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Das achte Gebot
ОглавлениеRex, unser treuer Hund, wird von allen Kindern geliebt. Er ist zwar etwas groß geraten, aber dafür ein sehr großer Menschen- und besonders Kinderfreund. Er ist, und das ist für uns ebenfalls sehr wichtig, mit Pferden verträglich. Bis auf Levin und Lilli, (Lilli lernt ihr nachher noch kennen, ich habe ihr ein eigenes Kapitel gewidmet), geht er allen anderen Pferden einfach aus dem Weg. So oft wir können, nehmen wir Rex mit auf den Pferdehof.
So auch an jenem Tag, an dem das geschah, was ich euch nun erzählen möchte.
Wir hatten gerade die Bodenarbeit mit Levin beendet, ihn abschließend noch reichlich mit „Möhrchen“ „entschädigt“ und ihn zurück auf die Koppel gebracht. Da wir noch etwas Zeit hatten, gesellten wir uns zum Smalltalk zu den anderen Einstellern, die ebenfalls mit ihren Pferden etwas unternommen hatten. Rex konnte sich auf dem Gelände frei bewegen. Als wir dann nach Hause fahren wollten, war dieser aber nirgends zu finden. Mit den Worten „Nö ne, wo ist denn dieser Hund nun wieder…“, gingen wir ihn suchen, konnten ihn aber nicht finden. Weder im Stall noch auf seinem geliebten Misthaufen. Auf dem Reitplatz, der sich unweit der Koppel befindet, auf der auch Levin stand, wurde gerade eifrig geritten. Mit den Worten „Wenn ihr euren Hund sucht, der ist vorhin hier vorbeigekommen und in Richtung Koppel gegangen.“ wurde uns, dem suchenden Personal, die Richtung gewiesen. Wir also nichts wie hinterher. Dann sahen wir unseren Rex mitten auf der Koppel ganz friedlich zwischen Lilli und Levin „grasen“. Die beiden Pferde achteten sehr auf den „Kleinen“, gehörten er doch schließlich auch zur Truppe oder so ähnlich. Auch Rex schien sich sichtlich, „beschützt“ von acht Riesenhufen, wohl zu fühlen und zupfte in aller Seelenruhe so manchen Grashalm. Leider hatte ich in diesem Moment weder Handy noch Fotoapparat dabei. Es wäre ein wirklich großartiges Bild für das Familienalbum geworden. Dann kam, was kommen musste. Ich möchte das hier einmal so schildern: Rex fraß die Grashalme ganz nach Hundemanie rückwärts wieder heraus. Schließlich riefen wir ihn und er kam auch freudestrahlend auf uns zu. Auf halbem Wege blieb er plötzlich stehen und schien über etwas „nachzudenken“. Was nun kam, wird wohl Big-Boy, der unweit von Levin bzw. Lilli stand und friedlich sein „Nachmittagsschläfchen“ hielt, genauso wie unser Hund, so schnell nicht vergessen. Rex ging in aller Ruhe auf diesen zu und umrundete ihn zunächst ganz gelassen erst einmal. Mir schien es so, als ob er die „Lage peilt“. Ich weiß nicht, ob Big-Boy so tief döste, dass er Rex nicht bemerkte oder ihn schlicht und einfach nicht bemerken wollte, aber er machte keine Anstalten, Rex in irgendeiner Weise zu beachten. Nun kam, was wir nicht für möglich gehalten haben. Rex ging zu einem der Hinterbeine, hob ganz nach Art eines Rüden das Bein und… plätscher, plätscher. Uns blieb die Spucke weg. Als Big-Boy sich immer noch nicht bewegte, wurde das andere Hinterbein, was ja historisch gewachsen rein zufällig gleich danebenstand, ebenfalls auf das gründlichste gewässert. Danach setzte sich Rex in gebührendem Abstand hin und wartete auf die Reaktion des Pferdes. Der arme frisch parfümierte Kerl zeigte nun eine erste Regung mit den Nüstern, welche sich plötzlich zu einem umfassenden Riechvorgang zu weiten schienen. Dann öffneten sich seine Augen langsam während er den Kopf seitlich in Richtung Hinterhand drehte. Nun wurde das eine Hinterbein nach vorne angehoben, so dass er etwas gründlicher die Herkunft des Hundeparfüms ergründen konnte. Das gleiche wiederholte sich dann auf der anderen Seite. Aber wie gesagt, langsam. Danach schien er einen Moment etwas nachdenklich zu verharren, er ist halt nicht der schnellste im Kopf. Nun roch er „die Gegend ab“. Er schien etwas zu suchen und fand es dann auch in Form von Rex, der immer noch seelenruhig sitzend die Show zu genießen schien. In diesem Moment wusste ich noch nicht, dass man innerhalb einer halben Sekunde gedanklich von „das arme Pferd“ zu „der arme Hund“ wechseln kann. Big-Boy machte plötzlich einen riesen Satz auf Rex zu. Ihr müsst euch nun mal in die Hundeperspektive versetzen. Da sitzt man so friedlich auf der Wiese und plötzlich kommt da ein bepinkelter Dinosaurier auf einen zugeflogen. Vom mittleren Erdbeben bei der punktgenauen Landung kurz vor dem Hund gar nicht zu sprechen. Nun hatte Rex genau zwei Möglichkeiten. Entweder, er erinnert sich an seine Urinstinkte und lässt den „Wolf raushängen“, von dem er ja vor zehntausend Jahren abstammte, oder er verhält sich wie ein normaler zeitgemäßer Hund und ergreift die Flucht. Egal, welche Möglichkeit er ergreifen wollte, die Überlegung bis dahin dauerte genau zehntausend Sekunden zu lange. Unterdessen senkte Big-Boy seinen Kopf nach Rex hinab und dann erscholl mit weit aufgerissenem Maul ein wütendes Gewieher in einer Lautstärke, die nur noch hartgesottene Happy-Metal-Fans ins Verzücken gebracht hätte. Alle „Normalis“ hätten danach sicher vom Ohrenarzt erfahren, dass sie nun für immer das Piepen in den Ohren haben oder so. Rex saß jedenfalls mit seinen im Luftzug flatternden Schlappohren völlig paralysiert immer noch auf seinem Fleck. Erst nachdem Big-Boy mit seiner „Ansprache“ fertig war und das auch nur, weil ihm quasi die Luft in den Lungen ausging (das dauerte bei dem Lungenvolumen doch ziemlich lange…) setzte beim Hund der Gedanke an einen geordneten Rückzug ein. Ganz langsam stand er auf, ging mit nicht mehr vorhandener Rute irgendwie flach schleichend und sich ständig nach Big-Boy umschauend in Richtung Elektrozaun. Dann kroch er darunter durch, setzte sich leicht zitternd hinter Frauchen und machte einen komischen Eindruck. Ja, was hat er denn nur? Beim Auto angekommen mussten wir im händisch klar machen, dass er in den Kofferraum springen sollte. Irgendwie hörte er wohl im Moment schwer.
Ich glaube, speziell für Rex wurde hier das achte Gebot geschrieben: „Du sollst nicht schlafende Big-Boys oder andere Pferde bepinkeln.“. Dieses Gebot hält er bis heute akribisch ein.