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Kapitel 6 – Verliebt

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Heute war Samstagabend und Pablo nun schon seit über einer Woche unterwegs. Sally wusste nicht, wo er war, erst recht nicht, wann er wiederkommen würde. Aber sie hatte Vertrauen zu ihm. Gleich würde ihre Freundin Britta Stockmann kommen. Sie kannten sich schon ein halbes Leben, denn sie hatten das gleiche Mädcheninternat in der Schweiz besucht. Brittas Eltern gehörte eine große internationale Hotelkette und auch sie konnte das Geld mit vollen Händen ausgeben.

Heute Abend wollten sie im ‚Landhaus Scherrer‘ essen gehen und zu späterer Stunde wieder in das ‚Nobel’.

Am letzten Wochenende hatte Sally dort einen faszinierenden Mann kennengelernt. Richard Bär war sieben Jahre jünger als sie, was sie aber nicht störte. Seinen Beruf hatte er zwar nicht verraten – sie hatten geflachst und geflirtet und wenig Sachliches ausgetauscht, aber er sah so fantastisch aus, dass er gut ein männliches Model hätte sein könnte. Groß, dunkles Haar, tief liegende, dunkle Augen, breite Schultern und schmale Hüften. Beim Lachen zeigte er nicht nur bildschöne Zähne, sondern auch kleine Grübchen neben den Mundwinkeln, ein bezaubernder, überraschender Effekt, der Sally besonders gefiel. Richard trug keinen Ring, weder an der rechten noch an der linken Hand. Wobei diese Art von Mann wahrscheinlich sowieso keinen Ring tragen würde, egal, ob verheiratet oder nicht.

Britta hatte sich gegen fünf Uhr angemeldet, sie würde sicher gleich da sein, überpünktlich, wie sie war. Sally stand in BH und Slip in ihrem großen begehbaren, vollgestopften Schrank und registrierte seufzend, dass sie nichts anzuziehen hatte. Sie hörte die Klingel der Haustür, Maria öffnete und schon klang die Stimme von Britta durch’s Haus.

“Hallo Maria!“ Sie nahm Maria in die Arme und knuddelte sie. „Wir haben uns ja lange nicht gesehen. Na ja, ich bin auch wieder eine Weile im Urlaub gewesen. Es war einfach fantastisch! Ach, Maria, und schöne Männer laufen auf den Malediven rum, ich kann dir sagen!“ Sie lachte und stürmte die Treppe nach oben. „Sally, mein Schatz, wo bist du denn?“ Maria schmunzelte und ging in die Küche. Sie kannte Britta auch schon eine Ewigkeit, sie war immer aufgedreht und schnatterte, ohne Luft zu holen.

Sally saß auf ihrem Bett und schaute die Nachrichten.

„Mensch, Sally, du bist ja noch nicht mal angezogen“, trompetete Britta.

„Hey Britta, geht sofort los, ich möchte noch schnell dies hier sehen“, Sally begrüßte Britta mit einem Kuss auf die Wange und konzentrierte sich wieder auf den Nachrichtensprecher, der gerade einen Bericht über die Gerichtsverhandlung von Helmut Terben brachte.

„Der ist tatsächlich freigekommen, ich kann es nicht fassen!“ Sie war außer sich. „Hast du den Fall Terben verfolgt?“, fragte sie Britta erregt.

„Nein, Schätzchen, wie du weißt, bin ich gerade aus dem Urlaub gekommen und hatte andere Dinge zu tun. Was ist denn los?“

Sally erzählte ihr alles, was sie aus den Medien über diesen Fall musste. Auch Britta konnte das Urteil nicht wirklich nachvollziehen. Allerdings meinte sie: „Weißt du, Sally, das sind studierte Männer, die eigentlich wissen, was sie tun. Wir kennen doch auch keine Hintergründe. Das Urteil wird schon seine Berechtigung haben.“

„Ich denke nicht, dass sie wissen, was sie da getan haben. Na, dieser Terben wird schon noch seine gerechte Strafe bekommen, davon bin ich überzeugt.“

Sally wollte nun auch das Thema wechseln, bevor sie sich allzu sehr hineinsteigerte, dafür hätte Britta kein Verständnis.

„So, ich ziehe mich noch schnell an.“

Sie entschied sich jetzt für eine schwarze enge Nappalederhose mit passendem Oberteil. Die Stiefel mit den hohen Absätzen ließen ihre Beine noch schlanker erscheinen. Die beiden betrachteten sich im großen Spiegel. Britta war der Gegensatz zu Sally, sie besaß langes, dunkles, gewelltes Haar mit roten Strähnen, ihre klaren grünen Augen verliehen ihr etwas Katzenhaftes. Ihre Figur war etwas üppiger als die von Sally, wobei sie allerdings auch mit einigen Schönheitsoperationen nachgeholfen hatte.

