Читать книгу Und die Tage lächeln wieder - Susanne Zeitz - Страница 15
Kapitel 10
ОглавлениеIch bin in Lima.
Die übliche Geschäftigkeit breitet sich aus. Taschen und Jacken werden zusammengerafft, Gepäckklappen geöffnet und im Gang gedrängelt. Jeder möchte möglichst als erster das Flugzeug verlassen.
Martin reicht mir mein Handgepäck. Ich stopfe meine Jacke in den Rucksack und hänge ihn mir über die Schulter. Wir warten, bis der größte Andrang vorbei ist. Dann verlassen auch wir die Maschine.
„Liegt Ihr Hotel auch in Miraflores?“
„Nein. Ich habe im Zentrum gebucht. In der Nähe vom Plaza Mayor“, antworte ich.
Mein Nachbar zieht kaum merklich die Augenbraue hoch und blickt mich leicht erstaunt an. „Dann haben Sie sicher nicht vor, lange zu bleiben.“ Sein Kommentar ist eher eine Feststellung als eine Frage.
„Ich muss ebenfalls in die Stadt. Sie können mit mir fahren. Mein Mitarbeiter holt mich ab.“
Ich möchte etwas entgegnen.
„Nein“, meint er, „es macht wirklich keine Umstände und ich würde Sie gerne vor Ihrem Hotel absetzen.“
Es sind circa fünfzehn Kilometer bis zum Stadtzentrum und ich habe noch nie so viele Autos gesehen. Es herrscht ein unheimlicher Verkehr. Lärmend, stockend, stinkend. Wir fahren durch Stadteile, wo die Armut förmlich aus den kleinen, schmuddeligen Häusern schreit.
Ich schlucke. Was ich bis jetzt zu sehen bekomme, ist furchtbar. So habe ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Diese Armut und dieser Schmutz.
Wie soll ich denn in dieser riesigen Metropole meine Mutter finden? Mein Mut und meine Hoffnung sinken in die Tiefe.
„Lima ist eine Stadt der Extreme. Hier kann man alles finden. Reichtum, große Armut, Hütten und Paläste. Es ist eine Stadt, die an ihren Auspuffgasen, ihrem Müll und an ihren sozialen Problemen im wahrsten Sinne zu ersticken droht“, erklärt Martin und zeigt aus dem Fenster.
Ich kann nur müde nicken, denn diese Stadt raubt mir meine Energie und der schwere, bedeckte Himmel scheint meinen Geist tief in den Körper zu drücken.
„Warum ist der Himmel so grau-gelb?“
„Das ist der Smog und der Wüstenstaub. Da es in den Sommermonaten kaum regnet, bleibt der ganze Schmutz in der Luft hängen. Erst in Miraflores und den anderen Stadtteilen, die direkt am Meer liegen, ist die Luft besser.
Ich schlucke. Vielleicht hätte ich mir doch besser ein Hotel außerhalb gesucht. Na ja, es wird schon nicht so schlimm werden.
Nach einer Stunde haben wir mein Hotel erreicht.
Ich bin froh, denn ich spüre zu einer wachsenden Frustration auch noch die Müdigkeit einer halb durchwachten Nacht.
Sie lassen mich direkt vor dem Eingang des Hotels aussteigen, was sehr schnell geschehen muss, denn es gibt keine freie Parknische, so dass das Auto auf der Straße halten muss. Sofort ist ärgerliches Hupen zu hören.
Ich verabschiede mich von dem Fahrer und nehme meinen Rucksack und meine Jacke. Martin hebt meinen Koffer aus dem Kofferraum.
