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CARPE DIEM
Heute II
Genieße den Duft der Rose, bevor der Wind die Blüten zum Tanz einlädt.
Carpe diem“ – „Nutze den Tag“ ist ein geflügeltes Wort, das wohl jeder schon einmal gehört hat. Und doch wird es in unserem Sprachgebrauch in seiner Übersetzung oft falsch verstanden. Es fordert uns auf, unsere knappe Lebenszeit hier und jetzt zu genießen und das Leben nicht auf den nächsten Tag zu verschieben. NICHT gemeint ist damit, den Tag für so viele produktive Tätigkeiten wie möglich zu nützen!
Der ursprünglichen Bedeutung kommen wir näher, wenn wir „Carpe diem“ mit „Genieße den Tag“ oder „Pflücke den Tag“ übersetzen und den gesamten Satz zitieren: „Carpe diem, quam minimum credula postero.“ – „Genieße den Tag und vertraue möglichst wenig auf den folgenden“, schrieb der römische Dichter Horaz im ersten Buch seiner 23 v. Chr. erschienenen Oden. Horaz war ein Schüler des griechischen Philosophen Epikur. In dieser Ode wollte er dessen Philosophie beschreiben. Epikur traf sich mit seinen Schülern meist in Gärten und so beschreibt diese Ode – in einer Analogie zum Garten –, sinnlich Früchte zu pflücken. Weshalb wir auch die Übersetzung „Pflücke den Tag“ finden können. Zentral für Epikur war die Entwicklung der Lust und Lebensfreude, wobei die Sinnesfreuden keineswegs hedonistisch, also oberflächlich genusssüchtig, gemeint waren. Das höchste Glück ist das „stille Glück“, das stille Erleben mit allen Sinnen. (Begierden, vor allem ungestillte, galten als Widersacher der Lebensfreude.) Horaz zeigt uns, dass wir jeden Moment diese sinnliche Lebensfreude erfahren können und sollen.
„Carpe diem“ lädt dazu ein, den kleinen, einfachen Dingen im Leben Aufmerksamkeit zu schenken, die Freude machen. Das können beglückende Momente in der Natur sein, der Genuss von köstlichem Essen, die Begegnung mit lieben Menschen, ein Sonnenuntergang, der Duft einer Blume – wenn wir dies mit Achtsamkeit und Bewusstheit erleben, voll im Moment, im Augenblick, im Jetzt verankert, dann erleben wir jede Menge Glück, für das wir dankbar sein können. Dann nützen wir den Tag, die Gunst der Stunde und leben unser Leben im Bewusstsein der Fülle.
WIE möchte ich meine kostbare Zeit nützen?
„Carpe diem“ stellt aber auch eine Frage: WIE möchte ich meine kostbare Zeit nützen? Eine Zeit, die begrenzt ist und jeden Moment verrinnt. Würde ich mich komplett fühlen, wenn ich jetzt diese Welt verlassen müsste und die Menschen, meine Umgebung, nie mehr sehen würde?
Falls die Antwort lautet: „Nein, ich würde mich nicht komplett fühlen“, stellt sich die nächste Frage: Was braucht es noch? Was will ich in diesem Leben noch erreichen, vollenden, erleben?
Um sich ein Bild zu machen, wo Sie in Bezug auf Ihr Leben stehen, können Sie ein Maßband zur Hand nehmen. Mit der linken Hand halten Sie es bei Zentimeter eins und zwischen den Fingern der rechten Hand bei Zentimeter 100. Nun nehmen Sie das Band mit der linken Hand bei der Zahl Ihres jetzigen Alters. Mit der rechten Hand wandern Sie zu der Zahl der durchschnittlichen Lebenserwartung. Bei Männern beläuft sie sich aktuell auf 79, bei Frauen auf 84 Jahre. Wie viel (Lebenszeit) bleibt noch?
Diese Übung kann uns veranschaulichen, dass nicht mehr so viel Zeit bleibt, wie wir es uns vielleicht wünschen. Dies zu realisieren ist ernüchternd, ernüchtert sein heißt, eine Situation klar zu sehen, vielleicht auch aus einer Illusion aufzuwachen. Sie können auch auf der Website der Statistik Austria (www.statistik.at/Lebenserwartung) Ihr Geburtsdatum eingeben und die Jahre sehen, die Ihnen – laut Statistik – noch bleiben.
Der eigenen Sterblichkeit und unumstößlichen Vergänglichkeit ins Auge zu sehen, ist nicht leicht und erfordert Mut und Stärke. Im ersten Moment kann es sein, dass wir auch von Bedauern, Reue, Schuld oder Scham geplagt werden. Menschen bereuen und bedauern meist nicht das, was sie getan haben, sondern das, was sie nicht getan haben. Bevor Sie die Vergangenheit loslassen können, müssen Sie sich diesen Gefühlen stellen. Verzeihen Sie vor allem sich selbst, aber verzeihen Sie auch anderen. Spüren Sie nach, was Sie brauchen, um verzeihen zu können. Erst dann ist es möglich, das, was geschehen ist, sein zu lassen – es GUT sein zu lassen.
Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, legen Sie das Buch zur Seite und beobachten Sie, was Sie im Moment sinnlich wahrnehmen können. Was hören Sie? Was sehen Sie? Was riechen Sie? Welchen Geschmack haben Sie im Mund? Wie spüren Sie Ihren Körper? Wie ist Ihr Gesichtsausdruck – entspannt oder angespannt? Wie ist die Raumtemperatur – angenehm warm oder kühl? Sitzen Sie entspannt?
Was immer Sie wahrnehmen, manches wird angenehm, manches wird unangenehm sein, manches wird neutral sein. Wählen Sie das Angenehme aus und genießen Sie diese Wahrnehmung so lange, wie es für Sie angenehm ist. Lassen Sie sich ganz auf diesen Sinnesgenuss ein, ohne einen Gedanken der Interpretation. Wiederholen Sie diese einfache Übung mehrmals am Tag. Kurze Momente, in denen Sie einfach genießen, da zu sein, präsent zu sein. Pflücken Sie diese Momente, es sind Ihre Früchte, die Früchte, die es während eines langen Tages immer wieder zu ernten gilt.
Das ist der Ausgangspunkt dafür, geistige Ruhe zu entwickeln, um mit Lebenslust das Hier und Jetzt genießen zu können. Entwickeln Sie ein lebendiges Interesse an Ihrer Umwelt, einen aktiven Geist, der wach und gleichzeitig ruhig und zufrieden ist.
Überlegen Sie, welche „stillen“ Qualitäten Sie in Ihr Leben einladen möchten, wie Sie achtsamer leben und mehr genießen können.
In diesem Sinne: „Carpe diem!“