“Eigentlich bin ich ganz zufrieden mit mir!“, platzte Britta ehrlich heraus.

„Na, dann“, lachte Sally, „können wir auch los.“

Die beiden ließen sich ein Taxi zur Villa kommen und fuhren zum Essen.

Sie hatten sich viel zu erzählen und merkten nicht, wie die Zeit verging. So betraten sie das ‚Nobel’ erst kurz vor Mitternacht. Sally hatte Britta alles über Richard Bär erzählt, und dementsprechend war ihre Freundin sehr gespannt. Dass Sally so von einem Mann schwärmte, war schon etwas Besonderes. Sie gingen an die Bar und schauten sich erst einmal um. Britta hatte auf Anhieb zwei Männer entdeckt, die in ihr Beuteschema passten. Leider konnte Sally Richard auf den ersten Blick nicht finden, denn das Lokal war sehr voll. Sie drehte sich zum Tresen und wollte gerade etwas zu trinken bestellen, als der Barkeeper ihr schon ein Corona auf den Tresen stellte. Erstaunt schaute Sally ihn an.

„Wurde bereits bezahlt, von dem Herrn hinter Ihnen.“

Sally drehte sich um und schaute in die glänzenden, dunklen Augen von Richard. „Hallo Sally, ich hatte schon Angst, du hast vergessen, dass wir uns heute treffen wollten“, säuselte er ihr ins Ohr.

„Nein bestimmt nicht.“

Man sah der heute wieder blendend aus!

„Ich hab mich mit meiner Freundin beim Essen verquatscht“, entschuldigte sich Sally. „Sie ist gerade aus dem Urlaub gekommen.“

In diesem Moment drehte Britta sich um.

„Aber hallo, du bist bestimmt Richard!“ Sie wartete die Antwort gar nicht erst ab. „Ich bin Britta, Sallys beste Freundin.“ Man sah ihr an, wie sehr ihr seine faszinierenden dunklen Augen gefielen.

„Hallo Britta.“ Sally bemerkte, dass Richard Britta von oben bis unten musterte und empfand leichte Eifersucht, obwohl es Quatsch war. Britta würde niemals einen Mann anrühren, den Sally sich ausgesucht hatte.

„Kann ich dir auch etwas zu trinken bestellen?“ Beim Lächeln zeigte er diese Grübchen.

„Gerne, ich brauche erst einmal ein Wasser, mein Kopf muss etwas klarer werden. Wir haben immerhin schon so einiges weggesüffelt heute Abend“, Britta grinste Sally an. Richard bestelle ihr ein Wasser, wandte sich dann aber wieder Sally zu. “Ich freu mich wirklich, dich wiederzusehen, Sally. Wenn du mir letzte Woche deine Telefonnummer gegeben hättest, dann hätte ich dich bestimmt angerufen.“

“Ich freu mich auch, dich zu sehen.“ Sallys Herz klopfte bis zum Hals. Was ist bloß los, dachte sie, das kenne ich ja gar nicht von mir? Sie hatte sich wohl doch bereits etwas in diesen Mann verguckt. Was mochte es für ein Gefühl sein, von ihm geküsst zu werden?

Britta zog gerade mit dem ersten Typen zum Tanzen ab. Sally und Richard unterhielten sich lieber noch eine Weile. Diesmal erzählte Richard ihr auch, dass er bei der Polizei arbeitete und eigentlich am letzten Wochenende aus beruflichen Gründen hier gewesen war. Er fahndete nach einem Kinderpornoring, hatte allerdings im ‚Nobel’ nichts erreichen können.

„Du meinst, hier verkehren Pädophile?“ Sally riss ihre blauen Augen entsetzt auf. Ausgerechnet!

„Nein, das war ein falscher Hinweis, der Verdacht hat sich nicht bestätigt“, beruhigte Richard sie.

Allmählich merkte Sally den Alkohol doch, sie wurde anhänglicher. Als ein langsames Stück gespielt wurde, legte sie unwillkürlich beide Arme um Richards Hals. Er ließ die Gelegenheit nicht ungenutzt, erst küsste er ihr Ohr und ihre Wange, dann hatte er schon ihren Mund erobert. Hand in Hand gingen die beiden wieder an die Bar zurück.

„Sally, ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.“ Er schaute ihr in die Augen, nahm sie in seine Arme und küsste sie diesmal so leidenschaftlich, dass Sally Angst hatte, ohnmächtig zu werden.

Sie kuschelten und lachten den ganzen Abend zusammen. Auch mit Britta und ihrer Eroberung namens Peter hatten sie viel Spaß. Der Abend war zu schnell vorbei.

