kleinen Päckchen an alle.

„Nachdem ihr die Handys aufgeladen habt, müsst ihr einen persönlichen Code einprogrammieren. Mit diesem Code und nur im Zusammenhang mit dem Abdruck des kleinen Fingers könnt ihr mit diesem Handy telefonieren und Anrufe entgegennehmen. Sollte der falsche Code oder der falsche Finger genommen werden, bekommt der Angerufene ein Warnsignal. Für uns ein Zeichen, dass das Handy in falsche Hände gekommen ist, was wir natürlich vermeiden sollten. Diese Handys sind absolut abhörsicher und nicht zu orten, es sei denn, man will geortet werden, dann gibt es eine Möglichkeit, aber das könnt ihr selber nachlesen. Ich möchte nicht, dass ihr euer Handy aus der Hand gebt.“

Jeder packte das Päckchen aus und beschäftigte sich sofort damit. Typisch Mann eben, wenigstens hatten sie ihr noch zugehört.

„Das ist ja wie bei James Bond, hat sich „Q“ hier noch irgendwo versteckt?“ Roy hatte immer einen Spruch auf Lager. Marc grinste, die anderen reagierten nicht und Roy merkte, dass sein Spruch nicht so gut angekommen war. Sally schaute Roy direkt ins Gesicht „Das hier ist kein Film. Es ist eine sehr ernste Angelegenheit. Ich war der Meinung, dass dir das klar ist.“ Marc kam Roy zu Hilfe „Sally, er ist noch jung, ich denke schon, dass er genau weiß, um was es geht. Es ist eben seine Art, hier und da mal einen dummen Spruch zu reißen.“ Roy schaute Marc dankbar an. „Genau, so ist es. Sally, mir ist der Ernst der Sache durchaus bewusst“, Roy wirkte etwas betrübt. „Okay, schon gut. Ich denke, uns allen ist klar, was auf uns zukommt und worauf wir uns eingelassen haben. Wir wollen den Opfern helfen, indem wir die Täter bestrafen. Und dafür wird man uns bestrafen, wenn sie uns erwischen sollten. Also ich trinke mit euch auf unsere Organisation, auf die ‚GfdO‘, Gerechtigkeit für die Opfer.“ Sally prostete ihren Leuten zu.

Selbstjustiz

Подняться наверх