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Bodo

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Bei Autos und anderen Fahrzeugen aller Art sind die Bremsen ein sehr wichtiger und fester Bestandteil. Man weiß mehr oder weniger, wo sich diese befinden und merkt, wann diese gewartet bzw. Teile davon erneuert werden müssen, weil die Bremsleistung nachlässt. Spätestens dann, wenn der TÜF das feststellt, ansonsten wird das Fahrzeug einfach stillgelegt. Es gibt aber auch Bremsen, die nicht fest installiert sind. Eben solche gehören meiner Meinung nach alle sofort stillgelegt. Welche das sind? Das kann ich euch aus eigener Erfahrung mit „Bodo“ sofort sagen…

Manche Koppeln vom Pferdehof liegen etwas weiter vom diesem entfernt und der Weg dorthin führt einen mit seinem Pferd schon mal mitten auf der Straße durch das kleine Dorf. So auch an jenem Tag. Wir haben Chris geholfen, einige Schulpferde auf ebenso eine Koppel zu bringen. Ich hatte Nobby am Führstrick. Eine ganz liebe Haflingerstute, welche ihr später noch in einem anderen Kapitel kennen lernen werdet. Leider waren wir an diesem Tag nicht alleine unterwegs. Nein, ich meine hier keine Autos oder andere Mitmenschen, sondern diese verflixten kleinen Biester namens „Pferdebremsen“, zu jenen auch „Bodo – die Horrorbremse“ gehörte. Bodo war etwas ganz Besonderes unter seinen Berufskollegen. Er war ausgestattet mit einem extra großen und langen „Bohrgestänge“, geeignet für Tiefenbohrungen jeglicher Art. Wo andere Bremsen versagten, Bodo schaffte es. Keine Hautschicht war zu dick und keine Vene darunter zu tief. Bodo fand sie alle. Auf Grund seiner Ausrüstung suchte er immer etwas Besonderes und fand es, noch 100 Meter weit entfernt, in Form meiner Nase. Sein neues Ziel stand damit unwiderruflich fest. Er startete sofort zu seiner neuesten Kamikazeaktion durch. Mit schon fast jaulend brummenden Flügeln und direktem Zielanflug volle Kraft voraus… Schließlich war er Bodo, die Horrorbremse…

Auf der Koppel angekommen, ahnte ich noch nichts von Bodos Zielanflug. Wir waren gerade dabei, den Pferden die Halfter abzunehmen, als ich plötzlich mitten auf meiner Nasenspitze einen derben Stich spürte. Bodo war punktgenau gelandet und begann seine Tiefenbohrung. Da ich, wie gesagt, alle Hände voll zu tun hatte, konterte meine Flug- und Bohrabwehr etwas zeitverzögert. Zusammen mit dem Kommentar „Blödes Vieh…“ wischte ich Bodo erfolgreich mit der Hand von der Nase. Damit war die ganze Sache für mich zunächst erledigt. Zunächst…

Irgendwann geht jeder Tag einmal zu Ende. So auch dieser. Abends zu Hause angekommen wurde zunächst erst einmal etwas gegessen. Am Tisch stellte meine Frau dann fest, dass mitten auf meiner Nasenspitze ein, wie sagte sie doch gleich… „für einen Bremsenstich etwas zu roter großer Pickel thronte“. Diesen Worten maß ich aber keine weitere Bedeutung bei. Meine Nase war schon immer etwas überempfindlich. Später, vor dem Fernseher, begannen diese Worte dann aber doch eine immense Bedeutung zu bekommen. Der Pickel fing an zu jucken. Was macht man? Man kratzt sich halt mal kurz und gut ist. War auch zunächst genauso. Einen kurzen Moment und drei Werbeclips weiter kam Rex zu mir und schaute mich mit einem etwas, sagen wir mal, zu merkwürdigen Blick an. Dann bemerkte ich es. Etwas Warmes tropfte von der Nasenspitze auf mein T-Shirt und hinterließ nicht nur dort einen dunkelroten großen Fleck. Mit den Worten „Oh, man, was ist das denn…“ nahm ich ein Zellstofftaschentuch, drückte es auf die Nase und begab mich eiligst ins Bad vor einen Spiegel, um das Ganze zu begutachten. Also, Taschentuch runter von der Nase und da war sie, Bodos Bohrstelle. Was ich hier dann sah, gefiel mir überhaupt nicht. Der Pickel verhielt sich genau wie eine nicht gesicherte Ölbohrstelle, nämlich wie ein kleiner Geysir… In regelmäßigem Abstand sprudelte ein roter Schwall aus dem Bohrloch heraus. Bodo hatte ganze Arbeit geleistet. In der letzten Bohrung seines Lebens hatte er eine Meisterleistung der besonderen Art vollbracht. Er hatte eine Arterie angezapft. Der erste Gedanke, den ich dazu hatte war „Oh Mist, was war das denn für eine Horrorbremse? Was hatte die denn für ein Bohrgestänge?“ Es gibt sicher genug Venen in meiner Nase, aber nein, Bodo bohrte sich souverän an all diesen schönen Leitungen vorbei. Er wollte zielsicher den Jackpot, die größte aller Leitungen, was er bekanntlich auch geschafft hatte. So etwas gehört absolut verboten! Mittlerer Weile hätte ich leicht, dank meines Aussehens, in jedem Horrorfilm die Hauptrolle eines blutüberströmten und gerade Verunglückten Menschen bekommen. Was nun? Wie stoppt man einen solchen Geysir auf einer Nasenspitze? Ihr werdet lachen, aber mit einem Druckverband werden nun viele sagen. Ja, das ist mir auch klar, aber wie sollte ich einen solchen an meiner Nasenspitze anwenden? Aber die Rettung nahte…