„Auf Wiedersehen Alexandra und denken Sie daran, wenn Sie irgendwie Hilfe brauchen, dann rufen Sie einfach an. Noch schöner natürlich zu einem Kaffeetreff. Ach und noch etwas. Sie wissen natürlich, dass Sie nach Anbruch der Dunkelheit nicht mehr durch die Straßen laufen sollten. Zu gefährlich. Und bleiben Sie auf dieser Seite. Wenn Sie über den Rio Rimac nach Convento de los Descalzos oder zur Plaza de Acho gehen, kann das gefährlich werden, denn das sind die Armenviertel.“ Er blickt mich besorgt an.
Ich nicke und zwinge auf mein müdes Gesicht ein Lächeln.
„Danke für die Hinweise. Ich werde daran denken.“ Es ist rührend, wie er sich um mich sorgt. Ich winke noch einmal, öffne die Drehglastür des Hotels und betrete die Lobby. Der Verkehrslärm bleibt draußen.
Für ein Stadthotel der Mittelklasse wirkt es vornehm. Schwere Ledersessel, die sich um kleine Glastische gruppieren und in denen einige Gäste sitzen. Manche scheinen auf jemanden zu warten, andere unterhalten sich und wieder andere haben Getränke vor sich stehen. Ich spüre ihre taxierenden Blicke.
Mit einem Mal werde ich mir meiner zerknitterten Jeans, meiner verschwitzten Bluse und meiner bequemen, ausgelatschten Turnschuhe unangenehm bewusst.
Ich kann es kaum erwarten, mein Zimmer zu beziehen. Schlafen und anschließend eine ausgiebige, erfrischende Dusche.
Ich gehe zur Rezeption, nenne meinen Namen und reiche meinen Pass. Die Zimmerreservierung hat geklappt, aber das Zimmer ist erst um elf Uhr beziehbar.
Ich schaue auf meine Uhr. Neun Uhr Ortszeit. Meine Stimmung sinkt. Noch zwei lange Stunden. Eine gefühlte Ewigkeit.
Ich versuche, eine gute Miene zu einer dummen Angelegenheit zu machen. Meinen Koffer stelle ich in den Aufbewahrungsraum und mache mich auf, das Hotel zu erkunden. Mein Rundgang führt mich am Fitnessraum, am Fernsehzimmer und am Barbereich vorbei. Ein bisschen verloren stehe ich im Speisesaal und schaue mich um. Die Tische sind bereits für das Mittag- oder Abendessen gedeckt. Weiße Tischdecken auf quadratischen Vierertischen, auf denen kleine Vasen mit irgendwelchen rosa Blümchen stehen. Hübsch dekoriert mit geblümten Gardinen und Aquarellbildern an den Wänden. Ich schaue mir einzelne Bilder näher an. Es scheinen Motive aus Lima und Umgebung zu sein. Typische Touristenattraktionen.
Eine Glastür steht weit offen.
Ich gehe darauf zu und entdecke das kleine, hoteleigene Restaurant. Ein Ober, der wie aus dem Nichts aufgetaucht ist, weist mir lächelnd einen Tisch zu. Begeistert nehme ich Platz und bestelle eine große Tasse Kaffee.
Viel schöner als in der Lounge.
Ich entledige mich meiner Turnschuhe. Ein befreiendes Gefühl, endlich die Schuhe ausziehen zu können. Langsam werden meine müden Lebensgeister wieder fit und ich beginne, mich wohlzufühlen.
Ich könnte Konrad anrufen und ihm sagen, dass ich gut angekommen bin.
Konrad hatte mir vor der Reise ein IPhone geschenkt. Erst wollte ich es nicht annehmen, denn ich bin in diesen Dingen ein bisschen altmodisch, mein einfaches Handy genügt mir völlig. Doch er hatte gute Argumente, wieso und warum WhatsApp so praktisch ist.
Ein richtiges IPhone mit Internet und so. Ich betrachte es stolz, mache ein Selfie und schicke es mit einem Gruß an Konrad. Vielleicht hätte ich mir schon früher eines anschaffen sollen. Kurz darauf, als habe er schon auf meine Nachricht gewartet, kommt eine SMS zurück.