Britta zog mit Peter ab und Sally ließ sich von Richard zu einem Taxi bringen, sie wollte alleine nach Hause. Auch wenn sie sich jetzt gerade sehr beschwingt und glücklich fühlte, war sie noch lange nicht in der Lage, mit Richard eine Nacht zu verbringen. Am Taxistand küssten sie sich lange.

„Sally, ich möchte dich so schnell wie möglich wiedersehen!“

Ich dich auch, dachte Sally. Sie sagte stattdessen „Ich gebe dir meine Handynummer.“ Sie küssten sich noch einmal, dann stiegen sie in verschiedene Taxis und fuhren los. Auf der Heimfahrt dachte Sally über Richard nach. Es könnte was werden mit diesem Mann, wenn sie es schaffte, ihre Sperre zu überwinden.

Zwei brutale Männer, die nun tot waren, hatten ihr Leben fast zerstört.

Richard wohnte im Stadtteil Lurup. Er hatte dort vor zehn Jahren ein Endreihenhaus gekauft, sehr geschmackvoll eingerichtet, viel eleganter, als normale Polizeibeamte sonst wohnten und es war voll und ganz bezahlt. Allerdings auch von Geldern, über die er nicht reden wollte. Richard musste an Sally denken, er wusste noch nicht viel über sie, das war aber auch nicht wichtig für ihn, noch nicht. Er vermutete, dass sie einen guten finanziellen Stand hatte. Das war leicht am gepflegten Äußeren und an der Kleidung zu erkennen, dafür hatte er einen geübten Blick. Ihre Freundin hatte den jungen Kerl, den sie kennengelernt hatte, den ganzen Abend ausgehalten. War ja nicht das Schlechteste, eine reiche Freundin zu haben. Sally hatte immerhin auch einiges bezahlt. So etwas kam ihm sehr entgegen, da spürte er keine Skrupel. Das Taxi hielt vor seinem Haus, er zahlte und ließ sich eine Quittung geben. Die Sonntagszeitung lag schon im Briefkasten. Richard nahm sie mit ins Haus, denn schlafen konnte er sowieso noch nicht, dazu war er viel zu aufgedreht. Er setzte sich in sein Wohnzimmer und begann, die Zeitung zu lesen. Natürlich stand auch wieder ein Bericht über diesen Kinderpornoring darin, den er und seine Kollegen aufzudecken versuchten. Leider war das Ganze nicht so einfach, wie es in den Zeitungen immer beschrieben wurde. Die Hintergründe waren nur wenigen Kollegen bekannt, man vermutete, dass bei diesem brisanten Fall einflussreiche Menschen die Zügel in der Hand hielten. Deswegen schien es so schwierig, den Spuren zu folgen, die immer wieder bewusst vertuscht wurden. Heute wollte er sich nicht mehr damit beschäftigen.

Den Teil in der Zeitung, in dem über die Schönen, Reichen und Prominenten berichtet wurde, las er immer mit großem Interesse. Zwar gehörte er mit seinem Beamtengehalt nicht zu dieser Liga, hätte jedoch zu gerne mitgespielt. Plötzlich stockte er. Nanu, auf diesem Bild war Sally abgebildet! Nein, das konnte doch nicht sein? Er schaute sich das Bild genauer an, doch, das war sie, kein Zweifel, neben einem älteren, gut aussehenden Herrn, der ihr sehr ähnlich sah. An seiner linken Seite stand eine attraktive ältere Dame. Richard las die Schlagzeile:

Ernst von Raken, millionenschwerer Industriellen, wieder verheiratet!

Ernst von Raken, der aus einer der reichsten Familien Deutschlands stammt, hat, wie erst jetzt bekannt wurde, wieder geheiratet. Seit zwanzig Jahren lebt er in den USA und hat mit seinen beiden Unternehmen Raken Electronics und Raken Klinikausstattung GmbH große Gewinne erzielt und sich auf dem Markt in den USA etabliert.

Seine Tochter, Sally von Raken, lebt weiterhin in Deutschland.

Na, das war doch wie ein Sechser im Lotto, da hatte sich wirklich eine echte Millionenerbin in ihn verliebt! Und noch dazu so ein süßes, hübsches kleines Ding. Dass sie ein paar Jahre älter war, machte sich kaum bemerkbar. Richard lächelte vor sich hin. Dieses Mädchen würde er jetzt nicht mehr aus seinen Fängen lassen. Er wusste sehr gut, was er mit seinem Aussehen und seinem unwiderstehlichen Charme anrichten konnte. Nun war ihm aber mal ein richtig dicker Fang ins Netz gegangen. Er lag noch lange wach und überlegte, wie er Sally möglichst schnell komplett für sich gewinnen konnte. Es würde nicht schwierig werden. Angebissen hatte sie ja bereits…

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