Ich glaube, manchmal sind diese ganzen zurzeit im Fernseher laufenden Frauenfilmchen wie „Der ewige Aufstand im OP“ oder „Schwester Marthas ewige Liebe“ sowie „Schönheitschirurg Prof. Dr. Naseweg“ auch zu was nütze. Frauen lernen da echt was. Ich sollte mir so etwas auch mal öfters ansehen (war nur ein Spaß). Jedenfalls erschien kurz darauf nicht Prof. Dr. Naseweg im Bad, sondern Schwester Martha in Form meiner Frau, bewaffnet mit einer Elastikbinde und einem kleinen Gummiring, ich glaube, es war die Dichtung eines Wasserhahns oder so etwas Ähnliches, sowie einer Dose richtig fettiger Fettcreme. Des Weiteren legte sie eine große Rolle Wundpflaster parat. Aha, dachte ich, jetzt wird die Bohrstelle abgedichtet. So war es dann auch. Mit den Worten „Das hab ich gestern oder so im Fernsehen gesehen. Da hatte auch einer Probleme nach einer Nasen-OP.“ ging sie dann ans Werk, genau wie Schwester Martha. Zunächst wurde der Gummiring dick eingecremt und nicht gerade zart auf das Bohrloch mit dem Geysir gedrückt. Mit den Worten „Drück das mal richtig fest ran.“ wurde einer meiner Finger regelrecht an den Gummiring „angeflanscht“. Sogleich wurde in Höher meiner Nasenspitze mein gesamter Kopf mit der Elastikbinde sehr fest umwickelt. Dass sie dabei meine Ohren mit einpackte, interessierte sie gar nicht. Auch wurde meine gesamte Nase mit jeder weiteren Umwicklung flacher und mein Gehör tauber. Zum krönenden Abschluss wurde das Ganze noch in vollem Umfang mit dem Heftpflaster fixiert. Da half auch kein noch so schöner ewiger Aufstand im OP, genau wie im Fernsehen – Widerstand ist bei Schwester Martha zwecklos. So, nun stand ich da. Platte Nase und keine Ohren. Irgendwie hatte ich in diesem Moment so ein Gesicht wie der, dessen Namen man nicht ausspricht in den sehr beliebten Filmen über den Zauberlehrling. Mit den Worten „So Schatz, das sollte reichen und jetzt gehe ich weiter Film gucken…“ ließ sie mich grinsender Weise allein im Bad. Aber tatsächlich, Bodos Bohrloch war verschlossen und der Gummiflansch hielt auch dicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit (genau zwei Stunden) wickelte sie mich dann wieder aus und legte sehr vorsichtig den Geysir frei. Siehe da, er war versiegt. Nun bekam ich noch, dieses Mal aber sehr zärtlich, ein Wundpflaster auf die Nase und das war es dann auch schon. Ich hatte diesen heimtückischen und hinterhältigen Angriff auf mein Leben durch Bodo überlebt. Er nicht.

Nur zu eurer Information: Ich hatte dieses Pflaster eine gute Woche auf der Nase und ja, ich wurde mindestens drei Mal gefragt, ob ich mich geprügelt hätte…

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