Читать книгу Und die Tage lächeln wieder - Susanne Zeitz - Страница 6
Kapitel 1
ОглавлениеDas Flugzeug hat seine Flughöhe erreicht.
Ich befreie mich von meinem Sicherheitsgurt, stelle die Sitzlehne ein wenig in Schräglage und richte mich, soweit das in dieser engen Stuhlreihe möglich ist, auf meinem Platz bequem ein. Das Angebot der Stewardess, etwas zu essen, lehne ich ab, doch die Tasse Kaffee nehme ich gerne.
Einen kleinen Muntermacher für die lange Nacht, die vor mir liegt, kann ich gebrauchen, denn ich möchte wach bleiben, um noch einmal über die Ereignisse nachzudenken, die hinter mir liegen. Ereignisse, die meine bis dahin heile Welt in Unordnung gebracht haben, die mich plötzlich Dinge hinterfragen lassen, die für mich bisher als unantastbar und wahr galten.
Es erscheint mir immer noch wie ein Traum. Ein Traum, aus dem ich gleich erwache, und alles wieder so ist, wie es immer war. Aber kann ich überhaupt jemals wieder in dieses alte Leben zurückkehren? Werde ich bei meiner Rückkehr dieselbe sein?
Mich fröstelt. Ich hülle mich fester in meine Strickjacke, schlinge meinen Wollschal enger um den Hals und trinke vorsichtig einen Schluck von dem dunklen Gebräu aus der weißen Plastiktasse. Lauwarm und bitter rinnt es meine Kehle hinunter, fast eine Beleidigung für die Geschmacksnerven, aber es tut trotzdem gut.
Für einen Moment gelingt es mir, meine Aufmerksamkeit von mir weg auf meine Umgebung zu lenken.
Stimmengemurmel, leises Lachen, das klappernde Geräusch des Servierwagens und die helle, sympathische Stimme der Stewardess mischen sich mit dem sonoren Brummen der Flugzeugmotoren.
Mein Sitznachbar bemüht sich tapfer um sein Essen. Es scheint eine Art Hackbraten in dunkler Sauce zu sein. Als er meinen Blick bemerkt, zieht er eine Grimasse.
„Es schmeckt, wie es aussieht. Doch es macht wenigstens satt“, meint er und lächelt unzählige kleine Falten in sein Gesicht, die sich um seine Bartstoppeln legen.
Ich lächle zurück, drehe mich aber gleich wieder weg und schaue aus dem kleinen Fenster. Ich will jetzt keinen Smalltalk, möchte nichts aus einem fremden Leben erfahren und keine neue Bekanntschaft machen. Clemens drängt sich in meine Gedanken. Ich vertreibe ihn daraus. Es tut zu weh.
Weit unter mir funkeln die Lichter einzelner Häuser und Städte wie Miniaturgebilde, klein und bedeutungslos.
Stimmt es wirklich, dass über den Wolken alles leicht und grenzenlos erscheint?
Ich liebe den Augenblick des Startens, wenn das Flugzeug mit großer Geschwindigkeit über die Rollbahn rast, um sich dann leicht, fast wie von selbst, in die Luft zu erheben. Ich genieße diesen Augenblick, denn in ihm fühle ich die Freiheit, alles hinter mir oder unter mir zurücklassen zu können. Aber dieser Moment sollte länger dauern. Viel zu schnell macht er jedes Mal dem gleichmäßigen, für mich eher langweiligen Dahingleiten Platz und damit dem Zurückkehren der Gedanken um Zurückgelassenes.
Ohne dass ich es will, zieht mich die Erinnerung zu den Ereignissen der vergangenen drei Monate.